Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Märchenhafter Traum Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann
Richard Rodgers gehört neben Cole Porter, George Gershwin und Leonard Bernstein
zu den erfolgreichen Pionieren des US-amerikanischen Musicals. Von seiner
Zusammenarbeit mit dem Textdichter Oscar Hammerstein II. sind vor allem Werke
wie Oklahoma!, The King and I und The Sound of Music nicht
zuletzt durch die legendäre Verfilmung mit Julie Andrews in Erinnerung
geblieben. Bereits zwei Jahre vor ihrem letzten großen Erfolg 1959 mit The
Sound of Music schufen Rodgers und Hammerstein II. ein Musical nicht für den
Broadway sondern für das relativ neue Medium Fernsehen, das ein Hit für die
ganze Familie wurde und eine viel größere Reichweite hatte, als man es in einem
Theater erlangt hätte: Cinderella. Für die Titelrolle verpflichtete man
die junge Julie Andrews. Aufgrund des großen Erfolgs folgten dem Film-Musical
zahlreiche Adaptionen, die in den folgenden Jahren unter anderem am Broadway
herauskamen. 2013 setzte sich Douglas Carter Beane mit diesem Werk erneut
auseinander, schrieb neue Dialoge, bearbeitete die Handlung stellte einige
Nummern um und fügte Songs aus Rodgers' anderen Werken ein. Diese neue Version
ist nun in einer deutschen Fassung von Jens Luckwaldt im Opernhaus zu erleben
und bietet eine hervorragende Einstimmung auf das nahende Weihnachtsfest.
Der Schuh passt: Ella (Susann Ketley, Mitte) und
Prinz Christopher (Jonas Hein, Mitte), 2. von links: Madame (Stefanie Smailes),
3. von links: Charlotte (Edith Grossman), rechts: Gabrielle (Gioia Heid) und
Jean-Michel (Dustin Smailes), oben: Graf Dingelstein (Jason Lee) und Chor.
Cinderella heißt in dieser Fassung eigentlich nur Ella. Da "cinder" im
Englischen Asche bedeutet, wird sie nur von ihrer bösen Stiefmutter, die sie
Madame nennen muss, und den Stiefschwestern zur Demütigung Cinderella genannt.
Christopher, genannt Chris, ist ein leicht verunsicherter Prinz, der von seinem
Berater Sebastian manipuliert wird, der als eigentlicher Strippenzieher im Reich
fungiert. Doch ein junger Rebell namens Jean-Michel, der von Beane in die
Geschichte neu eingefügt worden ist, öffnet Chris gemeinsam mit Ella die Augen
und lässt ihn zu einem gerechten Herrscher im Königreich werden. Auch die
Stiefschwestern werden in dieser neuen Fassung individueller gezeichnet.
Gabrielle, Madames Lieblingstochter, die Madame gerne mit dem Prinzen Chris
verkuppeln möchte, erkennt im Verlauf des Stückes, wie schlecht ihre Mutter Ella
behandelt, und verbündet sich mit ihr. Hinzu kommt, dass sie sich in Jean-Michel
verliebt hat und gar nicht an dem Prinzen interessiert ist. Deswegen gibt sie
Ella sogar ihr Kleid um an ihrer Stelle zum königlichen Festmahl zu gehen. Neben
dem Ball, den der Prinz auf der Suche nach einer zukünftigen Braut veranstaltet,
gibt es eine zweite Feier, zu der der Prinz einlädt, um die geheimnisvolle
Schöne wiederzusehen, die ihm beim ersten Mal entwischt ist. Erst hier verliert
Ella ihren gläsernen Schuh, der dann kurz darauf zur Identifizierung dient und
das glückliche Ende einleitet.
Ella (Susann Ketley, links) wird von Gabrielle (Gioia
Heid, Mitte) und Charlotte (Edith Grossman, rechts) geärgert.
Das Regie-Team um Christian Thausing gibt der modernisierten Märchenhandlung
einen realen Rahmen und beginnt in einem Kinderzimmer in Wuppertal. Hier sitzt
Ella verträumt an ihrem Schreibtisch und malt ein Bild, das ihr ihre
Stiefschwestern, die hier noch in modernen Kostümen gekleidet sind, wegnehmen
und zerreißen. Niedergeschlagen begibt sich Ella in ihr Bett und träumt sich in
eine andere, märchenhafte Welt. Durch beeindruckende Lichtspiele verwandelt sich
der Raum. Aus den Schränken treten das königliche Gefolge, der Prinz, sein
Berater Sebastian und Graf Dingelstein in märchenhaften Kostümen auf und
verwandeln das Zimmer in eine belebte Straße. Ein Lehnsessel erhebt sich
plötzlich und greift als Monster den Prinzen an, wird von ihm allerdings
besiegt. In diesem Ambiente trifft Chris das erste Mal auf Ella, die ihm schon
bei der ersten Begegnung gefällt, bei der sie ihm lediglich einen Becher Wasser
reicht. Als nächstes tritt Jean-Michel durch eine Bücherregalwand auf. Von hier
bringt er auch direkt das Buch mit, das er Gabrielle schenken möchte. Madame,
die mit ihren schwarz-weißen Haaren ein wenig an Cruella de Vil aus Disneys
101 Dalmatiner erinnert, ist davon natürlich nicht begeistert, und wirft ihn
aus dem Haus. Auch die Stiefschwestern werden in den üppigen Kostümen von Devi
Saha herrlich überzeichnet.
Der Prinz (Jonas Hein, rechts) ist auf der Suche
nach einer Frau (Mitte: Sebastian (Mark Bowman-Hester), links: Graf Dingelstein
(Jason Lee)).
Großartig gelingen die Verwandlungen für den Maskenball beim Prinzen. Die gute
Fee, die hier Marie heißt, tritt zunächst in weiten roten Lumpen auf, die sie in
schnellen Drehungen in einem Lichtspiel abwirft. Darunter kommt ein traumhaftes
Kleid zum Vorschein, wie es für eine Fee im Märchen angebracht ist. Noch
eindrucksvoller vollzieht sich der Kostümwechsel bei Ella. Sie trägt zunächst
eine blaue Jeans und darüber einen weiten hellen Strickpulli, der bis zu den
Knien reicht. Nachdem sich ihre beiden Kuscheltiere in einen lebenden Affen und
einen Hund verwandelt haben, die beide vom Tanz-Ensemble dargestellt werden,
löst sich in beeindruckendem Lichtspiel bei schnellen Drehungen der Darstellerin
der weite Strickpulli. Darunter fällt ein langes Kleid herab, und so hat sich
Ella blitzschnell in eine Art Prinzessin verwandelt. Als Kutsche fungiert ein
riesiger Ballon, der aus dem Schnürboden herabgelassen wird und als Miniatur am
Fenster hängt, um anzudeuten, dass dies alles nur ein Traum ist. In diesem
Ballon fliegt Ella zum Ball.
Ella (Susann Ketley) und Chris (Jonas Hein)
tanzen auf dem Ball.
Auf dem Ball wird die feine Hofgesellschaft durch ein sehr rücksichtsloses Spiel
karikiert, das sich "Ridicule" nennt. Dabei ist es das Ziel, eine andere Person
mit möglichst verletzenden Bemerkungen lächerlich zu machen. Charlotte erweist
sich darin als wahre Meisterin. Doch Ella dreht den Spieß um, als sie bei diesem
Spiel gegen ihre Stiefmutter antreten muss. Sie ist einfach nur freundlich und
bringt damit die ganze Gesellschaft ins Wanken. Auf einmal findet ein Großteil
der Gäste viel mehr Spaß daran, Nettigkeiten auszutauschen. Madame, Sebastian
und Charlotte sind entsetzt darüber. Chris ist fasziniert von der schönen
Unbekannten und möchte sie näher kennenlernen. Doch die Mitternacht macht es
erforderlich, dass Ella verschwindet. Zu Beginn des zweiten Aktes machen sich
alle auf die Suche nach der geheimnisvollen Schönen, die mittlerweile wieder in
ihr Zimmer zurückgekehrt ist. Die Tiere verwandeln sich wieder in Stofftiere,
und Ella tritt wieder in ihrem ursprünglichen Kostüm auf.
Auch im zweiten Teil wird Ellas Verwandlung in eine schöne Prinzessin
beeindruckend umgesetzt. Nachdem Gabrielle ihr ihr Kleid zur Verfügung gestellt
hat, um sich selbst heimlich mit Jean-Michel zu treffen, zerreißt Madame das
Kleid, so dass Ella eigentlich nur noch einen Fetzen trägt. Der Schimpanse und
der Hund schaffen es aber, blitzschnell einzelne Stoffteile so an diesen Fetzen
zu setzen, dass Ella erneut in einem wunderschönen Kleid erstrahlt. So gelingt
es ihr, erneut beim Prinzen vorzusprechen und ihm Jean-Michel und das einfache
Volk vorzustellen. Den gläsernen Schuh verliert sie dann nicht direkt bei ihrer
zweiten Flucht, sondern wirft ihn dem Prinzen zu, so dass er sich auf die Suche
machen kann. Die Auflösung erfolgt dann relativ schnell, wobei beim glücklichen
Ende alle allmählich die Bühne verlassen und Ella allein in ihrem Zimmer
zurückbleibt. So war doch alles nur ein wunderschöner, märchenhafter Traum.
Madame (Stefanie Smailes, vorne) und Charlotte
(Edith Grossman, dahinter)
Das Ensemble überzeugt auf ganzer Linie. Da ist zunächst Susann Ketley in der
Titelpartie zu nennen. Ketley verleiht der gepeinigten Ella mädchenhaften Charme
und zeigt, dass sie allein durch ihre Güte alles zum Guten verändern kann.
Stimmlich überzeugt sie mit frischem, jugendlichem Sopran. Jonas Hein macht als
Prinz Chris eine enorme Entwicklung durch. Vertraut er anfangs noch relativ naiv
auf seinen Berater Sebastian, wird ihm nicht zuletzt durch Ella und Jean-Michel
klar, dass Sebastian nur die eigenen Interessen verfolgt und sich nicht um das
Wohlergehen des Volkes kümmert. Mark Bowman-Hester gibt den Sebastian herrlich
durchtrieben. Großartig ist auch Stefanie Smailes als selbstgefällige,
egoistische Madame, die ihre Stieftochter Ella schlecht behandelt und auch nicht
davor zurückschreckt, ihre Lieblingstochter Gabrielle aus dem Haus zu werfen,
als diese sie hintergeht und sich heimlich mit Jean-Michel trifft. Dass sie
hinterher bei Ella um Gnade bittet, nimmt man ihr nicht wirklich ab. Gioia Heid
setzt als Gabrielle den Wandel von der arroganten Stiefschwester zur Kämpferin
für das Wohl der Armen glaubhaft um. Edith Grossman versprüht als Charlotte eine
gehörige Portion Selbstironie in ihrer Bosheit und punktet bei einer eigenen
Nummer im zweiten Akt mit dem Damenchor mit souliger Stimme. Dustin Smailes gibt
den Rebellen Jean-Michel sehr kämpferisch und zeigt sich herrlich linkisch, als
Gabrielle plötzlich sein Werben erhört. Der von Ulrich Zippelius einstudierte
Opernchor begeistert genauso wie der Jugendclub der Wuppertaler Bühnen und das
Tanzensemble durch große Spielfreude. Johannes Witt führt das Sinfonieorchester
Wuppertal mit leichter Hand durch die Partitur und entlässt das Publikum
musikalisch mit einem wohligen Gefühl, das zur bevorstehenden Weihnachtszeit
passt.
FAZIT
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme
Choreographie Lichtdesign
Choreinstudierung Einstudierung
Jugendchor Dramaturgie
Sinfonieorchester Wuppertal Opernchor der Wuppertaler Bühnen Jugendclub der Wuppertaler Bühnen Solistinnen und Solisten*Premierenbesetzung Ella Christopher
Madame
Sebastian Marie (Gute Fee)
Gabrielle
Charlotte
Jean-Michel Graf Dingelstein
Tänzer*innen
|
- Fine -