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Die Zauberflöte

Oper in zwei Aufzügen
Libretto von Emanuel Schikaneder
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


in deutscher Sprache (keine Übertitel)

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Theater Detmold am 29. November 2024


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Landestheater Detmold
(Homepage)
Scheiternde Weisheitssuche in Unterhosen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Quast

Tamino mag kein Prinz mehr sein. Zur Ouvertüre legt er seine Offiziersuniform ab und kriecht durch eine winzige Tür in eine Art Paralleluniversum. Den farbenfrohen Hemden und Strickpullundern wie den ausufernden Frisuren (Ausstattung: Pascal Selbicke) nach zu urteilen, befindet sich dieses etwa in der Zeit der 1970er- oder 1980er-Jahre. Fortan wird er in Hemd und Unterhosen durch eine fremde Welt laufen, die er nicht so recht versteht. Türen spielen dabei immer wieder eine Rolle: Dirk Schmeding deutet in seiner Inszenierung der Zauberflöte eine Coming-of-Age-Komödie an, in der die Hauptakteure eine Entwicklung durchleben. Türen sind dabei Sinnbilder für eine neue Entwicklungsstufe. Nur fällt der Regie ausgerechnet zur Feuer- und Wasserprobe, dem laut Libretto lebensgefährlichen Aufnahmeritual in die Welt der Priesterkaste von Sarastro, nichts mehr ein. Die findet zwar, da bleibt die Regie konsequent, hinter einer verschlossenen Türe statt, aber Brandspuren an der Kleidung und hustende Akteure signalisieren, dass es sich wohl tatsächlich um Feuer handelt.

Szenenfoto "Zu Hilfe! sonst bin ich verloren": Tamino und die Schlange

Stephen Chambers spielt diesen nach Weisheit oder zumindest nach einer alternativen Lebensform strebenden Tamino mit einer komischen Mischung aus aristokratischer Würde und Naivität, was mitunter an die englische Komikertruppe Monty Python erinnert, und singt ihn mit kernigem, durchsetzungsfähigem Tenor. Dem Polaroid-Foto von Pamina, das ihm die drei Damen (resolut und klangprächtig: Christin Stanowsky, Lotte Kortenhaus und Deniz Yetim) der geheimnisvollen Königin der Nacht überreichen, verfällt er schnell. Pamina ist ein patentes rothaariges Mädchen im Blümchenkleid, von Karola Sophia Schmid selbstbewusst und charmant verkörpert. Mit ihrem etwas flackerndem Sopran kann sie ein sehr eindrucksvolles, höchst intensives Piano gestalten. Der Papageno, den Jonah Spungin ohne jeden Anflug von Wiener Schmäh spielt und mit recht großem, nicht allzu liedhaftem Bariton singt, ist mit Vogelkot und darin festgeklebten Federn bedeckt - eine ziemlich unromantische Variante des Vogelfängers. Die Komik der Figur spielt er aber auch jenseits der üblichen Klischees überzeugend aus. Die Königin der Nacht präsentiert sich als eine mit Perlenkette behangene ältere Dame mit Krückstock und dunkler Sonnenbrille. Julia Gromball sorgt mit gläsernem Ton und der nötigen Attacke und Virtuosität für die berühmt-berüchtigten Spitzentöne für Beifallsstürme.

Szenenfoto

"Zum Leiden bin ich auserkoren": Die Königin der Nacht; rechts Tamino, im Hintergrund die drei Damen

Es geht also wenig märchenhaft zu in der unpathetischen Inszenierung von Dirk Schmeding. Die Königin der Nacht wird von einem großen Mond begleitet, den später Sarastros Sprecher (stimmlich souverän: Andreas Jören), in einen Bademantel gehüllt, mit einem Teleskop betrachtet. Dieser Sarastro ist der despotische Chef eines Forschungslabors, das mit einem Baugerüst leider optisch nicht allzu viel hergibt. Sobald er bedeutungsvoll den Kugelschreiber hebt, gehen vorsichtshalber alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deckung. Alle heben brav die Hand, wenn er um Zustimmung für die Aufnahme Taminos bittet - mit diesem Chef verscherzt man es sich besser nicht. Die Prüfungen, denen sich Pamina und Tamino unterziehen müssen, sind offenbar eine soziologische Studie. Der Druck von oben entlädt sich in diesem System an den vermeintlich Schwächsten, und das ist hier Papageno als Proband wider Willen. Der wird von den Mitarbeitern des Labors in ein Huhnkostüm gesteckt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Ambivalenz der Figuren, die nicht eindeutig gut oder böse sind, ist eine Stärke der Inszenierung.

Szenenfoto "Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht": Papageno und Pamina

Wenn die drei Knaben (mit jungenhaften, leuchtenden Stimmen: Meta Hildebrandt, Viktoriia Shipunova und Ge Fang) in ihrem ersten Auftritt Tamino zur Hilfe eilen, sind sie genauso wie er gekleidet - es sind die inneren Stimmen, die ihn zur Einsicht bringen. Das wird in den weiteren Auftritten, bei denen sie Pamina und Papageno in deren Kostümen von Suizidgedanken abbringen, entsprechend sein. Das ist eine interessante Beobachtung, wirkt aber auf der Bühne ein wenig bemüht. Monostatos wird im Trenchcoat, unter dem er lediglich Unterwäsche und Strümpfe trägt, dargestellt als ein Vertreter des Typus' "weißer Mann mit perversen sexuellen Neigungen". Ein unangenehmer Speichellecker, den Sarastro alsbald fallen lässt. Nicht nur in seiner Partie ist der Text hier und da verändert - rassistische, altersdiskriminierende und frauenfeindliche Textstellen sind getilgt. Die böse Pointe der Inszenierung: Mit Bestehen der Prüfungen wird das hohe Paar, inzwischen geschäftsmäßig korrekt eingekleidet, auf Sockel gestellt - und vorsichtshalber einbetoniert. Nicht, dass die beiden noch weglaufen! Taminos Suche nach einem besseren Leben ist damit gescheitert.

Szenenfoto

"Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht": Vorn Sarastro; hinten, zu Denkmälern erstarrt, Pamina und Tamino

Mit ihrer genauen Personenregie und einem spielfreudigen Ensemble dürfte die Regie durchaus im Sinne Mozarts und dessen Librettisten Schikaneder gestaltet sein. Im Orchestergraben neigt Dirigent Claudio Novati zu flotten Tempi - die eine oder andere Nummer könnte ein wenig mehr Gelassenheit vertragen. Die Phrasierungen sind allerdings sehr genau durchgestaltet und die Balance der Instrumentalstimmen sorgsam ausgelotet. Die Musikerinnen und Musiker des Symphonischen Orchesters des Landestheaters setzen das hervorragend um (stellvertretend sei die ausgezeichnete Solo-Flöte genannt). Auch der sehr differenziert singende Chor (Einstudierung: Francesco Damiani) trägt zu einem, wie man so schön sagt: historisch informierten Klangbild bei.


FAZIT

Die schön musizierte Zauberflöte verzichtet auf alles Märchenhafte, sondern zeigt kurzweilig und insgesamt überzeugend eine leicht schräge Komödie um die Flucht vor gesellschaftlichen Normen. Kann man sich auch mit der ganzen Familie anschauen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Claudio Novati

Inszenierung
Dirk Schmeding

Bühne und Kostüme
Pascal Seibicke

Licht
Udo Groll

Choreinstudierung
Francesco Damiani

Dramaturgie
Katharina Schellenberg



Opernchor des
Landestheaters Detmold

Symphonisches Orchester des
Landestheaters Detmold


Solisten

* Besetzung der Premiere

Sarastro
Ricardo Llamas Márquez /
* Jaime Mondaca Galaz

Tamino
* Stephen Chambers /
Stefan Cifolelli

Sprecher
Andreas Jören

Die Königin der Nacht
Julia Gromball

Pamina
* Karola Sophia Schmid /
Johanna Nylund

Erste Dame
* Christin Stanowsky /
Tatjana Yang

Zweite Dame
* Lotte Kortenhaus /
Franziska Pfalzgraf

Dritte Dame
Irina Meierding /
* Deniz Yetim

Erster Knabe
* Meta Hildebrandt /
Hyunmin Ryu

Zweiter Knabe
Zilin Guo /
* Viktoriia Shipunova

Dritter Knabe
* Ge Fang /
Victoria Maria Zyffert

Papageno
Euichan Jeong /
* Jonah Spungin

Papagena
Marianna Nomikou /
* Laura Zeiger

Monostatos
* Nikos Striezel /
Lifan Yang

Erster Geharnischter
Ji-Woon Kim

Zweiter Geharnischter
* Hojin Chung /
Jaime Mondaca Galaz



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



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