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Zoroastre

Tragédie lyrique in fünf Akten
Libretto von Louis de Cahusac
Musik von Jean-Philippe Rameau

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Münster am 23. März 2024

 



Theater Münster
(Homepage)

Und am Ende tanzt der Elefant

Von Thomas Molke / Fotos: © Martina Pipprich

Jean-Philippe Rameau zählt zu den bedeutendsten französischen Komponisten der Aufklärung, der einen großen Beitrag zur Entwicklung der Bühnenwerke weg von der höfischen Tragédie lyrique eines Jean-Baptiste Lully hin zu einer neuen Gewichtung des Tanzes geleistet hat, der nicht mehr nur die Funktion eines Divertissements übernimmt, sondern direkt in die Handlung eingreift. Dabei beschäftigte er sich erst relativ spät mit der Gattung Oper und löste mit seiner ersten Oper Hippolyte et Aricie im Jahr 1733 große Empörung bei den Traditionalisten aus, die am genuin französischen Stil eines Lully festhielten und die Einführung italienischer Elemente wie bei Marc-Antoine Charpentier oder André Campra ablehnten. Doch sein Ruf als "gefährlicher Neuerer" währte nicht lange, und so musste er sich schon bald dem Vorwurf stellen, nicht modern genug zu sein. Außerhalb Frankreichs konnte er mit seinen Opern keine Erfolge feiern, und auch in Frankreich gerieten seine Werke nach seinem Tod schnell in Vergessenheit. Erst im späten 20. Jahrhundert begann man in Europa, seine Opern wiederzuentdecken. Das Theater Münster hat nun seine letzte Tragédie lyrique Zoroastre auf den Spielplan gestellt, die am 5. Dezember 1749 im Palais Royal der Pariser Oper uraufgeführt wurde und dort am 20. Januar 1756 in einer überarbeiteten Zweitfassung herauskam. Für die zweite Fassung, für die man sich auch in Münster entschieden hat, hat Rameau nicht nur im Orchester die Klarinetten und Trompeten gestrichen, sondern auch das Libretto für den zweiten, dritten und fünften Akt fast komplett erneuert.

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Zoroastre (David Tricou, Mitte) wird als Retter gefeiert (dahinter: die Tänzerinnen und Tänzer).

Die Figur des Zoroastre ist im deutschsprachigen Raum vor allem unter dem Namen Zarathustra bekannt. Der iranische Priester und Philosoph, der im 2. oder 1. Jahrtausend vor Christus lehrte, gilt als Religionsstifter einer bis ins 1. Jahrtausend weit verbreiteten Weltreligion, der Gottesbilder fremd sind. Im Zentrum steht ein Schöpfergott, der in der Oper unter dem Namen Oromazès als König der guten Geister auftritt und der im ständigen Kampf mit seinem Widersacher Ariman steht, der bei Rameau als Stimme aus der Unterwelt erscheint. Rameau behandelt in seiner Oper aber weniger die Gründung einer Weltreligion als vielmehr den Kampf um die Krone des antiken Königreichs von Baktrien, einem Gebiet im Norden des heutigen Afghanistans. Nachdem der König gestorben ist, strebt Abramane, der Hohepriester des Ariman, nach der Macht und will die Thronanwärterin Amélite erobern. Diese interessiert sich jedoch mehr für den Magier Zoroastre, den Abramane aus dem Reich verbannt hat. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Érinice beschließt Abramane, Amélite zu vertreiben und die Herrschaft zu übernehmen. Doch Zoroastre kehrt zurück und kann Abramane und Érinice stoppen. Daraufhin mobilisiert Abramane die Geister der Unterwelt und setzt die Stadt, die gerade eine Massenhochzeit feiert, in Brand. Zoroastre bringt Amélite in Sicherheit und nimmt gemeinsam mit den guten Geistern den Kampf gegen Abramane und sein Gefolge auf. So gelingt es ihm schließlich, Abramane und die ihn umgebenden Dämonen in die Unterwelt zu verbannen und gemeinsam mit Amélite das Volk in eine friedliche und glückliche Zukunft zu führen.

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Zoroastre (David Tricou, Mitte) und Amélite (Robyn Allegra Parton, Mitte) im Kampf gegen Abramane (Johan Hyunbong Choi, links) und Érinice (Wioletta Hebrowska, rechts)

Die Faszination der Oper bei der Uraufführung dürfte wohl vor allem auf ein unglaubliches Bühnenspektakel zurückzuführen zu sein, bei dem mit Explosionen, Feuer in der Unterwelt und fliegenden Wolken alles aufgeboten wurde, was die damalige Theatermaschinerie an Effekten zu bieten hatte. Auch das Regie-Team um Georg Schütky interessiert sich mehr für das Spektakel als für einen territorialen Konflikt. Ralf Käselau hat dafür einen Bühnenraum entworfen, der an eine Arena oder einen Zirkus erinnert und in die ersten Reihen des Zuschauerraums hineinragt. Der Orchestergraben ist überbaut, und die Musikerinnen und Musiker sind auf der linken Bühnenseite im Hintergrund positioniert, was die Sängerinnen und Sänger noch näher an das Publikum heranbringt. Auf der rechten Bühnenseite kündigt ein riesiges Plakat einen Wrestling-Kampf an, der mit dem Geschehen auf der Bühne nichts zu tun hat. Wieso hier Jean-Philippe Rameau als Champion gegen Abdullah the Butcher als Herausforderer antritt, erschließt sich nicht. Soll damit ein Kampf zwischen Kultur und Sport angedeutet werden? Schließlich geht es in der Inszenierung darum, die Bühnenwelt für sich zu erobern. Hinter dem Orchester auf der rechten Bühnenseite deutet eine aufgemalte Landschaft eine Wüstenregion an. In der Mitte sieht man auf einem Vorhang ein riesiges Drachenmaul, durch das einige Figuren ihre Auftritte inszenieren. Weitere Elemente auf der Bühne betonen ebenfalls die Zirkus- bzw. Arena-Atmosphäre.

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La Vengeance (Gregor Dalal, Mitte stehend) und die Mächte der Unterwelt (Chor)

Wenn das Publikum vor Beginn der Vorstellung den Saal betritt, wird auf der Bühne Geburtstag gefeiert. Eine "Patriarchin", die in der Oper eigentlich nicht vorkommt, nimmt von den übrigen Figuren des Stückes Geschenke entgegen und lässt sich durch Akrobatik-Einlagen der Tänzerinnen und Tänzer erfreuen. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer werden miteinbezogen, wenn sie aufgefordert werden, in ein Geburtstagsständchen einzustimmen, oder Becher mit Sekt gereicht bekommen. Dann erhebt sich die Patriarchin und hält eine kurze Rede "ans Volk". Plötzlich öffnet sich mit einem lauten Knall eine Luke im Bühnenboden. Die Patriarchin legt ihre Krone ab und verschwindet. So entsteht ein Machtvakuum auf der Bühne, das die übrigen Figuren nun für sich beanspruchen. Wieso Abramane in einem schwarzen Kleid auftritt, dass Assoziationen an Bizets Carmen weckt, bleibt genauso unklar wie die Tatsache, dass er Amélite einen Stofflöwen als Geschenk überreichen will, den diese brüsk zurückweist. Amélite und ihre Vertraute Céphie verkörpern in ihren ausladenden farbigen Petticoats mit den langen blonden Haaren eine ganz andere Zeit, die nicht zu Abramane und seinem eher höfisch angelegten Gefolge passt. Érinice tritt zunächst mit Schnurrbart und schwarzen Hosen auf, was vielleicht andeuten soll, dass hier mit den Geschlechtern gespielt wird. In diesem Ambiente taucht nun Zoroastre als "Reisender" mit weißem Anzug auf, der sich von Oromazès wie von einem Diener den Koffer schieben lässt. Der Chor erscheint durch den Saal und fungiert als Publikum, um dessen Aufmerksamkeit im weiteren Verlauf auf der Bühne gekämpft wird.

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Érinice (Wioletta Hebrowska) hat den Kampf verloren (im Hintergrund: die Kreatur (Isa Almuth Schmidbauer)).

Die vier Tänzerinnen und Tänzer, die das Geschehen als Akrobaten begleiten oder bei der Massenhochzeit in die Rolle der Bräute schlüpfen, erhalten im Programmheft individuelle Namen, die sich nicht erschließen. Nach der Pause beeindrucken sie am Trampolin, das dafür extra auf die Bühne gebracht wird, bevor es mit der Oper weitergeht. Wieso Abramane und sein Gefolge nun die Kleidung gewechselt haben und das Gefolge in Frauenkleidern auftritt, erschließt sich nicht. Für Verwirrung sorgt auch der Schluss des Abends. Im finalen Kampf brechen nämlich fast alle auf der Bühne leblos zusammen. Der Sieg Amélites und Zoroastres äußert sich darin, dass sie das ganze Geld einsammeln, das auf der Bühne liegt und das der Chor für das Spektakel gezahlt hat. Amélites Vertraute Céphie, die zwischenzeitlich auch eine Rolle der Furien übernommen hat, trinkt aus einem Glasgefäß eine bläuliche Flüssigkeit, die wohl Gift darstellen soll, und auch Oromazès haucht sein Leben aus. Érinice besingt in einer Arie ganz am Ende ein schreckliches Monster, das dann in Gestalt eines Elefanten auf die Bühne kommt, der im Programmheft "die Kreatur" genannt wird. Auch vorher ist dieser Elefant zwischendurch immer wieder aufgetreten, ohne dass man den Sinn verstanden hat. Am Ende tanzt er allein auf der Bühne zu den letzten Takten der Musik. Hat sich die Tierwelt die Bühne bzw. Welt zurückerobert?

Auch wenn viel auf der Bühne passiert, hat der Abend einige Längen. Daran kann auch das ambitionierte Spiel des Sinfonieorchesters Münster unter der Leitung von Bernhard Forck nichts ändern. Zwar arbeitet Forck mit dem Orchester die Feinheiten der Partitur mit viel Fingerspitzengefühl heraus, aber insgesamt bietet Rameaus Musik zu wenig Abwechslung und lässt die Dramatik, die in der Handlung ja durchaus vorhanden ist, stellenweise vermissen. Die Solistinnen und Solisten setzen das Regie-Konzept von Schütky mit großer Spielfreude um und überzeugen auch stimmlich auf ganzer Linie. Da ist zunächst David Tricou zu nennen, der die anspruchsvolle Titelpartie mit hellem, sauber geführtem Tenor meistert, dabei in der Pause sogar noch auf das Trampolin steigt. Robyn Allegra Parton gestaltet die Partie der Amélite mit strahlenden Höhen und wunderbar runden Bögen. Wioletta Hebrowska legt die Partie ihrer jüngeren Schwester Érinice mit sattem Mezzosopran an und besitzt auch in den Höhen eine dramatische Kraft. Glaubhaft spielt sie den Wechsel der Figur zwischen Gut und Böse aus. Johan Hyunbong Choi punktet als Abramane mit dunklem Bass, der in starkem Kontrast zu seinem komödiantischem Spiel steht. In seinem "Carmen"-Kostüm im ersten Teil präsentiert er die eine oder andere Slapstick-Einlage, die durchaus schmunzeln lässt. Maria Christina Tsiakourma punktet als Amélites Vertraute Céphie, die optisch fast wie Amélites Zwillingsschwester wirkt, mit jugendlich frischem Sopran. Gregor Dalal und Oscar Marin-Reyes legen die Partien von Abramanes Gefolge Zopire und Narbanor mit viel Komik an und punkten ebenfalls durch dunklen Bass. Gleiches gilt für Kihoon Yoo als Oromazès, auch wenn er darstellerisch eher als Handlanger Zoroastres in Szene gesetzt wird. Der von Anton Tremmel einstudierte Chor überzeugt durch große Spielfreude und gibt den einzelnen Chorherren und Chordamen die Möglichkeit, durch individuelle darstellerische Einlagen zu glänzen. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen Applaus, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Ramaus letzte Oper weist einige Längen auf, die das Regie-Team um Georg Schütky durch viel Aktion auf der Bühne zu umgehen versucht. Das gelingt nicht immer, und manche Einfälle erschließen sich nicht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Forck

Regie
Georg Schütky

Bühne
Ralf Käselau

Kostüme
Katharina Gault

Choreographie
Josep Caballero Garcia

Lichtdesign
Irene Selka

Choreinstudierung
Anton Tremmel

Dramaturgie
Giulia Fornasier

 

Sinfonieorchester Münster

Opernchor und Extrachor
des Theater Münster

 

Solistinnen und Solisten

Zoroastre
David Tricou

Amélite
Robyn Allegra Parton

Érinice
Wiolett Hebrowska

Abramane
Johan Hyunbong Choi

Céphie
Maria Christina Tsiakourma

Zopire
Gregor Dalal

Narbanor
Oscar Marin-Reyes

Oromazès
Kihoon Yoo

La Vengeance
Gregor Dalal

Eine Stimme aus der Unterwelt
Ramon Karolan

Drei Furien
Maria Christina Tsiakourma /
Benjamin Park /
Ki-Hwan Nam

Tänzerinnen und Tänzer
Die Kreatur
Isa Almuth Schmidbauer

Aria
Antonia Aae

Sadboy-99
Luca Völkel

Fiamma
Benedetta D'Onofrio

Zhuma
Camila Scholtbach

 


Weitere
Informationen

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Theater Münster
(Homepage)



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