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Don Quixote

Ballett in drei Akten in einer Choreographie von Carlos Acosta nach Marius Petipa
Bearbeitung und Orchestrierung von Martin Yates
Musik von Ludwig Minkus

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (zwei Pausen)

Live-Stream aus dem Royal Opera House in London am 7. November 2023 (UCI Bochum)


Royal Opera House
(Homepage)
Spitzentanz auf höchstem Niveau

Von Thomas Molke / Fotos: © Andrej Uspenski (Royal Opera House)

Die neue Saison der Live-Streams, mit denen das Royal Opera House seit 2008 Opern- und Ballettaufführungen in mehr als 1300 Kinos weltweit überträgt, hat wieder begonnen und startet im Bereich der Ballettsparte mit hohem Besuch. King Charles höchstpersönlich ist mit seiner Frau Camilla zu Gast im Royal Opera House, um gemeinsam mit Kinobesucher*innen in ganz Europa und zahlreichen geladenen Gästen einen Ballettklassiker zu genießen, der 2013 ins Repertoire aufgenommen wurde und eigentlich wie Schwanensee, Der Nussknacker, Dornröschen, Romeo und Julia und Giselle zu den großen klassischen Handlungsballetten zählt: Don Quixote. Dass das Werk seltener auf den Spielplänen zu erleben ist als die anderen genannten Stücke, mag zum einen daran liegen, dass der Komponist Ludwig Minkus heutzutage nicht mehr so präsent wie beispielsweise Tschaikowsky, Prokofijew oder auch Adam ist, obwohl die Choreographie nach Marius Petipa bei den namhaften russischen Compagnien immer noch zum Standard des klassischen Balletts gehört. Zum anderen enthält die Handlung weder etwas Märchenhaftes noch eine tragische Liebesgeschichte. Carlos Acosta, der in den 1990er Jahren selbst am Royal Ballet die Rolle des Basilio verkörpert hat, hat dem Direktor Kevin O'Hare 2013 vorgeschlagen, das Stück wieder ins Repertoire aufzunehmen, und eine Choreographie erarbeitet, die jetzt 10 Jahre später vor "königlichem Publikum" präsentiert wird.

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Kitri (Mayara Magri, Mitte) mit der Dorfgemeinschaft (Ensemble)

Erzählt wird in leichter Abwandlung die Quitéria-Geschichte aus dem 21. Kapitel des zweiten Buches von Miguel Cervantes über den "Ritter von der traurigen Gestalt". Don Quixote kommt hier mit seinem Knappen Sancho Pansa in ein spanisches Dorf, in dem der Wirt Lorenzo seine Tochter Kitri (bei Cervantes: Quitéria) mit dem vermögenden Gamache (bei Cervantes: Camacho) verheiraten möchte. Doch Kitri liebt den Barbier Basilio und flieht mit ihm in ein Zigeunerlager. Hierhin folgen ihnen Lorenzo, Gamache, Don Quixote und Sancho Pansa. Es kommt zum legendären Kampf Don Quixotes gegen die Windmühlen, wobei der Ritter schwer verwundet wird und sich in eine Phantasiewelt mit der Königin der Dryaden und ihrem Gefolge träumt. Kitri und Basilio gelangen anschließend in einen Gasthof, wo sie mit dem Torero Espada und der Straßentänzerin Mercedes ein rauschendes Fest feiern. Als Lorenzo und Gamache die beiden Liebenden dort finden, will Lorenzo seine Tochter mit Gamache zum Traualtar führen. Da ersticht sich Basilio vor aller Augen und erfleht sterbend Lorenzos Segen für sich und Kitri. Don Quixote bestärkt Lorenzo, sich diesem Wunsch nicht zu widersetzen. Nachdem Lorenzo seine Tochter für Basilio freigegeben hat, springt letzterer fröhlich auf, da sein Selbstmord nur vorgetäuscht war. Gamache muss sich eine andere Braut suchen, die unter den Gästen auch schnell gefunden wird. Don Quixote bricht mit Sancho Pansa zu weiteren Abenteuern auf.

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Don Quixote (Gary Avis, auf dem Pferd) und Sancho Pansa (Liam Boswell, rechts daneben) kommen ins Dorf (rechts und links: Ensemble).

Neben dem berühmten Kampf gegen die Windmühlen, der mehr als willkürlich und ein bisschen unpassend in das Originallibretto eingebaut worden ist, darf natürlich auch Dulcinea nicht fehlen. Acosta inszeniert sie im Prolog und auch später in einem langen weißen Kleid mit einem Schleier, der sie wie ein Traumwesen erscheinen lässt. Damit wird klar, dass Don Quixote einer Illusion hinterherläuft. Nadia Mullova-Barley begegnet als Dulcinea Gary Avis in der Titelpartie in seiner Schlafkammer, die Tim Hatley liebevoll im Stil der Zeit, in der die Geschichte spielt, eingerichtet hat. Auf Spitze schwebt sie scheinbar federleicht durch den Raum und zieht Quixotes Aufmerksamkeit auf sich. Als sie dann entschwindet, ist klar, dass er diesem geheimnisvollen Wesen folgen muss. Eine Obstschale aus Blech wird kurzerhand in einen Helm umfunktioniert, und ein Holzpfosten wird aus dem Bett herausgebrochen, der im weiteren Verlauf als Lanze fungiert. Mit großer Detail-Verliebtheit ist auch das Pferd gestaltet, auf dem Don Quixote anschließend in die Stadt reitet. In diesem Pferd steckt ein Mitarbeiter, der einerseits mit einem Hebel das Pferd auf Rollen scheinbar laufen lässt und als kleinen Gag auch noch die Ohren des Tieres bewegen kann.

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Don Quixote (Gary Avis) in seiner Traumwelt im zweiten Akt (Ensemble)

Für die drei Akte hat Tim Hatley neben wunderschönen Kostümen auch ein zauberhaftes Bühnenbild entworfen, das durch große Opulenz begeistert. Wenn Don Quixote im ersten Akt im spanischen Dorf ankommt, sieht man eine pittoreske Häuserlandschaft, die sich mit einem großen Tor in den Bühnenhintergrund öffnet, durch den Don Quixote auftaucht. Das Zigeunerlager im zweiten Akt ist recht düster und unheimlich gehalten. Die Windmühle ist zunächst nur in weiter Entfernung an einem rot schimmernden Bühnenprospekt zu erkennen. Dann wird sie bei der Auseinandersetzung im Lager plötzlich als große schwarze Windmühle auf die Bühne gefahren. Der Kampf findet zwischen Don Quixote und dunkel vermummten Gestalten statt, die den Ritter außer Gefecht setzen. Wenn er sich in eine Phantasie-Welt träumt, öffnet sich das Bühnenbild und gibt den Blick auf eine pittoreske Landschaft frei, die auch aus dem zweiten Akt von Schwanensee stammen könnte. Die Königin der Dryaden und ihr Gefolge treten zwar nicht direkt als Schwäne auf, erinnern in ihren weißen Tutus und dem perfekten Spitzentanz in ihren Bewegungen jedoch daran. Der dritte Akt führt dann zunächst in eine recht düster gehaltene Schenke, die sich dann im weiteren Verlauf der Handlung wieder in das Bild aus dem ersten Akt verwandelt.

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Basilio (Matthew Ball, Mitte) und die Dorfgemeinschaft (Ensemble)

In diesem wunderbar anzusehenden Ambiente bieten die Tänzerinnen und Tänzer Spitzentanz vom Feinsten, kraftvolle Sprünge und atemberaubende Pirouetten. Besonders anspruchsvoll sind die Partien der Kitri und des Basilio, die mit dem Tänzerpaar Mayari Magri und Matthew Ball großartig besetzt sind. Mayari Magri begeistert als Kitri mit perfektioniertem Spitzentanz und großartigen Pirouetten. In der Traumsequenz im zweiten Akt und bei der Hochzeit im dritten Akt tritt sie im weißen Tutu auf, während sie ansonsten in feurigem Rot mit verführerischen Bewegungen spanisches Flair verbreitet. Matthew Ball punktet als Basilio mit großer Eleganz und energiegeladenen Sprüngen und Drehungen, die das Publikum im Saal häufig zu Zwischenapplaus verführen. Neben dem charismatischen Liebhaber, den man ihm im Zusammenspiel mit Magri jederzeit abnimmt, zeigt er auch durchaus komisches Potenzial im dritten Akt, wenn er seinen Selbstmord vortäuscht. Calvin Richardson versprüht als Stierkämpfer Espada ebenfalls feuriges Temperament und setzt mit sauber angesetzten Sprüngen und rasanten Drehungen Akzente. Leticia Dias erweist sich als Straßentänzerin Mercedes als ebenbürtige Partnerin. Das Ensemble glänzt durch homogenen Spitzentanz auf den Punkt.

Die Partien des Don Quixote, seines Dieners Sancho Pansa, des Gastwirts Lorenzo und des geplanten Bräutigams Gamache sind tänzerisch pantomimisch gehalten. Avis und Thomas Whitehead überzeugen als Don Quixote und Lorenzo mit großartiger Komik. James Hay legt den Edelmann Gamache als leicht lächerliche Figur an, so dass es nicht verwundert, dass sich Kitri gegen ihn und für Basilio entscheidet. Das macht Magri durch kleine Handgreiflichkeiten mehr als deutlich. Die Figur des Sancho Pansa bleibt in der Erzählung relativ blass, was aber nicht am komischen Talent von Liam Boswell liegt, sondern eher an der erzählten Geschichte, die alles in allem ein bisschen dünn ist. Das Orchester des Royal Opera House macht allerdings unter der musikalischen Leitung von Valery Ovsyanikov deutlich, dass Minkus' Musiksprache durchaus mit Tschaikowsky und Adam mithalten kann. Mit den zwei Pausen, die wahrscheinlich dem Umbau geschuldet sind, wird der Abend relativ lang aber zu keiner Zeit langweilig, was dem Pausenprogramm zu verdanken ist, in dem die ehemalige Balletttänzerin Darcey Bussell, die selbst mit dem Choreographen Acosta als Ballerina auf der Bühne am Royal Opera House gestanden hat und mittlerweile als Coach für das Haus tätig ist, und Petroc Trelawney interessante Hintergrundinformationen präsentieren, den Choreographen interviewen und Einblicke in die Probenarbeit gewähren.

FAZIT

Diese Produktion hat auch nach über zehn Jahren nichts an ihrer Frische eingebüßt und zeigt, dass dieses Stück auf jeden Fall zum Standardrepertoire des klassischen Handlungsballetts zählen sollte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valery Ovsyanikov

Choreographie und Inszenierung
Carlos Acosta

Bühnenbild und Kostüme
Tim Hatley

Lichtdesign
Hugh Vanstone

 

Orchestra of the Royal Opera House

The Royal Ballet


Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

Don Quixote
Gary Avis

Sancho Pansa, sein Knappe
Liam Boswell

Lorenzo, der Wirt
Thomas Whitehead

Kitri,seine Tochter
Mayara Magri

Basilio, ein junger Barbier
*Matthew Ball /
Cesar Corrales

Gamache, ein reicher Edelmann
James Hay

Espada, ein berühmter Stierkämpfer
Calvin Richardson

Mercedes, eine Straßentänzerin
Leticia Dias

Dulcinea
Nadia Mullova-Barley

Kitris Freundinnen
Sae Maede
Sophie Allnatt

Zwei Matadore
David Donnelly
Joseph Sissens

Ein Zigeunerpaar
Hannah Grennell
Valentino Zucchetti

Die Königin der Dryaden
Annette Buvoli

Amor
Isabella Gasparini

Fandango Paar
Mica Bradbury
Lucas B. Brændsrød

Gitarristen
Forbes Henderson
Daniel Thomas
Nigel Woodhouse
Tom Ellis

 

 


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