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Prima la Mamma!
(Le convenienze ed inconvenienze teatrali)


Komische Oper in zwei Akten
Libretto vom Komponisten
Deutscher Text von Stefan A. Troßbach
Musik von Gaetano Donizetti


in deutscher, teilweise in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere am 16. November 2024 im Theater Duisburg
(rezensierte Aufführung: 21. Dezember 2024)


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Rheinoper
(Homepage)
Was für ein Kindergarten!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Sandra Then

Bühnenbildner Justin Nardella hat einen Preis verdient. Und zwar für die schönste, tollste, kreativste Inneneinrichtung eines Kindergartens. Drei Räume hat er geschaffen, jeden konsequent in einer Farbe gehalten und als großes Tier durchgestaltet. Der grüne Raum ist ein Drache, aber ein ganz lieber; der Raum in rosa stellt ein Schweinchen mit Ringelschwänzchen dar; und im violetten Sanitärbereich reißt ein Hai sein Maul auf und zeigt spitze Zähne. Wenn der enge Verbindungsflur noch die Farben des Regenbogens aufgreift, ist das nicht nur lustig bunt, sondern auch ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz. Dass über dem Eingang "Schule" steht - geschenkt. Nicht nur wer die gerade auf Netflix erschienene Serie Achtsam morden gesehen hat, weiß, dass die Kita das wahre Machtzentrum der westlichen Welt ist (jedenfalls wenn man in der Position ist, die raren Plätze zu verteilen). Was das alles mit der Oper zu tun hat, die gerade gespielt wird? Gute Frage.

Szenenfoto

Erscheint unangemeldet auf der Probe: Mamma Agata

Gaetano Donizetti hat 1827 einen satirischen Einakter über das Geschehen am Theater hinter der Bühne geschrieben und vier Jahre später um einen weiteren Akt ergänzt. Unter dem Titel Le convenienze ed inconvenienze teatrali (etwa: Die Sitten und Unsitten am Theater) hatte die Persiflage auf die Opernkonventionen seiner Zeit (und das war die Epoche des Belcanto) und Eitelkeiten der Sängerinnen und Sänger einigen Erfolg. Ursprünglich für das Teatro Nuovo in Neapel in einer Mischung aus italienisch und neapolitanischem Dialekt verfasst, passte Donizetti das Werk den jeweiligen Aufführungsorten an. Mit dem Ende des Belcanto in Vergessenheit geraten, wurde das Werk im Zuge der Donizetti-Renaissance in den 1960er-Jahren wiederentdeckt. Da manche Pointen zeitbezogen sind, bedarf es im Opernbetrieb einer Bearbeitung (wie Donizetti es seinerzeit eben auch gehandhabt hat). 1969 brachte die Bayerische Staatsoper eine deutsche Fassung unter dem Titel Viva la Mamma! heraus, und dieser Titel hat sich für die gelegentlichen Aufführungen eingebürgert.

Szenenfoto

Der Tenor.

Die Mamma ist die Mutter der seconda donna, also der zweiten Sopranistin im Ensemble, die in der Theaterhierarchie wie der gängigen Dramaturgie der Opern der Zeit der prima donna - dem Star des Ensembles mit den wichtigsten Arien - untergeordnet war. Natürlich will die resolute Mamma, mit einem Bariton besetzt, die Karriere des Töchterchens ankurbeln, was den Streit mit der Primadonna und deren Ehemann heraufbeschwört, während der eitle Tenor und die sensible Mezzosopranistin kurzerhand beleidigt abreisen. Damit droht die Premiere der Tragödie Romolo ed Ersilia, die man gerade probt, zu platzen. Aber Mamma übernimmt kurzerhand die Partie des Mezzos, und das ist eine Hosenrolle, nämlich der Romolo (nach gängigem Verfahren von einer Frau gesungen). Und in den meist gespielten Versionen rettet sie mit ihrem Familienschmuck gleich noch die Kompagnie vor der drohenden Insolvenz - aber so weit möchte die Rheinoper nicht gehen und verwendet Donizettis ursprünglichen Schluss, nämlich den Bankrott der Truppe. Zwecks Abgrenzung gegenüber der andernorts gespielten Fassung läuft das Werk in Duisburg unter dem Titel Prima la Mamma!.

Szenenfoto

Ob Slávka Zámečníková (in der Mitte) sich bei den Proben in Duisburg wohl ausbedungen hat, wenigstens eine Arie in einer kleidsamen Perücke singen zu dürfen? Zum Stück würde es ja passen.

Die Sitten und Unsitten am Theater können durchaus eine unterhaltsame, ja lustige Angelegenheit sein, denn an Eitelkeiten der Menschen am Theater, das natürlich ein Spiegel der Gesellschaft ist, hat sich ebenso wenig geändert wie an der Absonderlichkeit der Kunstform Oper. In der Inszenierung von Daniel Kramer, die auf derben Klamauk statt feine Komik setzt, ist davon allerdings wenig zu spüren. Er verlegt den ersten Akt, der die Proben zeigt, in eine Schule (die allerdings, siehe oben, wie ein Kindergarten aussieht) - weil "die Schule ein Ort der Kreativität sein sollte, der erste Kontakt mit Spiel und Spaß" (so äußert sich Kramer im Programmheft). Nun ja. Kramer lässt zudem die auftretenden Personen von Shalva Nikvashvili in quietschbunte Kostüme mit grellen Perücken stecken, unter denen die Menschen komplett verschwinden. Worum es geht, das kann man grob anhand der Übertitel verfolgen; das Bühnengeschehen wirkt in dieser Optik derart konstruiert, dass man hier keinerlei Befindlichkeiten nachvollziehen kann.

Szenenfoto

Mamma Agata springt kurzerhand als Sänger*in ein. Der Pianist, der Dirigent, der Librettist und der Regisseur der Oper Romolo ed Ersilia sind, nun ja, nennen wir es: begeistert

Der zweite Aufzug zeigt den Versuch, die tragische Oper (die zuvor geprobt wurde) auf der Theaterbühne aufzuführen. Und weil die Mamma ja von einem Bariton, also einem Mann, gesungen wird, dann in der Oper als Frau eine Männerrolle übernehmen soll, ruft die Regie: "Queer! Wie modern!" und versucht (ziemlich halbherzig), diese Figur als Drag Queen in einer Art Varieté zu zeigen - aber da hat man längst aufgegeben, nach irgendwelchen Plausibilitäten zu suchen. Und dass Mamma mit angehängten XXXL-Busen agiert, der Herrenchor riesige erigierte Penisse vor sich her trägt, jede und jeder ständig jede und jeden an die Brüste oder in den Schritt fasst, hat man unter "irgendwie geht es um Körper und Geschlecht" verbucht. Und ja, ein paar Leute im Publikum lachen auch darüber.

Szenenfoto

Man spielt die tragische Oper Romolo ed Ersilia: Links Mamma Agata, rechts die Primadonna

Die Duisburger Philharmoniker, die in den Streichern noch filigraner spielen dürften, präsentieren unter der Leitung von Benjamin Reimers die Musik Donizettis mit dem nötigen Esprit und die melancholischen Nummern mit schönem Bläserklang. Staubtrocken allerdings erklingen die brav notengetreu gesungenen Rezitative, was die Schwächen des holprigen deutschen Textes (Stefan A. Troßbach) noch unterstreicht - eine Fassung mit gesprochenen Dialogen wäre da vermutlich die bessere Entscheidung gewesen. Ein paar Arien aus anderen Werken hat man (ganz im Sinne des Belcanto) eingeschoben, damit sich Sängerinnen und Sängern musikalisch profilieren können - und das klappt gut. Mit gestochen scharfen Koloraturen und virtuoser Stimmführung ihres leicht metallischen Soprans glänzt Slávka Zámečníková in der Rolle der Primadonna. Benjamin Pop gibt ihrem Gatten (der auch kurzerhand als Sänger verpflichtet wird) einen geschickt zwischen Eleganz und Komik changierenden Bariton. Andrés Sulbarán glänzt mit leichtem, geschmeidigem Tenor, und Maria Polańska hätte man als Mezzo gerne länger gehört, aber sie reist halt allzu schnell ab. Heidi Elisabeth Meier bleibt als zweiter Sopran ein wenig unscheinbar. Scott Hendricks müht sich mit schönem Bariton redlich, der Mamma Statur und Würde zu verleihen, auch wenn sie falsche Töne singen muss. Aber irgendwie sind sie alle im falschen Stück gelandet.


FAZIT

Das Regieteam um Daniel Kramer inszeniert Donizettis Satire mit farbenfroher und detailverliebter Ausstattung als schrille Farce - und vergisst, dass doch eigentlich Menschen dargestellt werden müssten. Mäßig lustig. Musikalisch macht das Ensemble das Beste daraus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Benjamin Reiners

Inszenierung
Daniel Kramer

Bühne
Justin Nardella

Kostüme
Shalva Nikvashvili

Licht
Friedrich Rom

Chor
Patrick Francis Chestnut

Dramaturgie
Juliane Schunke



Chor der
Deutschen Oper am Rhein

Duisburger Philharmoniker


Solisten

Daria (Primadonna)
Slávka Zámečníková

Procolo, ihr Mann
Beniamin Pop

Mamma Agata
Scott Hendricks

Luigia, ihre Tochter
Heidi Elisabeth Meier

Dorothea (der Mezzosopran)
Maria Polańska

Jesus (der Tenor)
Andrés Sulbarán

Maestro Andreas
Torben Jürgens

Dichter Heinrich
Valentin Ruckebier

Regisseur Bertolt
Günes Gürle

Intendant
Thorsten Grümbel

Pianist
Norbert Kaulhausen


Zusätzlich eingefügte Musik:

aus Alahor in Granata:
Ouvertüre

aus Lucrezia Borgia:
Ballade des Maffio Orsini
„Il segreto per esser felici”

aus Anna Bolena:
Arie der Anna Bolena „Al dolce guidami”

Arie des Lord Riccardo Percy
„Vivi tu, te ne scongiuro”

aus Pia de’ Tolomei:
Arie der Pia
„O tu che desti il fulmine“

Aus Le convenienze ed inconvenienze teatrali
(Fassung von Vito Frazzi):
Arie des Guglielmo „Ah, tu mi vuoi“




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



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