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Rache in der Badewanne
Von Thomas Molke /
Fotos: © Björn Hickmann
Wie geht man als Regie-Team damit um, wenn man die "klassischste" aller Operetten inszenieren will? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man wählt einen üppigen, opulenten Ansatz und bedient alle Klischees, die ein operettenverliebtes Publikum an dieses Werk stellt, lässt bei wunderschönen Bildern in Walzerseligkeit schwelgen und kann sich ständig ausverkaufter Vorstellungen sicher sein. Dass kritische Stimmen dann von "musealem Mief" raunen mögen, überhört man dabei einfach. Oder man versucht neue Wege zu gehen und riskiert, einen Teil des klassischen Publikums mit Regie-Einfällen zu verärgern oder zu irritieren, die man irgendwie in das Stück integriert. Hinrich Horstkotte versucht wohl in seiner Inszenierung in Dortmund, einen Mittelweg zu gehen, wobei er im Bühnenbild von Martin Dolnik durchaus in Opulenz badet, andererseits laut Interview im Programmheft versucht, Schichten offenzulegen, die dem Publikum, das meint, das Werk bestens zu kennen, bisher noch verborgen geblieben sind. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob er dabei fündig wird. Was den Ort der Handlung betrifft, bezieht er sich dabei auf das Libretto, das die Handlung in einem Badeort in der Nähe einer Großstadt ansiedelt. Er wählt Baden bei Wien, wie ein großes Ortsschild andeutet, das während der berühmten Ouvertüre über der Bühne hängt. Dabei lässt er es sich nehmen, auch die Ouvertüre mit einer Geschichte zu bebildern. Zunächst tritt Dr. Falke auf, dessen auftoupierte schwarze Haare wohl auf seinen Spitznamen "Fledermaus" anspielen sollen, mit dem er sich seit dem Streich, dem ihm Gabriel von Eisenstein gespielt hat, herumärgern muss. Einerseits ist er Beobachter der folgenden Szenen, andererseits fungiert er als Drahtzieher für die Rache, die er im Stück an Eisenstein nehmen möchte. Letzterer Einfall geht gut auf, wenn er dem Briefträger unter anderem einen Brief an das Stubenmädchen Adele unterschiebt, in dem diese von ihrer Schwester Ida zum Fest beim Prinzen Orlofsky eingeladen wird. Auch Adeles Wunsch nach einem anderen Leben wird hier bereits in der Ouvertüre angedeutet. So macht sie dem Briefträger, der wohl ihr Freund ist, pantomimisch klar, dass sie von einer Bühnenkarriere träumt und nicht ein braves Hausmütterchen werden will. Was die übrigen Szenen während der Ouvertüre sollen, erschließt sich jedoch nicht. Zum einen zeigt Horstkotte auf den beiden Seitenbühnen rechts und links zwei verheiratete Pärchen beim Essen. Während sich das Paar auf der linken Seite bestens unterhält, gerät das Paar auf der rechten Seite in einen Streit, der in Tränen endet. Im Instrumentalteil vor dem dritten Akt werden diese beiden Paare noch einmal aufgegriffen, dieses Mal aber mit vertauschten Rollen. Rosalinde (Tanja Christine Kuhn) ist nicht böse, dass ihr Ehemann Gabriel (Fritz Steinbacher, rechts) eine mehrtägige Haftstrafe antreten muss (in der Mitte: Daegyun Jeong als Dr. Falke). Unklar bleibt auch, was das "Bäumchen-wechsle-dich"-Spiel in den Badehauskabinen soll, das während der Ouvertüre auf der Bühne gezeigt und von Falke mit einer gewissen Genugtuung beobachtet wird. Will Horstkotte hier bereits die Unmoral der Gesellschaft vorwegnehmen, die später zum Inhalt des Stückes wird? Dass das ganze nett anzusehen ist und gut unterhält, liegt weniger an der eigentlichen Handlung, die hier gezeigt wird, als vielmehr an dem intensiven Spiel der Darstellerinnen und Darsteller und den wunderschönen Kostümen, für die ebenfalls Horstkotte verantwortlich zeichnet und die die Badehauskultur des 19. Jahrhunderts pittoresk aufgreifen. Auch Alfred taucht in diesem Spiel bereits auf und verschwindet in einem der Räume. Wenn am Ende der Ouvertüre dann die Wand vor den Räumen in den Schnürboden emporgezogen wird, sitzt er in einer der Badewannen und stimmt sein Liebeslied für Rosalinde an. Nachdem ihm Adele klargemacht hat, dass ihre Herrin nicht zu sprechen ist, verschwinden die Badewannen im Bühnenboden und geben den Blick auf das Haus der Eisensteins frei, das in drei Bereiche eingeteilt ist. Auf der linken Seite befindet sich eine Art Salon, in dem auch soupiert wird. Im Hintergrund hängt ein riesiges Gemälde, das an ein berühmtes Porträt der Kaiserin Elisabeth angelehnt ist. Dieses Bild lässt sich drehen und zeigt, warum auch immer, Sissi in der gleichen Pose ohne Kleid. In der Mitte befindet sich eine Art Flur und auf der rechten Seite das Badezimmer, in dem die Badewanne aus der Ouvertüre wieder aufgegriffen wird. Hier badet zunächst Rosalinde, während sie den Liebesschwüren Alfreds lauscht. Rosalinde (Tanja Christine Kuhn) möchte sich lieber mit dem Gesangslehrer Alfred (Sungho Kim) vergnügen. Sieht man von der üppigen Oberweite ab, die Rosalinde beim Anlegen ihres Kleides durch das ausstaffierte Kostüm gewinnt, ist der nun folgende erste Akt relativ klassisch gehalten und besticht durch Opulenz in den Kostümen und großartige Spielfreude bei den Darstellerinnen und Darstellern. Dass Alfred im Nachtrock Eisensteins aus dem Badezimmer und nicht aus dem Schlafzimmer geholt wird, stört nicht weiter. Auch der Ball beim Prinzen Orlofsky im zweiten Akt beginnt relativ klassisch. Eine beeindruckende Projektion deutet einen riesigen Saal an, in dem äußerst üppig gefeiert werden kann. Die Zeichnung des Prinzen irritiert dann allerdings. Horstkotte äußert im Programmheft, dass er ja noch sehr jung sei. Dass er ihn dann als kugelrundes Kind mit blonder Frisur, die ein wenig an den kleinen Lord erinnert, auf die Bühne schieben lässt, wirkt dann aber doch übertrieben. Auch Johanna Schoppa, die in Dortmund eigentlich immer ein unverzichtbares Zugpferd in der Operette darstellt, kann als eingefügte Figur Ivana nicht ihr übliches Potenzial entfalten, weil die Rolle einfach nichts hergibt. Ist sie die Erzieherin des Prinzen oder der Erzieher, weil sie mit einem langen Bart ausgestattet ist? Für ihre überbordende Bühnenpräsenz kann Horstkotte in dieser Inszenierung einfach keinen Raum schaffen. Auch der androgyne Charakter des Prinzen geht in der Personenregie verloren, zumal David DQ Lees Countertenor für die Partie viel zu scharf klingt und die Laszivität des gelangweilten Prinzen nicht in gleichem Maß zu transportieren vermag, wie man es sonst von einer Mezzosopranistin als Hosenrolle gewöhnt ist. Eisenstein (Fritz Steinbacher) erkennt seine als ungarische Fürstin getarnte Frau Rosalinde (Tanja Christine Kuhn) auf dem Ball nicht. Völlig verrückt wird es dann, wenn sich der Ballsaal in eine riesige Badewanne verwandelt, in die aus einem riesigen Wasserhahn eine Flüssigkeit - soll das der Champagner sein? - läuft. Gute Unterhaltung bietet hingegen das achtköpfige Tanzensemble, das die Party-Gäste mit der Schnellpolka "Éljen a Magyar!" von Strauss unterhält. Die Damen treten dabei als Mäuse mit weißen Ohren und weißen Kostümen auf, die von den Herren als Katzen "gejagt" werden. Im Laufe des Tanzes werden die Kostüme auch immer freizügiger, was die Zügellosigkeit des Festes beschreibt. Ob die über der Brust der Tänzer aufgemalte schwarze Fledermaus wieder einen Bezug zur eigentlichen Geschichte darstellen soll, kann nur gemutmaßt werden. Nach einem trunkenen "Dui-Du" wird dann der Stöpsel aus der riesigen Badewanne gezogen und Eisenstein verlässt das Fest, um seine Arreststrafe anzutreten, durch den Abfluss. Steffen Schortie Scheumann als Gefängnisaufseher Frosch Dieser wird dann auch im dritten Akt aufgegriffen. Das Gefängnis scheint sich unter der Badewanne zu befinden und zeigt die Rohre und den Abfluss. Als Tür fungiert ein Rohr auf der linken Bühnenseite, durch das die Figuren wie auf einer Rutsche in den Vorraum zu den Zellen hineingleiten. Man fragt sich eigentlich, wie man diesen Raum wieder verlassen soll, aber das muss im dritten Akt ja keiner mehr. Steffen Schortie Scheumann ist für die Operette in Dortmund mittlerweile ein nahezu unverzichtbarer Gast für die komischen Buffo-Rollen geworden, und so ist es klar, dass er als Gefängnisaufseher Frosch besetzt ist. Auch wenn er in manchen Wortverdrehungen vielleicht ein wenig übertreibt, besticht er durch seine ihm ganz eigene Komik und durch treffenden Wortwitz. Schmunzeln lässt auch die grüne Mütze, die er seinem Namen entsprechend trägt. Am Ende verschwindet auch die Gefängniszelle im Bühnenboden, und der Blick wird wieder freigelegt auf die riesige Badewanne. Nun sieht man auf einer Leinwand die Projektion einer Champagnerflasche, in die zahlreiche Utensilien, die einen Bezug zum Stück haben, geworfen werden und anschließend über einem Ausguss ausgeschüttet werden. Einen tieferen Sinn macht das eigentlich nicht. Einem Großteil des Publikums scheint der szenische Ansatz aber großen Spaß zu machen. So gibt es auch beim Regie-Team Jubel, der nur von wenigen Unmutsbekundungen beeinträchtigt wird. Einhellig ist der Applaus beim Ensemble und dem Orchester. Motonori Kobayashi führt die Dortmunder Philharmoniker mit sicherer Hand durch Strauss' spritzige Musik und lässt aus dem Graben im wahrsten Sinne des Wortes "die Korken knallen". Fritz Steinbacher ist nicht nur wegen seines absolut natürlich wirkenden Dialektes eine Idealbesetzung für Gabriel von Eisenstein. Darstellerisch überzeugt er mit großem Spielwitz und gestaltet die Partie stimmlich mit hellem Tenor. Sungho Kim punktet als "Tenor" Alfred mit strahlenden Höhen und baut in seine Gesangsszenen auch Auszüge aus anderen Stücken ein, in denen er derzeit an der Oper Dortmund zu erleben ist. Tanja Christine Kuhn gibt die Rosalinde mit hellem Sopran und macht glaubhaft, dass sie Alfreds Gesang nicht widerstehen kann. Ihrem Gatten gegenüber gebärdet sie sich wunderbar zickig und begeistert als geheimnisvolle ungarische Gräfin auf dem Fest des Prinzen. Sooyeon Lee wird zwar vom Intendanten Heribert Germeshausen vor der Vorstellung als leicht indisponiert angesagt, lässt sich aber als Stubenmädchen Adele davon nichts anmerken. So begeistert sie durch glasklare Höhen und kokettes Spiel. Der Gefängnisdirektor Frank ist eine Paraderolle für Ks. Morgan Moody, der hierbei erneut seine großartige Komik unter Beweis stellen kann. Im Zusammenspiel mit Steinbacher werfen sich die beiden Vollblutkomödianten wunderbar die Bälle zu. Daegyun Jeong punktet als Drahtzieher Dr. Falke, der die ganze Geschichte inszeniert, mit kraftvollem Bariton. Auch der von Fabio Mancini einstudierte Opernchor begeistert durch große Spielfreude und homogenen Klang. FAZIT Das Ensemble begeistert zwar durch große Spielfreude, aber die Inszenierung kann insgesamt nur bedingt zünden.
Ihre Meinung
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Inszenierung und Kostüme
Bühne
Choreographie
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Dortmunder Philharmoniker Opernchor Theater Dortmund Statisterie Theater Dortmund
Solistinnen und Solisten *Premierenbesetzung
Gabriel von Eisenstein Rosalinde, seine Frau Adele, Stubenmädchen bei Eisensteins Ida, ihre Schwester Prinz Orlofsky Alfred Dr. Falke Frank, Gefängnisdirektor Frosch, Gefängnisaufseher Dr. Blind, Notar Ivana Tanzensemble
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