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Mitmach-Maskenball im Museum
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Anja Otto (© Komische Oper am Rhein) Mozart mit Fisch? Die Komische Oper am Rhein (KOR), eine 2017 von Sopranistin Elsa Garcia Táraga gegründete freie Theatergruppe, zieht mit einer Bearbeitung von Cosí fan tutte in den Düsseldorfer Aquazoo, einer Mischung aus Aquarium und Naturkundemuseum. Mozarts Oper wird dabei auf eine Sopranistin (Chefin Elsa Garcia Tárraga persönlich), einen Bariton (Michael Terada) und elektrisches Klavier (daran sitzt an diesem Abend Georg Kjudel an Stelle von Christoph Schnackertz) reduziert. Dazu kommt ein kleiner Chor: "Junggebliebene Menschen ab 65 Jahren aus der Stadt und Umgebung[…], die keine vorherige Gesangserfahrung haben", liest man auf der Homepage (ein Programmheft oder einen Besetzungszettel zur Produktion gibt es nicht). Oper soll für alle da sein, was in diesem Fall sogar das Mitwirken beinhaltet. Und Oper wird ganz nah an das Publikum herangebracht. Was ganz schön laut sein kann, wenn die Sopranistin oder der Bariton direkt neben einem stehen und zu singen beginnen. ![]() Das Bild täuscht So nah wie hier Elsa Garcia Tárraga kommt man den Fischen in der Aufführung nicht
So ziehen rund 80 Zuschauerinnen und Zuschauer im ersten Akt der Oper mit dem Ensemble durch die Räume des Museums. Man wird gebeten, dazu eine Maske im angedeuteten venezianischen Stil aufzusetzen. In einer Rahmenhandlung stellen Sabine Barth und Carsten Keller das neureiche Paar Gloria und Silvio von Urumori dar, die uns alle zur extravaganten Party an diesen ungewöhnlichen Ort eingeladen haben. Mit etwas angestrengtem Witz liefern sie damit einen vagen Grund, warum man sich ausgerechnet hier befindet. Das Konzept trägt bis zur Pause. Wenn die beiden zu Beginn des zweiten Aktes offenbaren, sie seinen ja gar nicht die Uromoris, sondern Schauspieler, die nun einfach die Geschichte weitererzählen, ist vermutlich auch niemand traurig. Da hat sich das Publikum auf sehr eng gestellten Stühlen im zu kleinen Eingangsbereich weit weg von irgendwelchen Fischen niedergelassen. Vorher geht man von Raum zu Raum, mitunter zur Polonaise aufgefordert (es ist schließlich Party). Dabei bleibt das Aquarium Nebensache. Schon aus Gründen des Tierschutzes sind die Stationen in die Museumsräume ohne Blick auf Fische verlegt. Man darf dankbar sein, auf dem Weg zwischen zwei Szenen kurz einem Rochen zu begegnen. ![]()
Auch die Inszenierung (Mario Tomás López) schafft keinen direkten Bezug zwischen Oper und Aufführungsort. Zum Finale des ersten Akts steht man im Ausstellungsbereich über den Tod, und in der Opernhandlung sieht es für einen Moment auch so aus, als stürben die vermeintlichen exotischen Fremden, die verkleidet und unerkannt um die Zuneigung der Geliebten des jeweils anderen buhlen und die Einnahme eines Giftes vortäuschen. Da die Regie sich aber jeder Interpretation enthält und stattdessen eine ziemlich ungewöhnliche Art einer Einführung in das Werk entworfen hat, wirkt das wie ein hübscher Zufall. Vielleicht nicht ganz, denn später wird Carsten Keller unvermittelt und mit arg tränenreichem Pathos den berühmten Mozart-Brief verlesen, in dem der Komponist über den Tod sinniert. Die Verbindung zu Cosí fan tutte allerdings wird nicht klar und wirkt reichlich bemüht. So oder so: "Oper im Aquarium" entpuppt sich als Marketing-Gag mit wenig Substanz, denn die Produktion könnte an vielen Orten, auch an räumlich großzügigeren und dadurch besser geeigneten, aufgeführt werden. Aber man muss wohl anders denken: Wenn durch die interessante Location Menschen an die Oper herangeführt werden, die den Weg an die Heinrich-Heine-Allee, wo vornehm die große städtische "Deutsche Oper am Rhein" residiert, eher nicht finden, dann ist das Konzept aufgegangen. So ganz anders als in den etablierten Opernhäusern sieht das Publikum an diesem Abend aber auch nicht aus, was bei Ticketpreisen von über 40 € auch nicht weiter verwundert. ![]() Das Publikum, hier repräsentiert durch die Dame rechts an der Seite von Elsa Garcia Tárraga, wird aufgefordert, Masken zu tragen.
Das Moderwort "immersiv" verspricht ja irgendwie ein Rundum-Erlebnis. Die Nähe zu den Protagonisten und die Aufforderung zur Polonaise, was man mögen muss, wurden schon genannt. Im ersten Akt steht der Chor zwischen den Menschen des Publikums und setzt überraschend wie ein Flashmob ein, was einen schönen Effekt ergibt. Im zweiten Teil des Abends werden laminierte Zettel mit den Rollennamen im Publikum verteilt, und wenn jetzt die vier Darstellerinnen und Darsteller, die in Abendgarderobe statt in Opernkostümen agieren, im flotten Wechsel die getäuschten Damen Fiordiligi und Dorabella, die Offiziere Ferrando und Guglielmo, den Anstifter des bösen Spiels Don Alfonso und die kokette Dienerin Despina spielen, lassen sie sich die passende Rollenbezeichnung anreichen, damit man in Mozarts Liebhaber-wechsel'-Dich-Spiel den Überblick behält. Ein kleines bisschen Mitmachtheater also, das die Barriere zwischen Bühne und Zuschauern aufbricht. ![]()
Und die Musik? Georg Kjudel begleitet am erstaunlich gut klingenden elektrischen Klavier geschmackvoll mit delikater Abstufung zwischen Haupt- und Nebenstimmen, bleibt aber in den schnellen Nummern wie der Ouvertüre den Furor der Musik schuldig, und Klavier und Gesang sind arg oft nicht zusammen. Sängerisch müssen sechs Rollen auf einen Sopran und einen Bariton verteilt werden, was notgedrungen bei den vielen Ensembles zu Leerstellen führt (gelegentlich hilft der Chor mit einer Füllstimme aus). Michael Terada hat es mit seinem lyrischen, liedhaft klar geführten Bariton vergleichsweise einfach, weil der Guglielmo und der Alfonso von den stimmlichen Anforderungen relativ ähnlich sind, und Ferrandos schmachtende Tenorarie "Un'aura amorosa" wird kurzerhand passend heruntertransponiert. Elsa Garcia Tárraga gibt eine blendende Despina ab, toll gesungen und mit bestechendem Charme gespielt. Für die Dorabella muss sie die Stimme forcieren und das Vibrato wird größer - und hier eben nicht sanft vom Orchester aufgefangen. Die Stimme mischt sich dann nicht gut mit dem Klavierklang. Durch die Koloraturen von Fiordiligis mit abstrus hohen und tiefen Tönen gespickter Bravourarie "Come scoglio" mogelt sie sich ganz geschickt durch, aber den großen Zauber kann die Musik nicht entfalten. Ausgewiesene Liebhaber dieser Oper kommen also nicht so recht auf ihre Kosten, auch wenn man Terada und Garcia Tárraga anmerkt, mit wie viel Herzblut sie sich in die Produktion stürzen. Einen neuen Blick auf das Werk wirft sie auch nicht auf. Warum der Chor aus Menschen über 65 Jahren besteht, erschließt sich nicht (in der nächsten Produktion, Don Giovanni in der Düsseldorfer Stadtbibliothek, sollen dann Jugendliche singen). Und solche Besucher, für die der Abend die erste Begegnung mit Cosí fan tutte darstellt? "Es hätte sicher geholfen, wenn ich das Stück vorher gekannt hätte", lautet die ein wenig nach Diplomatie klingende Antwort. So verlässt man den Aquazoo als Kritiker ein wenig ratlos.
Doch kein Mozart mit Fisch: Die Komische Oper am Rhein präsentiert eine sympathische Annäherung an Cosí fan tutte ohne rechten Bezug zum Aufführungsort. Das auf Immersion zielende Konzept lässt noch Luft nach oben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Klavier
Regie Solisten
Silvio von Urumori (Schauspieler)
Gloria von Urumori (Schauspielerin)
Guglielmo / Don Alfonso / Ferrando (Bariton)´
Fiordiligi / Dorabella / Despina
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