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Ein Himmel voller Nazis
Von Stefan Schmöe / Fotos © Martina Pipprich Er sei "augenblicklich nicht in Mode", befand Franz Schreker in einem Brief aus dem Jahr Jahr 1927. Da war es noch fünf Jahre hin bis zur Uraufführung der "großen Zauberoper" Der Schmied von Gent, geboren aus dem Geist des Kasperletheaters, die ihn noch einmal zurückführen sollte auf die großen Bühnen des Landes. Als Komponist von Der ferne Klang (uraufgeführt 1912), Die Gezeichneten (1918) und Der Schatzgräber (1920) war Schreker als führender deutscher Opernkomponist und legitimer Erbe der Spätromantik, der die Psychologie seiner Zeit in die Bühnenwerke integrierte, gefeiert worden. Die Stimmung schlug Mitte der 1920er-Jahre um. Der scharfsinnige und einflussreiche zeitgenössische Kritiker Paul Bekker konstatierte, dass eben diese Haltung den Komponisten in den Augen der nächsten Generation "zum Repräsentanten der Vergangenheit machte". Dazu kamen massive antisemitische Anfeindungen (Schrekers Vater, 1876 zum Christentum konvertierter Hof-Fotograf, entstammte einer jüdischen Handwerkerfamilie), durch die der Komponisten noch vor der Machtergreifung der Nazis aus seinen Ämtern gedrängt wurde. Die Uraufführung des Schmieds im Oktober 1932 an der Städtischen Oper Berlin wurde von Randalierern mit antisemitischen Parolen gestört, das Werk nach fünf Aufführungen vom Spielplan genommen. Smee, der Schmied von Gent, hat nach einer Intrige genug vom Leben und will sich ertränken
Das Libretto hat Schreker wie bei seinen anderen Opern selbst verfasst, sich aber eines fremden Stoffes bedient, nämlich einer der "flämischen Legenden" von Charles de Koster (1827 - 1879). Die Handlung ist im spanisch-niederländischen Krieg zur Zeit der Besetzung Gents durch spanische Truppen angesiedelt. Der bauernschlaue Schmied Smee wird durch die Intrige seines (den Spaniern verbundenen) Rivalen Slimbroek ruiniert und geht einen Pakt mit gleich mehreren Teufeln ein - denn davon gibt es drei: Den Henker Jakob Hessels, den spanische Stadthalter "Blutherzog" Alba und die verführerische Astarte. Sieben Jahre unerhörten Wohlstand bringt ihm der Vertrag ein, bevor er seine Seele abtreten muss. Letztendlich gelingt es ihm aber, die ziemlich tumben Teufel zu überlisten (es gibt, die Puppentheaterbühne lässt grüßen, ordentlich Prügel für die männlichen Teufel) und aufgrund seiner Wohltaten doch mit allerlei Pomp in den Himmel einzuziehen. Durch einen unverhofften Teufelspakt sind Smee und seine Gattin zu erheblichem Wohlstand gekommen
In seiner holzschnittartigen Dramaturgie, die Szene an Szene reiht und darüber die Steigerung auf dramatische Höhepunkte hin aus den Augen verliert, wirkt das Werk auch aus heutiger Sicht einigermaßen bemüht. Mit der Komik auf der Opernbühne ist es eben eine schwierige Sache, insbesondere wenn die Komik auch noch volkstümlich sein möchte. Am ehesten findet man den Humor in der Komposition. Der trockene Witz, mit dem das zuverlässige Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von Kapellmeister Henning Ehlert die Musik kammermusikalisch transparent interpretiert, lässt zwischendurch immer wieder an Paul Hindemith denken. Es gibt viele amüsante Soli, etwa vom Fagott. Schrekers schillernde Farbpalette bleibt allerdings ein wenig stumpf an diesem Abend. Am Ende der vertraglich garantierten sieben glücklichen Jahre muss Smee mit List die teuflische Astarte an der Einlösung des unangenehmen Vertragsteils hindern
Regisseurin Magdalena Fuchsberger sieht in dem gewitzten Schmied nicht den Opponenten gegen das spanische Terrorsystem, sondern den um sein eigenes Wohl bedachten Opportunisten - das bringt sie ganz hübsch auf die Bühne, indem Smee und seine Frau im zweiten Aufzug mit aufgeblasenen Kostümen fettleibig wie riesige Bälle über die Bühne wanken (und ihnen schließlich die Luft abgelassen wird). Bis dahin schleppt sich die Inszenierung ziemlich unentschlossen wankend zwischen ein bisschen Märchenwelt und einem Hauch Abstraktion dahin. Und ein wenig Lokalkolorit: Der Friedenssaal aus dem Münsteraner Rathaus, Ort des Friedensschlusses zwischen Niederländern und Spaniern 1648, wird im Bühnebild (Monika Biegler) zaghaft angedeutet. Genrehafte Volkstümlichkeit wird ebenso bedient wie ein Zeitbezug zu den 1920er-Jahren, aber Fuchsberger bleibt auf allzu unbestimmtem Schlingerkurs - nicht wirklich lustig (dazu ist alles zu niedlich gezeichnet), nicht wirklich kritisch. Alik Abdukayumov (als Gast in Münster) ist ein eindrucksvoller Hauptdarsteller, der mit nicht riesiger, aber souverän geführter Stimme dem immer jovialen, auch im Unglück frohsinnigen Smee szenisch wie musikalisch Format verleiht. Wioletta Hebrowska steht ihm mit handfestem Sopran als Ehefrau treu zur Seite, Robyn Allegra Parton singt eine funkelnd verführerische Teuflin als überzeugenden erotischen Gegenpol. Dazu kommen Garrie Davislim als spielfreudiger und souverän singender Gegenspieler Slimbroek und Gregor Dalal als stimmlich solider heiliger Petrus, der die Aufnahme Smees in den Himmel verhandelt. Das insgesamt gute Ensemble der Oper Münster (zu dem auch Chor und Kinderchor beitragen) sorgt für eine musikalisch sehr achtbare Umsetzung. Wenn man genau hinschaut, erkennt man ganz rechts (am linken Arm) eine Hakenkreuzbinde - Smee lässt sich, nicht wirklich nachvollziehbar, mit den Nazis ein. So hat der Komponist das vermutlich nicht gewollt.
Bauchschmerzen bereitet allerdings der Schwenk, den die Regie im dritten Akt nimmt. Das Misstrauen gegenüber der Hauptfigur und der Wille zur Dekonstruktion führt die Regisseurin dahin, das glückliche Ende und gleich den ganzen Himmel gewaltig infrage zu stellen. Da wird der Schmied, der sich zuvor mit Widersacher Slimbroek (inzwischen mit dezent angedeuteter Hakenkreuz-Armbinde) versöhnt hat, von allerlei Braunhemden und einer feinen Nazi-Gesellschaft erwartet. Hätte Fuchsberger die Szene als grellen Schock-Effekt angelegt, hätte sie vielleicht als verstörende zynische Schlusspointe getaugt. Aber auch hier dominiert zaghafte Unentschlossenheit, und man reibt sich verwundert die Augen: Kollaboriert der im Text als überaus wohltätig dargestellte Schmied, dem man doch die Sympathien Schrekers unterstellen darf, mit dem Faschismus? Der von Fuchsberger angeprangerte Opportunismus ist doch eher der eines Schwejk oder auch eines gewitzten Till Eulenspiegels (der die Tyrannen an der Nase herumführt), auch ein wenig Robin Hood spielt durch die Geste des Unterstützers der Armen hinein. Bei Magdalena Fuchsberger aber wird die Oper durch die Verbrüderung mit den Faschisten in einen gefährlichen Kontext des Mitläufer- und Sympathisantentums gestellt. Unter dem Blickwinkel der Biographie des Komponisten kommt der sicher ironisch gemeinte, in der Bühnenwirklichkeit erschreckend verharmlosende Himmel voller Nazis unfreiwillig einer weiteren Demütigung des Komponisten gleich. Diese Sichtweise auf den Schmied von Gent hat Schreker (und auch das Werk) sicher nicht verdient.
Mit Nazis ist nicht zu spaßen: Die musikalisch sehr ordentliche Interpretation des selten gespielten Werkes wird überschattet durch eine reichlich misslungene Inszenierung, die sich an ihren Thesen verhebt und die Oper in einen gefährlichen Kontext stellt, den sie nicht bewältigt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Video
Lichtdesign
Chor
Dramaturgie
Mitarbeit Dramaturgie
Solisten
Smee
Seine Frau
Flipke
Slimbroek
1. Adeliger
2. Adeliger
3. Adeliger
Knappe
Astarte
Der Henker Jakob Hessels
Ein Bürgersmann (Josef)
Seine Frau (Maria)
Der heilige Petrus
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- Fine -