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La traviata

Oper in drei Akten
Libretto von Francesco Maria Piave
nach La Dame aux camélias von Alexandre Dumas d. J.
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 15. September 2024




Theater Dortmund
(Homepage)
Tod auf dem Klavier

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas M. Jauk

Große Politprominenz ist zur Eröffnung der Spielzeit 2024/2025 in die Oper Dortmund gekommen. Neben dem Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal, der die Qualität des Hauses lobte und hoffte, dass auf die erneute Nominierung der Oper Dortmund bei den Opera Awards ein weiterer Preis im Oktober folgen werde, ist auch Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft nach Dortmund gereist, um dem Intendanten Heribert Germeshausen zu einer vielversprechenden Spielzeit zu gratulieren, die sie im weiteren Verlauf der Saison hoffentlich noch einige Male in die Stadt führen werde. Bei so viel Lobesworten muss natürlich auch etwas Besonderes auf dem Programm stehen. Die Wahl ist in diesem Jahr auf Verdis La traviata gefallen. Mit Rigoletto und Il trovatore zählt dieses Werk zu der sogenannten "Trilogia popolare" und wurde 2010 vom Deutschen Fernsehen zur "beliebtesten Oper aller Zeiten" gekürt. Dabei handelt es sich um die einzige Oper Verdis, die zur Zeit der Entstehung spielt und vielleicht aufgrund der Nähe zum eigenen Leben des Publikums bei der Uraufführung am 6. März 1853 am Teatro La Fenice zunächst ein Reinfall wurde. Erst mit der zweiten Produktion im Teatro San Benedetto im Mai 1854 konnte das Werk den triumphalen Erfolg verbuchen, der bis heute anhält und die Partie der Kurtisane Violetta Valéry zur Paraderolle für zahlreiche große Sängertragödinnen von Rosa Ponselle über Maria Callas bis hin zu Anna Netrebko gemacht hat.

Für die Dortmunder Produktion verfügt man mit zwei Ensemble-Mitgliedern und einem Gast gleich über drei Sängerinnen für die Titelpartie. Die Premiere übernimmt Anna Sohn, die bereits in der vergangenen Spielzeit in der Eröffnungspremiere als Mimì in Puccinis La bohème begeistert hat. Obwohl man auch die Partie des Alfredo mit Sungho Kim aus dem Ensemble hochkarätig besetzen kann, hat man zumindest für die Premiere Andrea Carè als Gast verpflichtet. Die dritte große Partie der Oper, Alfredos Vater Giorgio Germont, ist mit Ensemble-Mitglied Mandla Mndebele besetzt. Für die musikalische Leitung hat man Verdi-Spezialist Will Humburg verpflichtet, der mit den Dortmunder Philharmonikern aus dem Orchestergraben jede einzelne musikalische Phrase detailliert aufschlüsselt und das Publikum tief in die Emotionen der Titelfigur eintauchen lässt. Manches klingt dabei fast neu und ungewohnt und lässt die doch sehr bekannte Oper in einem neuen Licht erscheinen. Besonders deutlich macht Humburg das in der Modulation der Lautstärke. So zart und zerbrechlich hat man die ersten Töne der Ouvertüre selten gehört. Bereits hier hat man das tragische Ende der Geschichte vor dem imaginären Auge und weiß, dass, egal wie beschwingt und leichtfüßig die Musik auf dem Ball daherkommt, die ganze Geschichte für Violetta kein gutes Ende nehmen kann.

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Alfredo (Andrea Carè) verliebt sich in Violetta (Anna Sohn).

Für die Inszenierung hat man Vincent Boussard verpflichtet, der gleichzeitig auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet. Das dunkelrote Kleid, das Violetta im ersten Akt beim rauschenden Fest trägt, deutet eine gewisse Opulenz an, die von dem abstrakten Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann jedoch sofort wieder negiert wird. So wird auf eine luxuriöse Ausstattung auf dem Fest verzichtet. Eine konvexe Rückwand lässt dem Chor, der in schwarzen Anzügen mit Zylinder und weißer Blume am Revers auftritt, die wohl eine Kamelie darstellt, kaum Bewegungsspielraum auf dem Ball. Auf die Rückwand projizierte blasse Rosen in voller Blüte suggerieren eine Lebensfreude, die durch die gefallenen Rosenblätter auf dem Boden direkt widerlegt wird. Die Kamelie, die Violetta Alfredo nach ihrem ersten Treffen mit der Bitte überreicht, zu ihr zurückzukommen, wenn sie verblüht ist, besteht lediglich aus verblühten Blättern. So scheint sie ihm mitteilen zu wollen, dass er sie gar nicht erst verlassen soll. Dennoch lässt Boussard die beiden im ersten Akt ein wenig unbeholfen über die Bühne laufen. Nachdem Violetta zunächst nach dem "Brindisi" in seine Arme gesunken ist, gehen sie sich in Violettas großer Szene "È strano" gewissermaßen aus dem Weg. Violetta verlässt sogar mitten in der Szene kurz vor dem "Sempre libera" die Bühne, um auf der anderen Seite wieder aufzutreten, während sich Alfredo suchend umblickt.

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Giorgio Germont (Mandla Mndebele) verlangt von Violetta (Anna Sohn), auf seinen Sohn zu verzichten.

Für den zweiten Akt ist die Bühnenwand dann gedreht und zeigt einen riesigen konkaven Raum, in dem sich die Figuren gewissermaßen verlieren. Ein großer schwarzer Flügel dominiert die Szene. Laut Programmheft soll dies eine Anspielung auf ein Geschenk sein, dass Franz Liszt einst seiner Geliebten Marie Duplessis, der Vorlage für Verdis Violetta, gemacht haben soll, als er sie verließ. Auch ohne dieses Wissen kann man den Flügel aber auch als einen Gegenstand deuten, an dem Violetta festhält, während ihre sonstigen finanziellen Mittel allmählich dem gemeinsamen Leben mit Alfredo geopfert werden müssen. Unklar bleibt ein schwarzes Element im Hintergrund, das mit einer großen roten Blume verziert ist. Als die Liebe zwischen Violetta und Alfredo zerbricht, wird hinter dieser schwarzen Fläche, die wie eine Tapete abgerissen wird, ein Bild von Violetta sichtbar. Für den zweiten Teil des zweiten Aktes verwandelt sich der Raum dann wieder in den Festsaal, wobei die Rückwand leicht angehoben wird.

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Violetta (Anna Sohn) allein auf dem Flügel

Hier fügt Boussard die Tänzerin Lola Montez ein, eine irische Tänzerin aus dem 19. Jahrhundert, die als Geliebte des Königs Ludwig I. von Bayern 1847 in den Adelsstand erhoben wurde. In einem ausladenden blauen Kleid mit Goldverzierungen thront sie auf dem Klavier und wird von der Gesellschaft umjubelt, wie einst Violetta gefeiert wurde. Soll damit die Austauschbarkeit der Frauen hervorgehoben werden? Am Ende wird sie genauso scheitern wie Violetta, die sich dann im dritten Akt auf den Flügel begibt, nun aber nicht, um gefeiert und bejubelt zu werden, sondern um zu sterben. Boussard lässt in dieser Szene Alfredo, seinen Vater und den Doktor die ganze Zeit an ihrem allmählichen Verfall teilhaben. Handelt es sich um einen Traum Violettas, der sie glauben lässt, dass Alfredo und sein Vater die ganze Zeit bei ihr sind? Jedenfalls lässt Boussard kurz vor Ende die beiden nicht wirklich zueinander finden. Alfredo trägt Violetta zwar kurzzeitig auf seinen Armen, überlässt sie dann aber wieder dem Flügel. Das schwarze Kleid, das Violetta im zweiten Akt auf dem Ball getragen hat, bedeckt sie über ihrem farblosen Kostüm nur noch mäßig und fällt schließlich so von ihr ab wie ihr ganzes Leben. Wenn sie stirbt, tritt sie aus dem Bühnenbild heraus und lässt die anderen hinter sich zurück.

Musiziert wird nicht nur vom Orchester unter der Leitung von Will Humburg auf hohem Niveau. Anna Sohn kann als Idealbesetzung für die Titelpartie bezeichnet werden. Mit strahlenden Höhen gestaltet sie die Titelpartie und stimmt voller Lebensfreude in das berühmte Trinklied ein, das Alfredo angestimmt hat, um dann aber schnell mit ersten Schwächeanfällen anzudeuten, dass Violetta in keinem allzu guten Gesundheitszustand ist. Bewegend gestaltet sie die kurze Szene mit Alfredo, bevor sie mit großem Ausdruck zum berühmten "È strano" ansetzt und beim anschließenden "Sempre libera" die Koloraturen nur so sprudeln lässt. Unter die Haut geht ihre Szene mit Alfredos Vater Giorgio Germont, in der sie schließlich ihr eigenes Glück opfert. Gleiches gilt für ihre große Schlussarie "Addio, del passato", in der sie das nahende Ende nicht mehr leugnen kann. Andrea Carè verfügt als Alfredo über eine kraftvolle Mittellage, muss in den Höhen aber bisweilen ein wenig pressen, vor allem in der Arie im ersten Akt. Wenn er im zweiten Akt sein Glück mit Violetta auf dem Landgut besingt, wirkt sein Tenor geschmeidiger und höhensicher. Mandla Mndebele begeistert als Alfredos Vater Giorgio Germont mit profundem Bariton und unterstreicht darstellerisch die Härte und den patriarchalischen Charakter der Figur.

In den kleineren Partien sind Ruth Katharina Peeck als Annina mit warmem Mezzosopran, Denis Velev als Dottore Grenvil mit dunklem Bass und Artyom Wasnetsov als Violettas Verehrer Barone Douphol mit kraftvollen Tiefen hervorzuheben. Auch der von Fabio Mancini einstudierte Chor begeistert durch große Spielfreude und homogenen Klang. So gibt es für alle Beteiligten großen Jubel und stehende Ovationen.

FAZIT

Die Oper Dortmund bietet Verdis "Klassiker" auf hohem musikalischem Niveau mit einer modernen Inszenierung, die dem Stück treu bleibt. Es dürfte auch spannend sein, die anderen Besetzungen dieser Produktion zu erleben.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Will Humburg /
Andrea Alessandrini

Inszenierung und Kostüme
Vincent Boussard

Bühne
Frank Philipp Schlößmann

Mitarbeit Kostüme
Robert Schwaighofer

Licht
Kevin Schröter

Videodesign
Nicolas Hurtevent

Choreinstudierung
Fabio Mancini

Dramaturgie
Daniel C. Schindler

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor Theater Dortmund

 

Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Violetta Valéry
*Anna Sohn /
Sooyeon Lee /
Jessica Nuccio

Alfredo Germont
*Andrea Carè /
Sungho Kim

Giorgio Germont, Alfredos Vater
Mandla Mndebele

Gastone
*Yoonkwang Immanuel Kang /
Yongyoung Kim

Flora Bervoix, Freundin Violettas
*Cassandra Doyle /
Edvina Ustaoglu

Barone Douphol
*Artyom Wasnetsov /
Carl Kaiser

Marchese d'Obigny
Hiroyuki Inoue /
*Thomas Günzler

Dottore Grenvil
*Denis Velev /
Ian Sidden

Annina, Dienerin Violettas
*Ruth Katharina Peeck /
Hitomi Breitzmann

Giuseppe, Diener Violettas
*Sanghoon Shin /
Jeayoun Kim

Ein Diener Floras und ein Kommissionär
*Youngbin Park /
Shinyoung Hwang

Lola Montez, eine Tänzerin
*Sofia Pintzou /
Jelena-Ana Moody

 

 


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