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Musiktheater
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Tosca

Musikdrama in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 1. Dezember 2024
(rezensierte Aufführung: 18. Dezember 2024)


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Theater Bonn
(Homepage)

Opernkrimi im historischen Gewand mit Ungenauigkeiten

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bettina Stoess

Im Februar 1798 eroberten französische Truppen Rom und den Kirchenstaat. Kurz darauf rief Napoleon die "Römische Republik" aus mit einem Direktorium von fünf Konsuln an der Spitze der Exekutive. Bereits im Herbst des folgenden Jahres war diese mit dem Einmarsch der Armee des Königreichs Neapels wieder Geschichte. Im Frühjahr 1800 unternahm Napoleon erneut einen Feldzug gegen das politisch zersplitterte Italien und die Habsburger und besiegte am 14. Juni 1800 bei Marengo die österreichischen Truppen. Vor diesem Hintergrund spielt sich die (frei erfundene) Handlung von Tosca ab: Im reaktionären, von Polizeigewalt und Racheakten geprägten Rom flieht am 17. Juni der ehemalige Konsul Angelotti aus dem Gefängnis und wird vom Maler Cavaradossi versteckt. Polizeichef Scarpia lässt Cavaradossi festsetzen und foltern, worauf dessen Geliebte, die geierte Sängerin Tosca, das Versteck Angelottis verrät. Um sich Tosca sexuell gefügig zu machen, kündigt Scarpia die Hinrichtung Cavaradossis an, aber auch die vermeintliche Begnadigung, sollte Tosca seinen Wünschen nachkommen. Der weitere Verlauf ist großes Theater: Tosca, im Besitz eines Passierscheins und im Glauben an eine bloße Scheinhinrichtung, ersticht Scarpia, muss aber den Tod Cavaradossis vor einem Erschießungskommando mit ansehen - und stürzt sich von der Engelsburg in den Tod.

Vergrößerung in neuem Fenster Erster Aufzug: Tosca (Yannick-Muriel Noah) und Scarpia (hier: Giorgos Kanaris)

Tosca ist ein gut konstruierter Historienkrimi (schon die Vorlage, ein Schauspiel von Victorien Sardou, war ein Sensationserfolg). Man kann die Handlung in andere Zeiten verlegen (bevorzugt in den Faschismus) oder in modellhafte, nicht näher fixierte Polizeistaaten und Diktaturen der Gegenwart. Oder man belässt die Oper im historischen Kontext, wie das Theater Bonn in dieser Inszenierung vorgibt, und setzt darauf, dass das Publikum die Aktualität von Polizeiwillkür und Machtmissbrauch auch so als exemplarisch für diverse Staatsgebilde unserer Zeit erkennt. In Bonn spielt man das Stück in einer "Bühnendekoration des Teatro Comunale di Bologna" (eine Bühnenbildnerin oder Bühnenbildner wird nicht genannt) und verspricht eine "opulente Ausstattung". Wobei letzteres dann doch recht großmundig erscheint. Im ersten Akt wird die Kirche Sant'Andrea della Valle lediglich durch ein paar Versatzstücke angedeutet. Die Projektion eines gotischen Kirchenfensters passt weder zur frühbarocken Architektur noch zur Stimmung der Oper. Das Altarbild, an dem Cavaradossi gerade arbeitet, zeichnet ihn in seiner Schlichtheit als bestenfalls drittklassigen Künstler aus, und der Mosaikfußboden wird im dritten Akt für den Bodenbelag im Gefängnishof der Engelsburg recycelt, dort absurd durch zwei Mauern beschnitten. Man muss sicher keine historische Exaktheit fordern, aber hier strahlt die Kulisse (das Bild für den dritten Akt könnte man ohne Änderungen auch problemlos für den dritten Akt von Tristan und Isolde verwenden) eine Beliebigkeit aus, die sich auf die gesamte Interpretation auswirkt. Die Dekoration im zweiten Akt mit ein paar Möbeln vor gemaltem Barock-Prospekt als Rückwand für den Palazzo Farnese und Scarpias Diensträume erfüllt ihren Zweck, aber echte Opulenz sieht dann doch anders und effektvoller aus.

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Erster Aufzug: Ensemble, vorn Scarpia (hier: Giorgos Kanaris)

Silvia Gatto hat die Aufgabe übernommen, Tosca in dieser Kulisse und mit Kostümen (natürlich historisierend) von Simone Bendacordone zu inszenieren oder, das passt wohl besser, einzurichten. Die szenischen Möglichkeiten dürften schon deshalb eingeschränkt sein, weil die Oper Bonn für die insgesamt 14 Aufführungen drei verschiedene Sängerinnen für die Titelpartie, fünf verschiedene Tenöre für den Cavaradossi und zwei Baritone für den Scarpia verpflichtet hat (siehe dazu die Besetzungsliste rechts), auf dass ein wenig prominenter Glanz auf den Besetzungszetteln erscheine. Schwer zu sagen, was da an einem etwaigen Konzept in der hier besprochenen Aufführung überhaupt noch zu sehen war. Immerhin hat Silvia Gatto dafür gesorgt, dass nicht einfach an der Rampe gesungen wird, sondern sich ein einigermaßen plausibles Spiel entwickelt, ohne nennenswerte Überraschungsmomente, aber dramatisch einigermaßen plausibel, auch wenn sich die ganz große Ergriffenheit nicht einstellen will.

Vergrößerung in neuem Fenster Zweiter Aufzug: Tosca und Scarpia (hier: Giorgos Kanaris)

Dabei ist Yannick-Muriel Noah aus dem hauseigenen Ensemble eine sehr gute, immer klangschöne Tosca mit der nötigen dramatischen Kraft. Den leisen Tönen fehlt es ein wenig an Intensität. Und ebenfalls zum Haus gehört George Oniani, der mit seinem nicht unbedingt "italienischen", aber doch eleganten, angenehm eingedunkelten, höhensicheren Tenor als Cavaradossi beeindruckt. Claudio Otelli pendelt zwischen den großen Bühnen der Welt und gibt dem Scarpia einen edlen und vornehmen, allerdings wenig dämonischen und nicht übermäßig großen Bariton. Aus dem in den Nebenrollen gut besetzten Ensemble seien noch Martin Tzonev als stimmlich sehr präsenter Messner und Clara Teschner mit jugendlichem Sopran als kindlich naiver, betörend schön gesungener Hirt genannt. Chor und Kinderchor singen auf hohem Niveau.

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Dritter Aufzug: Tosca und Cavaradossi (hier: Marcelo Puente)

Chefdirigent Dirk Kaftan begleitet mit dem sehr guten Beethoven Orchester das Ensemble auf der Bühne souverän und vermeidet dabei das große Pathos. Er zeichnet sehr genau die Stimmungen nach, etwa die ins burleske tendierende musikalische Beschreibung des Messners. Den Beginn des dritten Aufzugs mit dem wie zufällig von hier und da jenseits des Taktmaßes einsetzenden Glockengeläut lässt er naturalistisch genau spielen und entwickelt ein sehr modern klingendes, den Realismus Charles Ives' vorwegnehmendes Panorama der erwachenden Stadt. An anderen Stellen meint man, im Raunen des Orchesters die Verbindung zu Wagner zu hören. So entsteht eine vielschichtige Interpretation, die hörbar macht, dass Puccini eben viel mehr ist als der Komponist großer Arien und Duette.


FAZIT

Man erlebt in Bonn eine musikalisch überzeugende Tosca. Die konventionelle, nicht sonderlich genaue Inszenierung macht dabei nicht viel falsch, berührt aber auch nicht sonderlich.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
* Dirk Kaftan
Hermes Helfricht
Daniel Johannes Mayr

Inszenierung
Silvia Gatto

Bühne
Bühnendekoration des
Teatro Communale Bologna

Kostüme
Simone Bendacordone

Licht
Boris Kahnert

Chor
André Kellinghaus

Kinderchor
Ekaterina Klewitz


Statisterie des
Theaters Bonn

Kinder- und Jugendchor des
Theaters Bonn

Chor des
Theaters Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Floria Tosca
* Yannick-Muriel Noah /
Monica Conesa /
Angela Gheorghiu

Mario Cavaradossi
Marcelo Puente /
* George Oniani
Stefano La Colla /
Ramón Vargas /
Freddie de Tommaso

Baron Scarpia
Giorgos Kanaris /
* Claudio Otelli

Cesare Angelotti
Christopher Jähnig

Der Messner
Martin Tzonev

Spoletta
Tae Hwan Yun /
* Ján Rusko

Sciarrone
Miljan Milovic

Ein Schließer
* Jongmyung Lim /
Johannes Marx

Ein Hirt
Valérie Ironside /
Ida Rausche /
* Clara Teschner



Weitere
Informationen

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Theater Bonn
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