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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
in drei Aufzügen und einem Vorspiel
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 6 h (zwei Pausen)

Premiere  der Übernahme im Opernhaus Dortmund am 18. Mai 2025
(Premiere der Produktion an der Staatsoper Stuttgart: 12. März 2000)




Theater Dortmund
(Homepage)
Abschluss mit einer alten Übernahme

Von Claudia Stockmann / Fotos: © Thomas M. Jauk

Nach vier Jahren ist es vollbracht. Der Ring in Dortmund ist komplett geschmiedet, und immerhin endet er in Dortmund mit dem Teil, den man zum Abschluss erwartet: Götterdämmerung. Ansonsten hat man in Dortmund die Reihenfolge ein bisschen durcheinander gewirbelt. So kam der Vorabend Das Rheingold erst als dritte Produktion heraus, während den Anfang Die Walküre im Mai 2022 markierte. Ziel sei es gewesen, die vier Einzelstücke vom "Zwang des roten Fadens" zu befreien und zu zeigen, dass jeder Teil auch die Kriterien für einen unabhängigen Opernabend erfülle. Ob man die Teile dafür untereinander vertauschen muss, ist diskutabel. Zumindest bleibt die Regie des kompletten Zyklus in der Hand eines Mannes, Peter Konwitschny. Das hat man an anderen Häusern schon anders erlebt, da dort für jeden Teil das komplette Regie-Team ausgetauscht worden ist. In Dortmund war nur die Auflage, dass Konwitschny jeden Teil "neu denke". Ob man bei der Götterdämmerung von "neu" sprechen kann, ist allerdings fraglich, da es sich um eine Übernahme-Produktion der Staatsoper Stuttgart aus dem Jahr 2000 handelt. Damals waren alle vier Ring-Teile von unterschiedlichen Regie-Teams inszeniert worden, und Konwitschny zeichnete mit dem mittlerweile verstorbenen Kostüm- und Bühnenbildner Bert Neumann eben für den letzten Teil verantwortlich. Da Konwitschny eigentlich jedes Stück nur einmal inszenieren möchte, ist es nun konsequent, diese Produktion in den Dortmunder Ring zu integrieren.

Das bringt allerdings zumindest in der Eröffnungsszene einige Probleme mit sich. In Stuttgart wurde nämlich nicht mit einem Vorhang gearbeitet. Als verbindendes Element hatte man in Dortmund aber bisher vor jedem Teil eine Baumkrone in sattem Grün, die vor einem roten Vorhang hängt und, bevor das jeweilige musikalische Vorspiel beginnt, heftig zu wackeln anfängt, bis sie schließlich zu Boden stürzt. Damit soll der Eingriff in die Natur mit der Verletzung der Weltesche durch Wotan angedeutet werden, was das ganze Drama letztendlich in Gang setzt und wie ein Menetekel über dem Untergang am Ende steht. Für die Götterdämmerung muss diese Szene nun ins Foyer des Opernhauses verlegt werden. Auf einer kleinen Bühne, auf der die Einführungsvorträge gehalten werden, sieht man nun diesen roten Vorhang mit der Baumkrone, die dann mehrere Male zu Boden fällt, in der Hoffnung, dass auch die vorbeiflanierenden Besucherinnen und Besucher diesen Einfall als Wiedererkennungsmoment wahrnehmen. Beibehalten werden die sechs Harfen, die auch schon in den vorherigen Stücken auf den beiden Seitenbühnen positioniert sind. Während sie bei der Walküre für den Feuerzauber zum Einsatz kommen, beim Siegfried den Moment untermalen, in dem der Held den Felsen mit der schlafenden Walküre erklimmt und im Rheingold den Einzug der Götter in die Burg Walhall markieren, erklingen sie bei der Götterdämmerung bei "Siegfrieds Tod" und natürlich ganz am Schluss, wenn der Rhein den Weltenbrand löscht und eine bessere Zukunft verheißt.

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Brünnhilde (Stéphanie Müther) nimmt Abschied von Siegfried (Daniel Frank), der sich nach neuen Heldentaten sehnt.

Ansonsten ist bei vereinzelten Unmutsbekundungen für das Regie-Team am Ende der Vorstellung nicht auszumachen, ob sie Konwitschnys Konzept im eigentlichen Sinne gelten oder ob langjährige Wagner-Fans, die vielleicht vor 25 Jahren extra nach Stuttgart gefahren sind, um die Produktion dort zu sehen, lediglich enttäuscht sind, dass ihnen zum Abschluss des neuen Dortmunder Rings eine alte Inszenierung präsentiert wird. An sich funktioniert die Regie nämlich besser als manch andere Neudeutung des Stücks. Der Bühnenraum besteht aus einem riesigen hohen drehbaren Holzkasten, der als Bühne auf der Bühne fungiert und mit riesigen schwarzen Plastikplanen abgedeckt ist, die wie ein Vorhang hochgezogen werden können und einen Blick auf einen nahezu leeren Bühnenraum freigeben, der zu Beginn durch ein Prospekt in zwei Bereiche geteilt ist. Auf der einen Seite sieht man Brünnhildes und Siegfrieds Heim mit einem pittoresken Landschaftsbild im Hintergrund. Sogar kleine Papierflammen züngeln vorne aus dem Bühnenboden, um anzudeuten, dass der Felsen, auf dem die beiden in trauter Zweisamkeit leben, immer noch vom Feuer umringt ist. Dass Siegfried im Fellkostüm auftritt und mit einem ausladenden Walkürenhelm und Brustpanzer hinaus in die Welt zieht, spielt ironisch mit den Vorstellungen einer Inszenierung zur Zeit der Uraufführung und wird von einem Steckenpferd als Grane gebrochen.

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Siegfried (Daniel Frank) bei den Rheintöchtern (von links: Ruth Katharina Peeck (Flosshilde), Tanja Christina Kuhn (Wellgunde) und Sooyeon Lee (Woglinde))

Die drei Nornen sitzen im Vorspiel vor diesem riesigen Kasten und erinnern in den Kostümen an Menschen, die mit Plastiktüten auf der Straße leben. Das Seil des Schicksals stammt von einem weißen Pullover mit einem losen Faden, der im Verlauf ihrer Schilderung immer mehr aufgezogen wird. Er reißt allerdings nicht, als er um ein Stück Pappe gewickelt wird, auf den ein Baum aufgezeichnet ist. Stattdessen taucht er im dritten Aufzug bei den Rheintöchtern wieder auf, die sich zunächst mit einem Bären vergnügen und schließlich bei der Verkündung von Siegfrieds Tod mit den Kopfbedeckungen der Nornen und dem Rest des weißen Pullovers und dem Faden auftreten. Allerdings übernimmt nur eine der drei Nornen aus dem Vorspiel, Tanja Christina Kuhn, im dritten Aufzug die Partie einer Rheintochter. Ansonsten sind die Partien anders besetzt. Warum Siegfried bei seiner Rheinfahrt durch den verschlossenen Kasten bereits den Rheintöchtern begegnet, die hier von drei Statistinnen dargestellt werden, und er ihnen, wie man durch kleine Fenster in der schwarzen Plane sieht, sehr vertraulich nahe kommt, erschließt sich nicht. Soll damit angedeutet werden, dass er es mit der Treue schon auf seinem Weg zu den Gibichungen mit der Treue nicht so genau nimmt?

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Siegfrieds (Daniel Frank, vorne) Ankunft bei den Gibichungen (hinten von links: Hagen (Ks. Samuel Youn), Gutrune (Barbara Senator) und Gunther (Joachim Goltz))

Die Gibichungenhalle befindet sich dann auf der anderen Seite des Walkürefelsens im Kasten und ist eher karg ausgestattet. Dafür treten Gunther und Hagen in feinen schwarzen Anzügen auf, und Gutrune legt, als sie Siegfried bezirzen soll, ein glitzerndes goldenes Kleid mit einem langen Schlitz an. Siegfried lässt sich dann auch schnell vereinnahmen und assimiliert sich optisch, so dass er Brünnhilde am Ende des ersten Aufzugs ebenfalls geschniegelt im schwarzen Anzug entgegentritt und man sich vorstellen kann, dass sie ihn wirklich nicht erkennt. Was die eigentliche Tarnkappe darstellen soll, wird nicht ganz deutlich, da Siegfried sie wie eine Art kleines silbernes Feuerzeug immer nur für einen kurzen Moment aus der Hosentasche zieht. Umso beeindruckender ist der Auftritt Waltrautes, die im großartigen Walküren-Outfit aus dem Schnürboden herabgelassen wird.

Eindrucksvoll gelingt auch die Szene zwischen Hagen und seinem Vater Alberich zu Beginn des zweiten Aufzugs. Ks. Morgan Moody schleicht in weißem Gewand mit langen Fingern wie Nosferatu über die Bühne und versucht, seinen Sohn zu manipulieren. Stimmlich legt er die Partie recht diabolisch an, auch wenn sein Bariton für die Rolle eigentlich zu hell klingt und man sie eher von einem Bass gewohnt ist. Ks. Samuel Youn wirkt da stimmlich als sein Sohn Hagen mit profunden Tiefen wesentlich gefährlicher. So geht Alberich am Ende der Szene auch nicht ab, sondern wird von seinem Sohn mit einem weißen Tuch zugedeckt und versinkt im Bühnenboden. Wenn Hagen nach Siegfrieds Rückkehr seine Mannen zusammenruft, erschließt sich die Personenregie nicht, da Hagen wie ein Wahnsinniger über die Bühne rennt, sich dabei das Hemd aufreißt, dass die Knöpfe quer über die Bühne fliegen und sich schließlich unter der Treppe versteckt. Bei so viel ungesteuerter Emotion lässt sich kaum nachvollziehen, dass Hagen eigentlich eiskalt berechnend ist. Dass Gutrune aus Siegfried einen regelrechten Hausmann gemacht hat, der Brünnhilde mit weißer Schürze am Arm Gutrunes entgegentritt, ist diskutabel. Das Terzett zwischen Gunther, Hagen und Brünnhilde im Anschluss kann allerdings als ein szenischer und musikalischer Höhepunkt betrachtet werden.

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Brünnhilde (Stéphanie Müther) reitet mit Grane ins Feuer.

Feuerrot ist im dritten Aufzug dann nur Brünnhildes Kleid. Ansonsten sieht man nichts von dem Weltenbrand, sondern liest die Regieanweisungen nur auf einer riesigen Leinwand, die vor der Bühne herabgelassen wird. Zuvor hat Brünnhilde bei ihrem Schlussgesang auf der Bühne erst einmal für Ordnung gesorgt. Den Chor, Gutrune und Hagen hat sie vertrieben. Gunther und Siegfried "erweckt" sie von den Toten, damit auch sie die Bühne verlassen können und steht mit dem Steckenpferd schließlich ganz allein auf der leeren Bühne, bevor sie selbst auch ins nicht vorhandene Feuer reitet. Die Musik spricht dabei aber für sich selbst, so dass die Bilder allein vor dem geistigen Auge entstehen. Einen riesigen Verdienst daran hat natürlich der scheidende Generalmusikdirektor Gabriel Feltz mit den wunderbar aufgelegten Dortmunder Philharmonikern, die nur beim Rhein im dritten Aufzug zu Beginn ein bisschen unsauber intonieren. Ansonsten lotet Feltz mit dem Orchester die einzelnen Motive detailliert aus und lässt sich regelrecht in die emotional aufgeladene Partitur hineinfallen, so dass er am Ende mit riesigem Jubel bedacht wird.

Frenetisch gefeiert werden auch die Solistinnen und Solisten, allen voran Stéphanie Müther als Brünnhilde. Müther punktet mit kraftvollem, dramatischem Sopran, der auch in den Höhen über eine enorme Textverständlichkeit verfügt. Auch darstellerisch glänzt sie in der Rolle der ehemaligen Walküre, die sich von einer liebenden Frau zu einer regelrechten Furie entwickelt, wenn sie erkennt, dass Siegfried sie betrogen hat. Im Terzett mit Gunther und Hagen nimmt man ihr die tiefe Verletzung ab, die sie dazu bringt, Siegfrieds Schwachstelle zu verraten. Umso geläuterter zeigt sie sich am Ende, wenn sie den Rheintöchtern den Ring zurückgibt und somit einen Neuanfang ermöglicht. "Starke Scheite schichtet mir dort" ist ein weiterer musikalischer Höhepunkt des Abends. Daniel Frank stattet den Siegfried mit kraftvollem Heldentenor aus. Man nimmt ihm den Naturburschen Siegfried im Fellkostüm genauso ab wie den im schwarzen Anzug zivilisierten Mann. Bewegend gestaltet er Siegfrieds Sterbeszene, wenn er seinen Fehler erkennt. Auch in den Erzählungen des Waldvogels verfügt Frank noch über enorme stimmliche Reserven. Ks. Samuel Youn begeistert als Hagen mit schwarzen Tiefen, die seinen Charakter passend beschreiben.

Joachim Goltz legt den Gunther wesentlich milder an und punktet durch intensive Darstellung, vor allem im dritten Aufzug. Barbara Senator verfügt als Gutrune über einen weichen Sopran, der sehr verführerisch klingt. Anna Lapkovskaja stattet die kleine Partie der Waltraute mit sattem Mezzosopran aus und lässt die Erzählung der Walküre zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt avancieren. Sooyeon Lee, Tanja Christine Kuhn und Ruth Katharina Peeck überzeugen als Rheintöchter mit kraftvollem Gesang, der in der Abstimmung zu Beginn noch etwas homogener sein könnte. Rita Kapfhammer, Anna Lapkovskaja und Tanja Christine Kuhn machen mit homogenem Klang auch die Nornenszene zu Beginn des Abends zu einem musikalischen Erlebnis. Der von Fabio Mancini einstudierte und um den Projekt-Extrachor erweiterte Opernchor überzeugt durch intensives Spiel und homogenen Klang. So gibt es für alle Beteiligten frenetischen und verdienten Jubel. Nur beim Regie-Team mischen sich einzelne Unmutsbekundungen unter den Jubel.

FAZIT

Alles in allem kommt der Ring in Dortmund nach vier Jahren zu einem gelungenen Abschluss, auch wenn die "neue" Götterdämmerung eigentlich schon 25 Jahre alt ist.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Regie
Peter Konwitschny

Szenische Einstudierung
Sylvia Freitag

Bühne und Kostüme
Bert Neumann †

Licht
Florian Franzen

Choreinstudierung
Fabio Mancini

Dramaturgie
Werner Hintze
Juliane Votteler
Nikita Dubov

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor Theater Dortmund
und Projekt-Extrachor

Statisterie Theater Dortmund

 

Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Siegfried
Daniel Frank

Gunther
Joachim Goltz

Alberich
Ks. Morgan Moody

Hagen
Ks. Samuel Youn

Brünnhilde
Stéphanie Müther

Gutrune
Barbara Senator

Waltraute
Anna Lapkovskaja

Woglinde
Sooyeon Lee

Wellgunde
Tanja Christine Kuhn

Flosshilde
Ruth Katharina Peeck

Erste Norne
Rita Kapfhammer

Zweite Norne
Anna Lapkovskaja

Dritte Norne
Tanja Christine Kuhn

Ein Bär
*David Litzenberg /
Leander Overthun

 


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