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Zwischen allen Welten verloren
Von Stefan Schmöe / Fotos © JBerger / Opéra Royal de Wallonie Liège Ausgerechnet Fisch wird beim Fest des Prinzen aufgetischt, spektakulär garniert mit riesigen Gräten und Fischskeletten. Kein schöner Anblick für die Nixe Rusalka, das Wasserwesen, das aus Liebe zum namenlosen Menschenprinzen ihre Heimat verlassen hat und in eine für sie sehr fremde, nicht zu bewältigende Welt hineintritt. Zuvor musste sie schon in der Küche mit ansehen, wie Fische (denen sie sich wohl immer noch näher fühlt als den Menschen) im Akkord ausgenommen und zerstückelt wurden. Die Inszenierung von Rodula Gaitanou beweist an dieser Stelle ihren Sinn für schwarzen Humor. Aber in der Pointe zeigt sich das wechselseitige Missverstehen, und auch die Unvereinbarkeit der Elemente wie schon zuvor in der quasi medizinischen Amputation von Rusalkas langem, ätherisch fließendem Kleid durch die Hexe Jezibaba und ihre Gehilfinnen. Da wird unmissverständlich deutlich, dass der Schritt aus dem Wasser ans Land unumkehrbar sein wird. Rusalka und MondGaitanou erzählt ein Märchen ohne Aktualisierung und moderne Umdeutung, aber sie erzählt es keineswegs naiv. Im zweiten Akt führt sie vor, wie Rusalka zu laufen versucht, aber über ein unbeholfenes Stolpern auf dem ihr fremden festen Boden nicht hinauskommt. Der Prinz zieht ihr Korsett und Kleid an, und man spürt die Enge, die ihr das verursacht. Die Festgesellschaft erscheint in schwarzen Kostümen wie eine Schar von Vampiren, von denen das eingeschüchterte fremde Wesen ausgelacht wird. Die Regie nimmt in diesem zweiten Akt über weite Strecken die Perspektive Rusalkas ein. Die tragischen Momente des Aufwachens in einer falschen Welt, in einer anderen sozialen oder kulturellen Umgebung mit deren ungeschriebenen Regeln, sprechen für sich und lassen vielfältige Assoziationen zu. Es bedarf keiner weiteren konkreten Verweise, um die ungebrochene Aktualität zu erahnen. In diesem unaufdringlichen, aber berührenden Zugang liegt die Stärke der Inszenierung. Im Schloss: Rusalka und Prinz Für Rusalkas Teich lässt Ausstatterin Cordelia Chisholm vom Bühnenhimmel eine Art Vorhang aus Fäden kreisförmig herabhängen, auf den unscharfe Videosequenzen (Dick Straker) - sind es Fischschwärme? - wirkungsvoll eine nicht greifbare Wasserwelt andeuten. Ein wenig erinnert die Ästhetik an die Sachlichkeit im Stil der 1970er-Jahre, besitzt aber nostalgischen Charme. Eine schlanke, kühn geschwungene Wendeltreppe, ohne Anfang und Ende, verbindet Unterwelt und Himmel und suggeriert gleichzeitig die Spirale, in der sich Rusalka und der Prinz unausweichlich auf die Katastrophe zubewegen. Das elegante schmiedeeiserne Gitter dieser Treppe wie auch das sanierungsbedürftige fürstliche Schloss verweisen auf die Entstehungszeit der Oper. Der Prinz, wahlweise in Anzug oder Frack, ist ein Mann des späten 20. Jahrhunderts. So bleibt die zeitliche Einordnung in der Schwebe, aber keineswegs in unbestimmter Märchenzeit. Der WassermannHier und da verliert sich die nicht zuletzt wegen der geschickten Beleuchtung (Simon Corder) schön anzusehende Inszenierung im Dekorativen, etwa in der recht unbeholfenen Choreographie der Nixen. Und während Prinz und Rusalka in ihrer aussichtslosen Liebe übertragbar auf unsere Gegenwart erscheinen (die fremde Fürstin als zerstörerisches Element sowieso), bleiben Wassermann und Hexe Zutaten aus der Märchenwelt, mit denen die Regie nicht allzu viel anzufangen weiß. Dvořáks träumerischer wie oft volkstümlich anmutender Musik kommt das Konzept mit seiner Ästhetik im Schwebezustand entgegen. Bei allem schönen Schein steuert die Inszenierung auf ein unbarmherzig grausames Ende zu. Im dritten Akt hat Rusalka ihre langen goldblonden (ein wenig zu sehr Barbie-haften) Haare verloren und tritt mit Glatze auf - eine Versehrte, die, in die Wasserwelt zurückgekehrt, ihren ursprünglichen Platz nicht mehr einnehmen kann, sondern im Schaukelstuhl auf das Ende wartet. Der Tod des reumütigen Prinzen durch Rusalkas Kuss wird nicht zum gemeinsamen Liebestod, und so ist er letztendlich sinnlos, wie der Wassermann es auch deutlich ausspricht. Das Märchen endet auf der Bühne in Trostlosigkeit. Das Ende: Rusalka, zurück in der Wasserwelt Corinne Winters ist mit ihrem präzisen Spiel die ideale Darstellerin für diese Rusalka. Stimmlich allerdings gestaltet sie die Partie ein wenig unausgewogen, beeindruckend schöne Phrasen stehen neben unscharf fokussierten (und das populäre Lied an den Mond verschleppt sie leider unnötig stark). Anton Rositskiy singt mit höhensicherem Tenor einen sehr ordentlichen Prinzen. Evgeny Stavinsky ist ein recht poltriger Wassermann, Nino Surguladze eine zupackende, etwas ungenau singende Jezibaba. Jana Kurucová gibt die fremde Fürstin mit etwas pauschaler dramatischer Attacke. Aufhorchen lässt der forsch auftrumpfende Küchenjunge von Hongni Wu. Der Chor singt zuverlässig und spielt engagiert. Am Pult des guten Orchesters der Lütticher Oper neigt Giampaolo Bisanti zu getragenen, oft breiten Tempi. Da dürfte das musikalische Pathos ruhig ein wenig reduziert werden.
Rodula Gaitanou gelingt eine träumerisch schöne, unaufdringliche Inszenierung, die den Kern der Oper trifft und viele Assoziationen zulässt. Musikalisch ordentlich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreographie
Licht
Video
Choreinstudierung
Solisten
Rusalka
Der Prinz
Der Wassermann
Die fremde Fürstin
Die Ježibaba
Der Heger
Der Küchenjunge
Erste Elfe
Zweite Elfe
Dritte Elfe
Der Jäger
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