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Abschied und Aufbruch
Von Stefan Schmöe /
Fotos von Bettina Stöß
Was geht in einer jungen Frau in der Nacht vor ihrer Hochzeit vor? Die Frage bleibt auch am Ende dieses gerade einmal 50 Minuten kurzen Werkes offen. Ana Sokolović, 1968 in Serbien geboren und seit 1992 in Kanada lebend, hat mit Svadba (Hochzeit) eine Kammeroper für sechs Frauenstimmen a capella darüber komponiert, aber sie psychologisiert nicht. Fünf Freundinnen besuchen Milica, die Braut. Sokolović lässt sie prototypische kleine Episoden durchleben: Sie essen und trinken gemeinsam, frisieren Milica, sinnieren über die Wahl des Bräutigams, streiten, kleiden Milica an und verabschieden sie in ein neues Leben. Aber diese Frauen haben keine Geschichte. Man erfährt nichts über sie; nichts über ihre Herkunft, ihre Beziehung zueinander oder ihre Gedanken. Sie leben nur in diesem Moment, und sie umreißen in jeder der insgesamt sieben Szenen präzise die jeweilige Situation.
Die knappen Texte hat Sokolović serbischer Lyrik entnommen, Volksliedern über das Thema Hochzeit. In einem geht es um den schlechten Bräutigam und den Wunsch, statt dieses Taugenichts' doch besser einen ehrlichen Jungen zu bekommen. An anderer Stelle wird die Braut gewaschen, "mit Wasser und mit Sternen". An vielen Stellen sind Texte auf einzelne Silben oder Laute reduziert. Man hört die Frauen fröhlich schnattern oder auch aggressiv gegeneinander wettern, und da ist ein Text gar nicht erforderlich. Sprachmelodie und (noch wichtiger) Klang der Silben sind musikalische Gestaltungsmittel. Sokolović spielt mit der serbischen Sprache und deren Klang, gibt ihrer Musik mitunter dadurch perkussiven Charakter. Vereinzelt werden Trommel und Rasseln, auch Alltagsgegenstände eingesetzt, in einer Szene ein Gong, in einer anderen Pfeifen, jeweils von den Darstellerinnen gespielt. In den gesungenen Passagen hört man mitunter einen flotten Parlandostil, dann lyrische mehrstimmige Phrasen von schwer festzumachender Harmonik, oft mit Dissonanzen unterlegt. Lange durchgehaltene Töne und leere Quinten schaffen einen Bezug zur Volksmusik, die immer latent im Raum zu existieren scheint. Aber Sokolović komponiert keine modernisierte Folklore; vielmehr scheinen die Volksmusik und die Sprache Ausgangspunkte für einen manchmal sehr natürlichen und die Sprache imitierenden, dann wieder kunstvoll auskomponierten Stil zu sein.
Jetzt gibt's Geschenke (Alicia Grünwald, Susanne Blattert, Carolyn Holt, Kristin E Mantyla, Nicole Wacker, Tinka Pypker)
Die kurzen, ohne Unterbrechung ineinander übergehenden Szenen halten überzeugend die Balance zwischen einem realistischen Abbild der Wirklichkeit und einer exemplarischen Überhöhung. Svadba zeigt unaufgeregt und nicht ohne Witz Menschen mit ihren Ängsten und Hoffnungen, die sich durch die spezielle Situation zuspitzen: Die Hochzeit (jedenfalls in der hier gezeigten traditionellen Form) fungiert als ein Punkt, an dem sich das Leben fundamental ändert. Das Bühnenbild (Ausstattung: Katharina Sook Wilting) zeigt keinen realen Raum, sondern eine durch zwei graue Wände abgegrenzte Spielfläche (die Aufführung findet auf der kleinen Werkstattbühne im Bonner Opernhaus statt). Die Kostüme deuten traditionelle serbische Trachten an, wechseln am Ende zu heutiger Alltagskleidung. Damit bewegt sich auch die Regie (Alexandra Pape) geschickt zwischen fast dokumentarischem Realismus und Abstraktion.
Ganz ausgezeichnet harmonieren die sechs Darstellerinnen (Kristin E Mantyla, Nicole Wacker, Tinka Pypker, Alicia Grünwald, Susanne Blattert, Carolyn Holt). Sie singen und sprechen mit hoher rhythmischer Präzision und ausgewogen in der Lautstärke. Es gibt Stellen, an denen sie mit scharfen, schnarrenden Stimmen singen wie in der osteuropäischen Volksmusik; in anderen, lyrischen Passagen stimmt trotz recht starken Vibratos und der daraus resultierenden Individualität der Stimmen die Intonation genau. Durch die Besetzung mit Sängerinnen unterschiedlichen Alters wird unterstrichen, dass es sich hier keineswegs um einen Girlie-Junggesellinnenabschied handelt. Die unterschiedlichen Klangfarben ergänzen sich sehr schön. Dirigent Igor Horvat leitet das Ensemble umsichtig durch die komplexe Partitur.
Nachdenklich: Milica, die Braut (Kristin E Mantyla)
Lange Zeit ist die Partie der Braut Milica nicht herausgehoben und alle Rollen sind gleichwertig; erst in der letzten Szene singt sie ein wehmütiges Solo über den Abschied. Kristin E Mantyla gestaltet es mit angemessener Schlichtheit und ohne jede falsche Sentimentalität. Es liegt weniger Poesie oder Melancholie über der Szene als eine leise Nachdenklichkeit. Solche Sachlichkeit tut dem kurzweiligen Stück gut. Große Begeisterung beim Premierenpublikum.
In der unprätentiösen Regie von Alexandra Pape und der sehr guten musikalischen Umsetzung durch ein engagiert singendes und spielendes Ensemble erweist sich Svadba als sehens- und hörenswerte Kurzoper, die nachdenklich stimmt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Solisten
Milica
Danica
Lena
Zora
Nada
Ljubica
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E-Mail: oper@omm.de