Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Großer Spaß
mit Shakespeares Ritter Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann
Bevor Otto Nicolai seine auch heute noch bekannten lustigen Weiber von
Windsor komponierte, haderte er lange Zeit mit der deutschen Oper. Nach
seiner Zeit in Italien war er zu der Einstellung gelangt, dass die deutsche
Opernmusik zwar genug Philosophie, dafür aber zu wenig Musik enthalte und der
Erfolg der italienischen Oper darin begründet sei, dass es sich bei ihr genau
andersherum verhalte. Also wollte er zeit seines Lebens diese beiden Aspekte
zusammenbringen, um auch die deutsche Oper über die Grenzen des Landes hinaus
populär zu machen. In Wien, wo er nach seinem großen Erfolg mit Il templario
an der Hofoper eine Stelle als Erster Kapellmeister annahm und 1842 mit
dem Orchester des Kärntnertortheaters die Wiener Philharmoniker gründete, suchte
er dann nach einem geeigneten Stoff, fand aber zunächst kein Libretto, das ihm
zusagte. Als er sich dann schließlich auf Vorschlag seines Freundes Siegfried Kapper für Shakespeares lustige Weiber von Windsor entschied und nach
langem Suchen mit Salomon Hermann Mosenthal einen Librettisten gefunden hatte,
der zumindest die musikalischen Passagen mit einem von ihm akzeptierten Text zu
unterlegen verstand - die gesprochenen Dialoge verfasste Nicolai selbst -, wies
der damalige Intendant das Werk zurück, da es ein Jahr zu spät abgegeben worden
sei. Nicolai legte daraufhin sein Amt in Wien nieder und ging nach Berlin, wo
die Oper am 9. März 1849 im Königlichen Opernhaus Berlin ihre Uraufführung
erlebte, allerdings wegen des mangelnden Erfolges bereits nach vier
Vorstellungen wieder abgesetzt wurde. Zwei Monate später starb Nicolai an den
Folgen eines Schlaganfalls, so dass er nicht mehr miterleben konnte, dass sich
die Oper in den folgenden Jahren doch noch einen Platz im Repertoire erobern konnte.
Die "lustigen Weiber" Frau Fluth (Margaux de
Valensart, rechts) und Frau Reich (Edith Grossman, links) wollen dem Ritter
Falstaff einen Streich spielen.
Im Vergleich zu Verdis späterer Vertonung Falstaff, die heute noch
größere Bekanntheit als Nicolais Fassung genießt, weisen Die lustigen Weiber
von Windsor nur kleine inhaltliche Unterschiede zu Verdis Spätwerk auf. Zum
einen verwendet Nicolai für die lustigen Weiber andere Namen als Verdi und
Shakespeare, was wohl dem deutschen Sprachwitz dienen soll. Mrs. Ford heißt hier
Fluth, was eine gewisse Komik entfaltet, wenn ihr Mann sich in Verkleidung unter
dem Namen Bach zum Ritter begibt. Mrs. Page trägt den Namen Reich, was den Wohlstand
andeutet, in dem die Familie lebt und der begründet, dass
der mittellose Fenton im Vergleich zum Junker Spärlich und dem Franzosen Dr.
Cajus für Annas Eltern keine akzeptable Wahl ist. Zum anderen verzichtet Nicolai
auf die im Original nicht unwichtige Partie der Mrs. Quickly, die als Botin
zwischen Falstaff und den lustigen Weibern fungiert und der Verdi einen relativ
bedeutenden komischen Part in seiner Oper einräumt. Ansonsten bleibt es aber bei
den drei Streichen, den die Frauen Fluth und Reich dem aufdringlichen Ritter Sir
John Falstaff spielen und die dazu führen, dass er einmal im Wäschekorb mit der
Schmutzwäsche in die Themse gekippt wird, um dem eifersüchtigen Ehemann Herrn
Fluth zu entgehen, dann als Muhme verkleidet aus dem Haus gejagt wird und beim
dritten Mal unter Hernes Eiche von dem als Elfen verkleideten Volk eine gehörige
Tracht Prügel bekommt, während Anna Spärlich und Cajus in falscher Verkleidung
zusammenführt und selbst ihren Geliebten Fenton heiratet.
Fenton (Sangmin Jeon, links) liebt Anna (Natalia
Labourdette), was ihrem Vater Herrn Reich (Michael Ronan, rechts) missfällt.
Das Regie-Team um Anja Kühnhold hält den Stoff auch in der heutigen Zeit für aktuell und verlegt daher die Geschichte in die Gegenwart. Die Ehepaare
Reich und Fluth führen gemeinsam ein renommiertes Pelzgeschäft. Dass Fenton als
Gegner des Pelzhandels keine Chance hat, als Schwiegersohn für Anna Reich
akzeptiert zu werden, verwundert dabei nicht. Herr Reich ist vielmehr auf der
Suche nach einem Geschäftspartner, mit dem er den Fortbestand seines Ladens
sichern kann und scheint mit dem wohlhabenden Junker Spärlich einen geeigneten
Kandidaten gefunden zu haben. Frau Reich erliegt dem französischen Charme des
Dr. Cajus und denkt sich scheinbar, dass, wenn sie diesen Mann schon nicht haben
kann, er dann wenigstens ihre Tochter beglücken soll. Vielleicht hat sie
dabei aber auch den Hintergedanken einer eigenen heimlichen Liaison, was
Kühnhold in der Personenregie der beiden Figuren andeutet. Der verarmte Ritter
Sir John Falstaff wirkt in seinem Schottenrock in dieser Gesellschaft ein wenig
aus der Zeit gefallen, so dass es nicht verwundert, dass man mit ihm seinen Spaß
treibt, zumal sein Verhalten den beiden Frauen gegenüber in keiner Weise
hinnehmbar ist. Auch der übertriebenen, fast schon bedrohlichen Eifersucht von
Herrn Fluth muss Einhalt geboten werden, was Frau Fluth mit ihren Einfällen
wunderbar gelingt.
Der Ritter Falstaff (Erik Rousi) erscheint zum
Rendezvous bei Frau Fluth. Frau Reich (Edith Grossman) versteckt sich.
Anna Sophia Blersch, die für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich
zeichnet, hat einen flexiblen Raum entworfen, der schnelle Szenenwechsel
ermöglicht. Die vier Hauseingänge, mit denen der Abend während der Ouvertüre
beginnt, deuten in der Bemalung bereits den Wald an, in dem die Geschichte
endet. Auf der linken Seite befindet sich zunächst der Pelzladen, in der Mitte
die beiden Häuser der Familien Reich und Fluth und auf der rechten Seite der
Gasthof, in dem Falstaff logiert und den Plan entwickelt, über die Frauen an das
Geld ihrer wohlhabenden Männer zu gelangen. Durch Drehung der Bühnenelemente
lässt sich die Szenerie schnell in Frau Fluths Wohnung verwandeln, wo sie beim
ersten Rendezvous Falstaff in einem riesigen Wäschekorb verschwinden lassen
muss, als ihr Mann plötzlich auftaucht. Auf den Seiten deuten zwei kleinere
Elemente Büsche an, hinter denen sich Cajus und Spärlich im zweiten Akt
verstecken, wenn sie Fenton und Anna im Garten belauschen. Später führen diese
Büsche in den Wald, in dem das ganze Dorf dem Ritter den finalen Streich spielt.
Hier schöpft Blersch kostümtechnisch aus dem Vollen und
lässt die Damen des Chors in zauberhaften Kostümen mit weißen Lampions als Feen
des Waldes auftreten, während die Männer in Büschen als grüne Waldwesen
erscheinen. Herr Reich tritt als vermeintlicher Jäger Herne mit großem Hirschkopf
auf, während das Geweih, das Falstaff trägt, eher mickrig wirkt, so
dass er schnell als Fremdkörper in dieser Feenwelt entlarvt wird. Das alles wird
mit großem Spielwitz und äußerst kurzweilig umgesetzt.
Mummenschanz an Hernes Eiche: Das Volk
(Opernchor) erteilt Falstaff (Erik Rousi) eine Lektion.
Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau und zeigt, dass es Nicolai
durchaus geglückt ist, in diesem Stück den Stil des deutschen Singspiels mit dem
italienischen Belcanto zu verbinden. Johannes Witt lotet das mit dem
Sinfonieorchester Wuppertal hervorragend aus und kitzelt besonders in der
Ouvertüre auch noch die romantischen Klänge der Musik heraus. In den schnellen
Passagen entwickelt das Orchester eine enorme Spritzigkeit, die die Komik der
Szenen unterstreicht. Der von Ulrich Zippelius einstudierte Opernchor zeigt
große Spielfreude und überzeugt nicht nur als verkleidetes Volk im dritten Akt.
Auch kleinere Partien sind mit Mitgliedern des Opernchores besetzt und bieten in
diesem Fall Marco Agostini und Andreas Heichlinger die Gelegenheit, als Bürger beim Wetttrinken
mit dem Ritter mit großer Komik zu überzeugen. Margaux de Valensart und Edith
Grossman sind im wahrsten Sinne zwei "lustige Weiber", denen der Schalk im
Nacken sitzt. De Valensart punktet als Frau Fluth mit strahlenden Höhen und
leuchtenden Koloraturen und liest ihrem Mann gehörig die Leviten, wenn sie sich
als zu Unrecht beschuldigte Frau präsentiert, der von ihrem Mann großes Leid
zugefügt worden ist. Grossman gestaltet die Partie der Frau Reich mit rundem
Mezzosopran und versprüht vor allem in den Szenen mit Dr. Cajus große
Leidenschaft. Erik Rousi gibt mit profundem Bass einen herrlich komischen
Ritter, der den beiden Frauen auf den Leim geht. Zachary Wilson überzeugt als
eifersüchtiger Herr Fluth mit kraftvollem Bariton und intensivem Spiel. Sangmin
Jeon begeistert als Fenton mit strahlendem Tenor und wunderbar ausgesungenen
Höhen. Michael Ronan verfügt als Herr Reich über einen dunklen Bass-Bariton.
Aufhorchen lassen auch die drei Mitglieder des Opernstudios NRW. Da ist zunächst
Natalia Labourdette als Anna zu nennen, die die Partie mit strahlenden Höhen
gestaltet und viel Spielwitz zeigt, wenn sie sich überlegt, ihre Eltern zu
überlisten und die beiden unliebsamen Verehrer zusammenzuführen, während sie
ihrem Geliebten Fenton das Ja-Wort gibt. Ju Hyeok Lee überzeichnet den Junker
Spärlich mit herrlicher Komik und leuchtendem Tenor, wenn er mit
leidenschaftlichen Höhen von seiner angebeteten Anna träumt. Yancheng Chen
gestaltet den Franzosen Dr. Cajus, der sich auch Annas Mutter Frau Reich
gegenüber nicht ganz abgeneigt zeigt, als Charmeur mit verführerischem Bariton.
So gibt es für alle Beteiligten am Ende verdienten und großen Beifall.
FAZIT
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Bühne und Kostüme
Choreinstudierung Dramaturgie
Sinfonieorchester Wuppertal Opernchor der Statisterie der Solistinnen und Solisten*Premierenbesetzung Sir John Falstaff
Herr Fluth
Herr Reich
Fenton
Junker Spärlich
Dr. Cajus Frau Fluth Frau Reich Jungfer Anna Reich Der Kellner Erster Bürger Zweiter Bürger
|
- Fine -