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Beatrice di Tenda

Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

 Übernahme-Premiere der konzertanten Aufführung im Theater Duisburg am 27. Juni 2025
(Premiere der Produktion in der Oper Düsseldorf: 02. Mai 2025)


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Rheinoper
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Schöngesang auf hohem Niveau

Von Thomas Molke / Fotos: © Jochen Quast

Beatrice di Tenda markiert in zweierlei Hinsicht einen Endpunkt in Vincenzo Bellinis Opernschaffen. Zum einen handelt es sich um die letzte Oper, die er für Italien komponierte, bevor er kurz vor seinem frühen Tod 1835 zwei Jahre später in Paris mit I puritani noch einmal einen umjubelten Uraufführungserfolg erzielte. Zum anderen führte das Werk zum Bruch mit dem Textdichter Felice Romani, mit dem Bellini mehrere Jahre äußerst erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Nach der missglückten Uraufführung am 16. März 1833 im Teatro La Fenice in Venedig machten sich die beiden gegenseitig in der Presse auf übelste Weise für den Misserfolg verantwortlich. Bellini warf seinem Textdichter vor, viel zu spät geliefert zu haben, was der Grund dafür gewesen sei, dass die Uraufführung zweimal verschoben werden musste, und deshalb das Publikum zu einem absolut ungebührlichen Verhalten bei der Premiere gebracht habe, unter dem sogar die gefeierte Primadonna der Titelpartie, Giuditta Pasta, zu leiden hatte. Romani wiederum beschuldigte den Komponisten, sich aufgrund seines ausschweifenden Liebeslebens mit drei Frauen nicht genügend auf die Komposition konzentriert und ihm den Stoff viel zu spät aufgenötigt zu haben, so dass er nur ein "fragmentarisches" Libretto habe erstellen können. Trotz des Fiaskos der Uraufführung konnte die Oper in den Folgejahren - vor allem nach Bellinis Tod - bis Mitte der 1840er Jahre sowohl in Italien als auch in anderen Teilen Europas und sogar Amerikas große Erfolge feiern. Im 20. Jahrhundert ist die Oper vor allem durch eine Einspielung mit Joan Sutherland in den 1960er Jahren wieder etwas bekannter geworden. Die Verbindung der Titelpartie mit namhaften Sopranistinnen wie zuletzt Edita Gruberova mag allerdings auch viele Häuser davon abschrecken, dieses Werk auf den Spielplan zu setzen. An der Deutschen Oper am Rhein gibt es jetzt eine konzertante Aufführung, die nach einer umjubelten Premiere in Düsseldorf Anfang Mai nun auch im Theater Duisburg zu erleben ist.

Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit aus Mailand und spielt im Jahr 1418. Beatrice Lascaris di Ventimiglia, die auch unter dem Namen Beatrice di Tenda bekannt ist, hat nach dem Tod ihres Gatten, des wohlhabenden und militärisch einflussreichen Söldnerführers Facino Cane de Casale, 1412 den um 20 Jahre jüngeren Filippo Maria Visconti, den Herzog von Mailand, geheiratet und ihm durch zusätzliche Ländereien, Reichtum und ein Heer von Soldaten zu größerer Macht verholfen. Nach anfänglicher Harmonie und gegenseitigem Respekt macht sich allerdings doch der Altersunterschied zwischen den beiden bemerkbar. Filippo hat ein Verhältnis mit der Hofdame Agnese del Maino und will sich seiner Gattin entledigen. Daher beschuldigt er sie des Ehebruchs mit einem Bediensteten ihres früheren Gatten, Michele Orombelli (in der Oper Orombello). Nachdem dieser unter Folter die Vorwürfe gestanden hat lässt Filippo die beiden am 13. September 1418 auf der Visconti-Burg in Binasco enthaupten. Die Opernhandlung wird dabei noch um weitere Verstrickungen angereichert, die stark an Schillers Don Karlos und Maria Stuart erinnern. Agnese ist in der Oper ebenfalls in Orombello verliebt und beschuldigt ihn aus verletztem Stolz, ein Verhältnis mit ihrer "Rivalin" zu haben. Am Ende bereut sie ihr Verhalten und bittet Beatrice um Vergebung. Beatrice verzeiht nicht nur Agnese, sondern bittet auch noch auf dem Weg zur Hinrichtung darum, für ihren Gatten zu beten.

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Ensemble: von links: Konu Kim als Orombello, Stacey Alleaume als Beatrice, Antonino Fogliani, Bogdan Baciu als Filippo, Štěpánka Pučálková als Agnese und Henry Ross als Anichino, dahinter der Chor der Deutschen Oper am Rhein und die Duisburger Philharmoniker

Die Handlung wirkt derart konstruiert und abstrus, dass es wahrscheinlich problematisch ist, sie in der heutigen Zeit noch glaubhaft szenisch auf die Bühne zu bringen. Auch aus diesem Grund hat man sich an der Deutschen Oper am Rhein dazu entschieden, dieses Meisterwerk des Belcanto konzertant zu spielen, um sich so von der Schönheit der Melodienbögen und des Gesangs regelrecht berauschen zu lassen. Und da wird in der Einführung nicht zuviel versprochen, wenn die Musik des Komponisten mit dem gleichnamigen alkoholischen Getränk verglichen wird. Am Pult der Duisburger Philharmoniker ist mit Antonino Fogliani an der Deutschen Oper am Rhein zum wiederholten Male ein wahrer Meister des Belcanto zu erleben. Mit sicherer Hand für er das Orchester durch ein reiches Spektrum von Klangfarben, ordnet sich dabei immer äußerst gefühlvoll dem Schöngesang unter, der das Werk dominiert, und bringt die unendlichen Melodiebögen zu perfekter Entfaltung. Auch für den von Patrick Francis Chestnut einstudierten Chor der Deutschen Oper am Rhein hat das Werk einiges zu bieten, was musikalisch bereits auf die großen Chorpassagen bei Verdi vorausweist. Der Chor präsentiert sich als Volk und Anhänger Beatrices, die deren Freilassung fordern und mit ihrem Schicksal mitleiden, stimmlich gewaltig und begeistert auch als Gericht, das ein strenges Vorgehen einfordert.

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Stacey Alleaume als Beatrice di Tenda mit Antonino Fogliani und den Duisburger Philharmonikern

Auch die Solistinnen und Solisten des Abends lassen keinen Zweifel aufkommen, dass man diesem stimmlich anspruchsvollen Werk in jeder Hinsicht an der Deutschen Oper am Rhein gewachsen ist. Da ist zunächst Stacey Alleaume in der Titelpartie zu nennen. Auch mimisch und mit kleinen szenischen Gesten taucht sie ganz in das Leiden der Rolle ein. Ihr reiner Sopran besticht durch glasklare Höhen und große Dramatik. Schon in ihrer ersten Kavatine und Kabaletta "Ma la sola ohimé! son io", in der sie beklagt, wie hart und abweisend sie von ihrem jüngeren Gatten Filippo behandelt wird, punktet Alleaume stimmlich mit einer Zartheit und Zerbrechlichkeit, die die Labilität Beatrices unterstreicht. Im anschließenden Duett liefert sie sich stimmlich einen großartigen Schlagabtausch mit ihrem Gatten. Auch wenn sie im zweiten Akt im Gerichtssaal alle Schuld von sich weist, glänzt Alleaume mit strahlenden Höhen. Das Zwiegespräch mit ihrem verstorbenen Gatten vor dem Zusammentreffen mit Orombello legt sie ebenfalls mit weicher Stimmführung an. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist die Szene mit ihrer Hofdame Agnese, in der diese ihr ihr Vergehen gesteht. Hier begeistert Alleaume mit stimmlicher Größe und exorbitanten Spitzentönen, wenn sie der Rivalin vergibt und erhobenen Hauptes in der Schlussarie ihrer Hinrichtung entgegengeht.

Die Partie der Agnese hat man an der Deutschen Oper am Rhein doppelt besetzt. In Duisburg ist Maria Kataeva zu erleben. Kataeva glänzt dabei mit warmem Mezzosopran, der schon im ersten Akt bei der betörenden Begleitung durch die Harfe deutlich macht, wieso Filippo von dieser Frau fasziniert ist. Mit weichen Tönen klingt ihr Gesang aus dem Hintergrund der Bühne nahezu engelsgleich. Doch dass diese Frau alles andere als ein Engel ist, wird im zweiten Bild deutlich. Während sie zunächst sehnsüchtig auf den von ihr geliebten Orombello wartet, zeigt sie sich sehr rachsüchtig, wenn sie erkennt, dass Orombello eine andere liebt, und ist fest entschlossen, ihre Rivalin zu vernichten. So zögert sie keinen Moment, sich Filippos Gefühle zunutze zu machen und an Beatrice Rache zu nehmen. Doch auch ihre Reue im zweiten Akt wirkt absolut glaubwürdig. Kataeva glänzt mit beweglicher Stimmführung und weichen Bögen, wenn sie Filippo um Gnade für seine Frau bittet, und auch das Schuldeingeständnis bei Beatrice mit dem anschließenden Duett der beiden Frauen gelingt Kataeva ergreifend. Konu Kim begeistert als von Agnese geliebter und Beatrice verehrender Orombello mit kraftvollem Tenor, der in den Höhen enorme Strahlkraft besitzt.

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Bogdan Baciu (Mitte) als Filippo mit Henry Ross (rechts) als Anichino und Antonino Fogliani (links) mit den Duisburger Philharmonikern

Weiterer musikalischer Höhepunkt des Abends ist Bogdan Baciu als Filippo. Auch wenn Filippo ein in jeder Hinsicht unsympathischer Bösewicht ist, hat Bellini großartige Musik für ihn komponiert. Baciu legt ihn mit schwarz gefärbtem Bariton an, der in den Tiefen absolut kompromisslos klingt. Dass dieser dunkle Charakter bei aller Härte auch zur Liebe fähig ist, zeigt er bereits zu Beginn des ersten Aktes, wenn er Agneses Gesang aus der Ferne gehört hat. In seiner großen Arie wandert er mit flexibler Stimmführung regelrecht auf Freiersfüßen, auch wenn seine Absichten alles andere als ehrenvoll sind. Im Duett mit seiner Gattin zeigt er sich folglich auch absolut hart und unnachgiebig und sieht in deren Treffen mit Orombello eine geeignete Möglichkeit, sich seiner Gattin zu entledigen. Im zweiten Akt bietet ihm die Musik einen kleinen Moment des Zweifelns an seinem Handeln, bis er schließlich in einer groß angelegten Arie doch das Todesurteil für seine Frau und Orombello unterschreibt. Henry Ross rundet als Filippos Berater Anichino und Agneses Bruder Rizzardo del Maino das Ensemble überzeugend ab. So begeistern an diesem Abend nicht nur die einzelnen Arien und Duette sondern auch die Ensembles auf ganzer Linie und bieten "Schöngesang" vom Feinsten, der vom Publikum mit großem Applaus belohnt wird.

FAZIT

Bei dieser Oper lohnt es sich, sich ganz auf die wunderbare Musik einzulassen. Eine szenische Umsetzung wäre hier vielleicht wirklich störend gewesen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Chorleitung
Patrick Francis Chestnut

Licht
Thomas Diek

 

Duisburger Philharmoniker

Chor der Deutschen Oper am Rhein

 

Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Filippo Maria Visconti
Bogdan Baciu 

Beatrice di Tenda
Stacey Alleaume

Agnese del Maino
Štěpánka Pučálková /
*Maria Kataeva

Orombello
Konu Kim

Anichino / Rizzardo del Maino
Henry Ross


 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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