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La fanciulla del West
(Das Mädchen aus dem goldenen Westen)


Oper in drei Akten
Libretto von Guelfo Civinini und Carlo Zangarini
nach dem Schauspiel The Girl of the Golden West von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Detmold am 13. September 2024
(rezensierte Aufführung: 9. November 2024)


Homepage

Landestheater Detmold
(Homepage)
Die Welt braucht mehr Cowgirls

Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Quast

Wenn das Mädchen aus dem goldenen Westen ein Nischendasein als Liebhaber-Stück fristet, dann liegt das (neben dem Fehlen einer wunschkonzerttauglichen Arie) sicher auch am Sujet. Den "wilden Westen", den hat das Kino für sich vereinnahmt. Und die keusche Saloon-Besitzerin Minnie, die sich den ersten Kuss (und was folgt) für den (dadurch prompt geläuterten) Banditen Ramerez aufspart, wirkt im rauen Goldgräbermilieu Kaliforniens einigermaßen deplatziert. Dabei bietet die Oper, die um die typische Dreieckskonstellation "Sopran (Minnie, das Mädchen aus dem Westen) liebt Tenor (also den Banditen Ramerez) und muss eifersüchtigen Bariton (Sheriff Jack Rance) abwehren" konstruiert ist, große Musik. Musikalisch erhält diese ihren Zusammenhang aus den effektvollen Personalthemen. Puccini nimmt da durchaus vieles vorweg, womit Ennio Morricone später im Soundtrack von Spiel' mir das Lied vom Tod zur Ikone der Filmmusik wurde. Und in Detmold scheuen das Orchester des Landestheaters und Chefdirigent Per-Otto Johansson nicht den süffigen, farbreichen Tonfall, der oft an großes Kino erinnert, aber schnell gefangen nimmt.

Szenenfoto Großer Auftritt: Minnie, das Mädchen aus dem goldenen Westen

Ungebrochen will Regisseur Kay Link die, man muss es wohl so sagen: Schmonzette allerdings nicht spielen lassen. So konstruiert er um die Geschichte herum einen desillusionierenden Rahmen in Form eines Wild-West-Museums, in dem die Akteure als Figuren in Dioramen die gängigen Western-Klischees zwischen Karl May, John Wayne und den Lucky-Luke-Comics bedienen, dann aber - immer noch in ihren Kostümen - aus dieser Welt der falschen Illusion heraustreten. Aus Minnies Saloon wird eine Art Kantine, in der die schlecht bezahlten, fast durchweg männlichen Mitarbeiter dieses Museums vom besseren Leben und vielleicht sogar dem Liebesglück bei Minnie hoffen. Mehr und mehr vermischen sich die beiden Ebenen. Etwas anders ist der zweite Akt angelegt, der Minnies Zimmer im schaurig-schönen Stil der 1970er-Jahre zeigt: Ein Albtraum in orange. Damit will Link auf die Zeit der (auch sexuellen) Emanzipation der Frauen anspielen. Ein bisschen viel Konstrukt, das irgendwie funktioniert und das bunte Kostümspektakel rechtfertigt, aber nicht näher berührt.

Szenenfoto

Schicksalhafte Begegnung: Minnie und der (gar nicht so böse) Bandit Ramerez

Weil aber die Geschichte sorgfältig erzählt wird, was beim detailverliebten Puccini ja immer wichtig ist, können die sehr guten Darstellerinnen und Darsteller ihre Figuren klar profilieren. Eleonore Marguerre legt die Minnie als moderne junge Frau in Cowboystiefeln an, der man kein Wort ihres permanenten Lamentierens über fehlende Bildung abnimmt - sie ist ganz sicher nicht das "einfache Mädchen", wie es das bestenfalls mittelprächtige Libretto weismachen möchte, sondern die starke Frau, der Puccini ein großformatiges Motiv auf den Leib komponiert hat, das alles andere beiseite räumt. Die Sängerin stößt mit ihrem durchaus großen, aber auch nicht riesigen, lyrisch geprägten Sopran an ihre stimmlichen Grenzen, aber sie füllt die Rolle mit ihrer Interpretation beeindruckend aus: Für diese Frau geht es um alles.

Szenenfoto Liebe wie in den 1970er-Jahren: Ramerez und Minnie

Dabei hat sie musikalisch starke Widersacher. Ji-Woon Kim singt mit dunkel timbriertem, nicht übermäßig farbreichem, aber kraftvollem und durchsetzungsfähigem Tenor einen beeindruckenden Ramerez (der sich unter falschem Namen Dick Johnson einschleicht und auch so in der Besetzungsliste vermerkt ist). Und in der hier besprochenen Aufführung ist Alik Abdukayumov ein stimmgewaltiger, dabei baritonal eloquenter Sheriff Jack Rance, der mit Minnie um deren Gunst und das Leben des Banditen pokert. Unter den durchweg gut besetzten kleineren Rollen ragt Andreas Jören (im Lucky-Luke-Kostüm) als stimmlich imposanter Goldgräber Sonora heraus. Die klangvoll, aber auch fein abgestuft singenden Herren von Chor und Extrachor (Einstudierung: Francesco Damiani) vervollständigen das beeindruckende Ensemble. Diese Fanciulla kann sich unbedingt hören lassen.

Szenenfoto

Happy End: Minnie und Ramerez werden gleich in eine bessere Zukunft abgehen. Sonora (rechts im Lucky-Luke-Kostüm) schaut entsagungsvoll zu. Einen alternativen bösen Schluss liefert die Regie später nach.

Der ohnehin durchsetzungsfähigen Minnie wird noch die von der Dienerin zur Freundin aufgewertete Wowkle (viel zu singen hat Franziska Pfalzgraf in der kleinen Partie allerdings nicht) zur Seite gestellt - und ein junges Mädchen (Nika Wesch-Potente), das als stille Betrachterin durch die Szenerie streift, als suche sie nach Rollenvorbildern. Damit unterstreicht die Regie die Frauenpower noch einmal. Das junge Mädchen tauscht dann auf der Werbetafel für die Show im Schriftzug "THE WORLD NEEDS MORE COWBOYS" kurzerhand die Buchstaben aus, sodass aus den "COWBOYS" folgerichtig "COWGIRLS" werden. Und dann wird der Westen tatsächlich für einen kurzen Moment golden: Minnie, die Ramerez in letzter Sekunde vor der Lynchjustiz rettet, darf mit ihm im goldgelben Licht nach hinten abgehen, weil Puccini hier tatsächlich ein happy end vorgesehen hat. Die Regie allerdings glaubt nicht daran und bietet zu den letzten Akkorden einen alternativen, realistischeren Schluss mit dem gehängten Verbrecher an.


FAZIT

Eine Inszenierung aus der Rubrik "ganz o.k.": Kay Link sichert sich in seiner Regie mit vielen Brechungen gegen vermeintlichen Kitsch, ein veraltetes Frauenbild und andere Klippen des Librettos ab, was nicht falsch ist, aber auch ein wenig aufgesetzt wirkt. Mit beeindruckenden Sängerdarstellerinnen und -darstellern wird auch so großes Musiktheater daraus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Per-Otto Johansson

Inszenierung
Kay Link

Bühne
Katrin Hieronimus

Kostüme
Jule Dohrn-van Rossum

Licht
Carsten Lenauer

Maske
Katharina Drauschke

Choreinstudierung
Francesco Damiani

Dramaturgie
Bernhard Lenort



Opernchor des
Landestheaters Detmold

Symphonisches Orchester des
Landestheaters Detmold


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Minnie
Eleonore Marguerre

Jack Rance
Jonah Spungin /
* Alik Abdukayumov

Dick Johnson
Ji-Woon Kim

Nick
Stephen Chambers

Ashby
Jaime Mondaca Galaz

Sonora
Andreas Jören

Trin
Nikos Striezel

Sid
Florian Zanger

Bello
* Ognjen Milivojsa/
Andreas Elias Post

Harry
Yutao Gu /
* Felix Schmidt

Joe
Lifan Yang

Happy
Bioh Jang

Larkens
Torsten Lück

Billy Jackrabbit
Hojin Chung

Wowkle
Franziska Pfalzgraf

Jake Wallace
Euichan Jeong

José Castro
Franco Oportus Vergara

Das Mädchen
Lotta Donat/
Lea Seidensticker /
*Nika Wesch-Potente

Kinderbetreuung
Kathrin Fritzen /
Gabriele Dieckelmann /
Anneke van der Velden-Niggemann



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



Da capo al Fine

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