Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



La forza del destino
(Die Macht des Schicksals)


Melodramma in vier Akten
Libretto von Francesco Maria Piave
nach dem Drama Don Àlvaro o la fuerza del sino von Àngel de Saavedra, Dunque de Riva
Neufassung des Librettos von Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi (zweite Fassung von 1869)


in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 20' (eine Pause)

Koproduktion mit der Welsh National Opera (Cardiff) und dem Teatro Nacional de São Carlos (Lissabon)

Premiere im Opernhaus Bonn am 2. Februar 2025
(rezensierte Aufführung: 8. Februar 2025)


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)

Eine kleine und doch ganz große makabre Kriegsrevue

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bettina Stoess

Wenn es die Macht des Schicksals allzu toll treibt, mag man nicht recht an sie glauben. Schon bei der Uraufführung von Verdis La forza del destino 1862 in St. Petersburg fielen die Reaktionen sehr gemischt aus. Eine ebenso verworrene wie unglaubwürdige Handlung, so lautet bis heute der Hauptvorwurf. Eine Pistolenkugel, die sich versehentlich löst und den Vater von Leonore di Vargas trifft, trägt ebenso dazu bei wie die wiederholten zufälligen Treffen von deren rachsüchtigem Bruder Carlo und ihrem Geliebten Alvaro, ohne dass diese sich erkennen. Daran ändert auch die heute meist gespielte zweite Fassung für die Mailänder Scala von 1869 nicht viel. Für seine in Koproduktion der Welsh National Opera Cardiff, der Oper Lissabon und der Oper Bonn entstandene Inszenierung lässt Regisseur David Pountney die Wahrsagerin Preziosilla als Schicksalsgöttin agieren, die bedeutungsschwer das Schicksalsrad dreht (im Video), wie ein Zirkusdirektor auftritt oder gleich einem Todesengel gravitätisch über die Bühne schreitet.

Vergrößerung in neuem Fenster Leonora will mit Don Alvaro fliehen. (Dummerweise wird im nächsten Moment ihr Vater, der Marchese di Calatrava, auftauchen und versehentlich erschossen werden.)

Kann man mit solchem Kitsch den, pardon, Kitsch der Handlung bannen? So leidlich. An vielen Stellen wirkt die Inszenierung wie eine rabenschwarze Revue. Der fabelhaft singende Chor (Einstudierung: André Kellinghaus) ist meist in groteske Einheitskostüme gekleidet und bewegt sich, sorgsam durchchoreographiert (Michael Spenceley), in synchronen Bewegungen. Das Bühnenbild (Raimund Bauer) besteht aus zwei dreh- und verschiebbaren Wänden, mit denen die unterschiedlichen Räume angedeutet werden. Der Blutfleck nach dem fatalen Schuss ist ebenso präsent wie ein Durchgang in Form eines großen Kreuzes für das Kloster, in dessen Einsiedelei sich Leonora zurückzieht. So erzählt Pountney die wirre Geschichte mit recht pauschaler Personenregie einigermaßen gut nachvollziehbar, ohne sich in falschem Realismus zu verlieren. Besonders berührt wird man vom Schicksal der Protagonisten allerdings auch nicht.

Vergrößerung in neuem Fenster

Leonoras Bruder Don Carlo (links) und Alvaro lernen sich im Krieg kennen und retten einander gegenseitig das Leben. Weil sie sich die richtigen Namen verschweigen, begreifen sie erst später, dass diese Freundschaft wenig tragfähig ist, denn Carlo will seinen Vater rächen und Alvaro töten.

Es geht um Krieg - wobei die ersten beiden Akte mit "Frieden", die letzten beiden mit "Krieg" in großen Buchstaben per Videoprojektion angekündigt werden. Immer wieder sieht man eine Videosequenz mit dem in Zeitlupe fliegenden Projektil, das die Katastrophe auslöst. Die Kostüme (Marie-Jeanne Lecca) zeigen allerlei militärische Fantasieuniformen, die sich historisch nicht verorten lassen. So bleibt die Antikriegsbotschaft universell. Man kann die Oper in dieser Sichtweise als einen großen Totentanz auffassen. Das alles ist nicht falsch, aber auch nicht gerade mitreißend - im Gegensatz zur Musik. Denn was man hier zu hören bekommt, ist großes Musikdrama.

Vergrößerung in neuem Fenster Kleines Kriegstheater hinter der Front: Belustigung von Soldaten und Volk. Auf der Bühne links sieht man Preziosilla, Wahrsagerin und in dieser Produktion auch Schicksalsgöttin

Im Orchester pfeift, grummelt und heult es. Dirigent Will Humburg spitzt die Klangeffekte immer wieder zu, lässt das Beethoven Orchester, das über sich hinauswächst (großartige Holzbläsersoli!), scharf attackieren. Die kleinen Noten haben die Präzision von Nadelstichen. Kontraste werden hervorgehoben. Das ist weit weg von einem behaglichen Wohlfühl-Verdi. Und dann gibt es die melodischen Linien, die ohne Pathos und Sentiment, aber mit schicksalhafter Größe erklingen. Manche Phrase weist in ihrer geradezu lakonischen Interpretation auf den späten Verdi voraus. Gleichzeitig ist Humburg ein exzellenter Begleiter der Sängerinnen und Sänger. Wie gut die Balance zwischen Orchester und Bühne ausgehört ist, zeigt sich etwa daran, dass Yannick-Muriel Noah in der Partie der Leonora ein expressives Piano in einen satten Forte-Klang hinein singen kann und sofort den Fokus auf sich lenkt.

Vergrößerung in neuem Fenster

Don Carlo (liegend) ist im Duell von Alvaro tödlich verwundet worden und hat mit seinem letzten Atemzug noch schnell aus Rache seine Schwester Leonora erschossen. Das ist halt die Macht des Schicksals, befindet Padre Guardiano (hinten). Alvaro (links) muss seit der zweiten Fassung der Oper mit dieser Erkenntnis weiterleben.

Mit warmer, glutvoller Stimme, die auch in den Forte-Attacken nicht an Schönheit einbüßt, gibt sie eine glanzvolle Leonora ab. Franco Vassallo singt ihren rachsüchtigen Bruder Don Carlo mit raumfüllendem, gleichzeitig elegantem Bariton. Den Liebhaber Alvaro gestaltet George Oniani mit kraftvollem, nicht unbedingt sehr "italienischem", aber in schönen Linien geführtem und in der Höhe unangefochten strahlendem Tenor Glanz. Pavel Kudinov ist ein kerniger, vergleichsweise junger Padre Guardiano ohne altväterliche Sonorität, dafür mit zupackender Energie (den Marchese di Calatrava, Leonoras und Carlos Vater, singt er gleich noch dazu). Enrico Marabelli glänzt als komödiantisch angelegter Klosterbruder Melitone. Stimmlich ein wenig leichtgewichtig, aber mit quirliger vokaler Präsenz gestaltet Dschamilja Kaiser die Preziosilla.


FAZIT

Musikalisch wird hier mit einem in allen Bereichen - Chor, Orchester, Bühne - tollen Ensemble ganz große Oper geboten. Mit der Inszenierung kann man leben.




Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Will Humburg

Inszenierung
David Pountney

Szenische Einstudierung
Robin Tebbutt

Bühne
Raimund Bauer

Kostüme
Marie-Jeanne Lecca

Licht
Fabrice Kebour

Beleuchtungseinrichtung
Boris Kahnert

Bewegungschoreographie
Michael Spenceley

Chor
André Kellinghaus

Video
Fettfilm


Statisterie des
Theaters Bonn

Chor und Extrachor des
Theaters Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Donna Leonora
Yannick-Muriel Noah

Don Carlo di Vargas
Franco Vassallo

Don Alvaro
George Oniani

Padre Guardiano / Marchese di Calatrava
Pavel Kudinov

Fra Melitone
Enrico Marabelli

Preziosilla / Curra
Dshamilja Kaiser

Mastro Trabuco
* Tae Hwan Yun /
Ralf Rachbauer

Ein Chirurg
Christopher Jähnig

Ein Alkade
* Miljan Milovic
Jongmyung Lim

Eine Mutter
Joëlle Fleury /
* Johanna Werhahn



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2025 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -