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Les Contes d'Hoffmann
(Hoffmanns Erzählungen)


Opéra fantastique in fünf Akten
Libretto von Jules Barbier
nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré
Musik von Jacques Offenbach
basierend auf der Ausgabe von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit der Oper Graz
Premiere am 13. April 2025 im Opernhaus Düsseldorf
(rezensierte Aufführung: 16. April 2025)


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Rheinoper
(Homepage)
Die Frauengeschichten des Dichters Hoffmann

Von Stefan Schmöe / Fotos von Barbara Aumüller

Was braucht ein romantischer Dichter zum Unglück? Tisch und Stuhl, Papier und Stift ein Glas Rotwein. Und eine Muse. In diesem Fall nicht der Inspiration wegen, Einfälle hat der Dichter Hoffmann genug, sondern um ihn davon abzuhalten, seiner Liebschaft zur Sängerin Stella nachzugehen. Das nämlich könnte ihn von der Kunst abhalten. Gerade schreibt Hoffmann drei Geschichten, die drei Facetten der umworbenen Stella in den Mittelpunkt stellen. Und weil wir in der Oper sind, werden daraus drei unabhängige Einakter, verzahnt durch wiederkehrende Figurenkonstellationen: Hoffmann, die Frau, der böse Widersacher und Rivale Lindorf. Es ist nicht ohne Reiz, die drei Geschichten drei verschiedenen Regieteams anzuvertrauen (und die Rahmenhandlung einem vierten). Ganz neu ist die Idee allerdings nicht; im benachbarten Wuppertal hat der seinerzeitige Intendant ein solches Konzept bereits 2016 realisiert (unsere Rezension).

Szenenfoto

Da, wo er nach Meinung seiner Muse hingehört: Hoffmann am Schreibtisch

Den Anfang macht Tobias Ribitzki. Besagter Tisch mit Schreibutensilien steht auf der leeren Bühne, nach hinten abgetrennt durch eine schwarze Wand. In einer Art Tor sieht man einen roten Theatervorhang (Bühnenbild: Stefan Rieckhoff). Hoffmann und Muse im Anzug, 19. Jahrhundert (Kostüme: Silke Fischer) - sie werden die Kleidung nicht wechseln, sondern unverändert durch alle Akte hindurchwandern. So viel Kontinuität muss sein. Mit dieser ästhetisch strengen Anordnung fokussiert Ribitzki die Inszenierung ganz auf die Hauptfiguren und löst sie aus dem vom Libretto vorgegebenen Kontext. Eigentlich befindet sich Hoffmann ja in einer Weinstube, umgeben von trinkfreudigen Mitstudenten (hier ist die männliche Form korrekt, wir sind tief im 19. Jahrhundert), und Hoffmann legt sich mit dem dämonischen Stadtrat Lindorf an, der ebenfalls hinter Stella her ist. Davon ist hier wenig zu sehen. Ribitzki deutet bereits diese Rahmenhandlung als Teil des literarischen Schaffensprozesses. Er handelt die Situation ziemlich sachlich ab. Lindorf wie der Herrenchor werden ein wenig hin und her geschoben wie Versuchsobjekte in einem unfertigen Manuskript. Damit verschenkt die Regie viel vom dramatischen Potential der Szene.

Szenenfoto

Der Olympia-Akt: Hoffmann (in der Mitte) und die Puppe Olympia (über ihm)

Abrupt wechselt die Szene zum zweiten, dem Olympia-Akt. Den inszeniert das Kollektiv 1927 (das sind in diesem Fall Paul Barritt, Esme Appleton und Jennie Dunne), dessen bildmächtige Zauberflöte auch in dieser Saison auf dem Spielplan steht. Die Ästhetik ist in beiden Produktionen ähnlich: Zeichentrickfilmartige Videosequenzen werden auf eine Wand projiziert, und die Darstellerinnen und Darsteller interagieren mit den Bildern. Da kann es im Bild schon einmal rote Herzen auf Hoffmann herabregnen, der sich in die mechanische Puppe Olympia verliebt hat - Elena Sancho Pereg singt deren Arie mit leuchtendem Sopran und bestechend klaren Koloraturen. Ein wenig blass bleibt der Schluss mit der Zerstörung der Puppe, was man sich effektvoller erhofft hatte. Gleichwohl schafft 1927 hier eine Kunstwelt, die raffiniert mit der Idee des Mensch-Automaten korrespondiert. Die Gefahr ist freilich, dass sich die Bilder in einer Beliebigkeit verlieren - wenn man die Ästhetik durchschaut hat, wirkt sie auch schnell austauschbar. Unterhaltsam ist das allemal.

Szenenfoto

Der Antonia-Akt: Dr. Miracle (als Puppe oben links), in diesem Akt die Verkörperung von Hoffmanns ewigem Widersacher Lindorf, verleitet als Puppe die Künstlerin Antonia zum Singen, was für diese tödlich enden wird.

Den Antonia-Akt inszeniert Neville Tranter mit lebensgroßen Puppen, die von zwei Personen bewegt werden - dem Sänger und einer weiteren Puppenspielerin oder einem Puppenspieler. Die Wirkung ist frappierend: Schnell entsteht der Eindruck, es seien die Puppen, die singen. Wobei Hoffmann, die Muse und auch die todkranke Sängerin Antonia gar keine Puppe als künstliches alter ego bekommen. Die Bühne zeigt jetzt den roten Vorhang aus dem ersten Akt, aber von hinten, also backstage. Antonia muss sich entscheiden, ob sie durch den Vorhang ins Rampenlicht schreitet und damit Gesundheit und sogar das Leben riskiert - oder das Gesangsverbot befolgt. Darija Auguštan hat eine schöne, warm aufblühende Stimme, die im Forte an Farbe einbüßt, zwar strahlkräftig klingt, aber eben nicht mehr so schön. Aber leider neigt die Aufführung zu immer größeren Lautstärken. Auch der leicht dunkel timbrierte Mezzo von Maria Kataeva in der Rolle der Muse wird dann schneidend, und Ovidiu Purcell bringt für den Hoffmann ohnehin vor allem metallische Kraft ein - im Piano klingt die Stimme dünn, und so setzt er auf durchdringende Spitzentöne. Dem Charakter von Offenbachs Musik entspricht das kaum, da fehlt es an Eleganz und Leichtigkeit. Bogdan Taloș ist ein ganz ordentlicher Bösewicht Lindorf mit profundem Bass. Die Puppe allerdings verniedlicht seinen Auftritt in Gestalt des unheimlichen Arztes Dr. Miracle, der Antonia gegen alle Vernunft zum Singen animiert. Dazu beschwört er bekanntlich die Stimme von Antonias verstorbener Mutter herauf, selbst eine erfolgreiche Sängerin. Warum diese durch die Puppe eines sehr alten Mannes (!) verkörpert wird und selbst nicht auf der Bühne steht, erschließt sich nicht - vielleicht soll verdeutlicht werden, dass Antonia wie auch Olympia und später Giulietta Projektionen männlicher Frauenbilder sind? Niedlich ist eine hinzuerfundene Puppe (auch ein alter Mann), die offenbar in Antonia verliebt ist. Hoffmann und die Muse sind irgendwann verschwunden, als interessierten sie sich gar nicht für den Fortgang der Geschichte. Der Akt zerfasert zusehends. Es fehlt eine zwingende dramaturgische Idee.

Szenenfoto

Giulietta-Akt: Der Chor symbolisiert mit choreographischen Mitteln das am Handlungsort Venedig allgegenwärtige Wasser. Rechts Hoffmann und (sitzend) die Muse.

Den Giulietta-Akt inszeniert Nanine Linning mit einer stark choreographischen Herangehensweise. Da die Geschichte jetzt in Venedig spielt, verkörpert der Chor mit großen Gesten das wogende Meer. Die leuchtend blauen Kostüme dafür hat Irina Shaposhnikova entworfen. Das Engagement ist bewundernswert, zumal ja auch noch viel zu singen ist, aber ein wenig bemüht sieht das Ganze schon aus. Stimmlich neigt der Herrenchor mitunter zu recht großem Vibrato, im Tutti ist der Klang voll und ausgewogen. Das straffe, aber ziemlich unflexible Dirigat von Frédéric Chaslin fordert von allen Sängerinnen und Sängern strenge rhythmische Disziplin ein, wodurch die Musik oft nicht "atmen" kann, weil alle nur darauf bedacht sind, irgendwie zusammenzubleiben. Die Düsseldorfer Symphoniker spielen teilweise schlank und transparent und tragen an anderen Stellen ziemlich dick auf. Der Musik fehlt es an französischem Charme, an Geschmeidigkeit. Sarah Ferede singt eine etwas ungenau fokussierte Kurtisane Giulietta, die Hoffmann ohne große Umwege zum Mord verleitet. Wie sich Komponist Jacques Offenbach diesen unvollendet hinterlassenen Akt vorgestellt haben mag, ist unklar; in der hier nur notdürftig erzählten Handlung wird die Figur Giuliettas noch weniger klar als in anderen Inszenierungen.

Szenenfoto

Fünfter Akt: Hoffmann und die Muse

Der abschließende fünfte Akt setzt den sachlichen Stil des ersten fort, aber obwohl Hoffmann wie ein roter Faden im immer gleichen Kostüm durch die vorangegangenen Akte spaziert ist, will sich keine zwingende Verbindung einstellen. Eher hat man den Eindruck, mit Hoffmann verschiedene Regiestile angeschaut zu haben, die ja alle für sich ganz interessant sind, aber eben auch alle auf Distanz zur Handlung dieser Oper, vor allem aber zu deren Hauptfigur bleiben. Dass Hoffmann in eine dieser Frauen verliebt gewesen sei, ihn der Verlust betroffen gemacht hat, mag man nicht glauben. Zu artifiziell ist die Herangehensweise. "Groß wird man durch die Liebe, doch größer durch den Schmerz": Die romantische Apotheose wird im unromantischen Ambiente nicht recht glaubwürdig.


FAZIT

Trickfilm, Puppenspiel, choreographisches Theater, dazu die auf das Wesentliche reduziert erzählte Rahmenhandlung - die vier unterschiedlichen Herangehensweisen haben ihren Reiz, und doch bleibt trotz einiger schöner Momente das Gefühl, dem Werk nicht wirklich nahezukommen. Musikalisch hört man an diesem Abend zu viel Kraftmeierei und zu wenig französische Eleganz.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frédéric Chaslin

Inszenierung
Tobias Ribitzki (1. und 5. Akt)
1927 (Paul Barrit, Esme Appleton, Jennie Dunne)
(2. Akt - Olympia)
Neville Tranter (3. Akt - Antonia)
Nanine Linning (4. Akt - Giulietta)

Bühne
Stefan Rieckhoff

Kostüme
Silke Fischer
Irina Shaposhnikova (Giulietta-Akt)

Licht
Sebastian Alphons

Chor
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Christin Hagemann
Katie Campell



Chor der Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Hoffmann
Ovidiu Purcel

Muse/Nicklausse
Kimberley Boettger-Soller /
* Maria Kataeva

Olympia
Elena Sancho Pereg

Antonia
* Darija Auguštan /
Sylvia Hamvasi

Giulietta
Sarah Ferede

Stella
Daniela Matys/
* Justine Ritters

Lindorf/Coppélius/Dapertutto/Dr. Miracle
* Bogdan Taloș /
Petr Sokolov

Andrès/Cochenille/Pitichinaccio/Franz
Andrés Sulbarán

Luther/Crespel
Thorsten Grümbel

Nathanaël /Spalanzani
Florian Simson

Stimme der Mutter
* Katarzyna Kuncio/
Rita Kapfhammer

Schlémihl
Jorge Espino/
* Jake Muffett

Hermann
Emanuel Fluck/
* Junho Jung

Wilhelm
Bohyeon Mun/
*Cezar Adrian Dima



Weitere Informationen
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