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Schuster, Poet und OpernheldVon Joachim Lange / Fotos von Kirsten NijhoffDer Nürnberger Schuster und Poet Hans Sachs (1494 bis 1576) ist selbst eine historische Berühmtheit. Heute ins Gespräch schafft er es vor allem dann, wenn Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg auf die Bühne kommen. Seine Art, gewitzt zu handeln und lebensweise zu reflektieren, sind ebenso eine Steilvorlage für eine psychologisierende Interpretation. Die berühmte Schlussansprache über Meisterehre und Deutschlandgefühl ist heute eine allemal brisante szenische Herausforderung. Im Uraufführungsjahr 1868 hatte die noch einen ganz anderen Kontext als dann im Kaiserreich - und erst recht danach. Lehrbub Görg macht ein Schläfchen bei der ArbeitIn seiner Dank des Libretto-Gemeinschaftswerkes des Komponisten mit Philipp Reger und Philipp Jakob Düringer dramaturgisch recht betulichen Hans Sachs, der 1840 in Leipzig uraufgeführt wurde, ist es sogar Kaiser Maximilian I., der wie ein Deus ex machina am Ende alles ins Lot bringt. Christian Henneberg verbreitet in dieser Rolle, zunächst inkognito durch den Zuschauerraum schreitend, die Würde seines Amtes. Wenn er am Ende von der Seitenloge aus seinen Kunstverstand aufblitzen lässt, um sich schließlich von den Bürgern feiern zu lassen, trägt er sogar eine standesgemäße Krone. Das zweite Paar im Stück: Cordula und Görg Es steht der Leipziger Oper - und da speziell der Musikalischen Komödie - auf alle Fälle gut zu Gesicht, Wagners Version der Hans-Sachs-Geschichte eine frühere gegenüberzustellen. Noch dazu, wenn die direkt den Namen des Helden trägt und die eine oder andere Ähnlichkeit aufweist. Musikalisch und dramaturgisch ist das nicht wirklich eine Gegenüberstellung auf Augenhöhe, sondern bleibt eher eine interessante historische Anmerkung. Eine mit dem Unterhaltungswert, den eine komische Oper vom Theater-, Schauspieler- und Spielopern-Hans-Dampf-in-vielen-Gassen Albert Lortzing (1801-1850) eben hat. Auch wenn sie nicht annähernd so komisch oder dramaturgisch packend ist wie Zar und Zimmermann, Wildschütz oder Waffenschmied. Immerhin hat Lortzing mit Regina 1848 eine damit verglichen verblüffend ambitionierte Oper zur 48er Revolution geschrieben. Die wurde zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt, kommt auch heute nur ganz selten zu Bühnenehren und stünde einem längerfristig anvisierten Lortzing-Schwerpunkt wie in Leipzig gut an. Nimmt man das Figurentableau der Wagner-Oper (historisch rückwärts gesehen) als Referenz für das 28 Jahre vorher von Lortzing eingeführte, dann ist es der dem Wagner'schen Beckmesser ähnliche Eoban Hesse, der ein Gedicht von Sachs vor dem Kaiser als sein eigenes ausgibt. Er bricht fürchterlich ein, als er es aus dem Kopf vortragen soll. Andreas Rainer hat genau die komödiantische Geschmeidigkeit für diesen Intriganten. Der klaut dem hier noch jüngeren Hans Sachs nicht nur seine Gedichte, sondern will ihm auch noch die Braut Kunigunde (so heisst die Eva hier) ausspannen. In der Premiere ist Mirjam Neururer eine Kunigunde mit etwas Überdruck. Bei Lortzing gibt es noch kein jüngeres Alter ego des Schusterpoeten (wie Stolzing). Hier wirbt er selbst um Kunigunde (sprich Eva) und bekommt sie auch. David und Magdalene bei Wagner haben ihrerseits eine geradezu verdächtige Ähnlichkeit mit Görg und dessen Braut Cordelia bei Lortzing. Adam Sánchez und Sandra Maxheimer sind die passgenaue Besetzung für dieses zweite Paar im Stück. Der Bürgermeister und sein WunschschwiegersohnAuch Milko Milev füllt mit sonorer vokaler Würde und Erscheinung den selbstgefälligen Bürgermeister und Vater Kunigundes mit komödiantischer Präsenz. Justus Seeger muss in der Titelpartie erst eine gewisse Zurückhaltung der Figur beglaubigen, was ihm durchaus gelingt. Beim berühmten „Wacht auf, es nahet gen den Tag“, das ihm die Regie hier in den Mund legt, bricht zwar vorm inneren Ohr der nämliche Chor auf der Festwiese los. Seeger freilich kommt hier noch unbeschadet davon, weil er das nur rezitiert. Bei der Schlussansprache sitzt er in der Falle. Hier riskieren Orchester und Regie das direkte Wagnerzitat aus der Schlussansprache. So wie Tobias Engeli da mit dem Orchester umschaltet, wirkt das zwar durchaus berührend, aber dass Lortzing beim direkte Vergleich nicht bestehen kann, war eigentlich klar. Für Justus Seeger ist das eine offenkundige Grenzüberschreitung, die den Abstand zwischen Lortzing und Wagner nicht verringert, sondern demonstriert. Kunigunde und Hans Sachs Auch beim Libretto helfen die beherzten Kürzungen nur zum Teil, um über die gereimten Spruchweisheiten hinauszukommen. Jede Menge Liebeslyrik (von Heine bis Brecht) und charmante Anachronismen helfen bedingt. Die Inszenierung von Rahel Thiel, der nüchternen aber gut bespielbare Bühnenguckkasten, die bunten Kostüme von Renée Listerdal, der eigefügte Cupido, den Julian Brandao mit Charme als Strippenzieher, Muse und Postillon d’amour in einem gibt, dienen dem Stück und machen Spaß. Tobias Engeli hat das Orchester im Griff und läuft vor allem zur Hochform auf, wenn der von Mathias Drechsler einstudierte Chor der Ratsherren und der des querbeet kostümierten Volks aufeinander losgehen, als würden sie die Prügelfuge vorweg nehmen.
An der Musikalischen Komödie in Leipzig kam Albert Lortzings komische Oper Hans Sachs zu sorgfältig in Szene gesetzten Bühnenehren. Auch wenn es wohl kein Renner fürs Repertoire werden dürfte - an die "MuKo" nach Leipzig passt es als ergänzende Lortzing-Entdeckung sehr gut. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Chor und Extrachor der
Kunigunde
Cordula
Hans Sachs
Görg
Eoban Hesse
Meister Steffen
Kaiser Maximilian I.
Cupido
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