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Cinderella

Ballett in drei Akten von Jean-Christophe Maillot
Handlung von Nikolai Wolkow nach dem Märchen Aschenputtel oder Der kleine Glasschuh von Charles Perrault
Musik von Sergej Prokofjew


Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 19. April 2025
(rezensierte Aufführung: 27.04.2025)

Logo:  Theater Essen

Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)
Cinderella ohne Schuh

Von Thomas Molke / Fotos: © Hans Gerritsen 

Aller guten Dinge sind drei, könnte man meinen. Nachdem in der Spielzeit 2004/2005 der Ballettklassiker Cinderella von Sergej Prokofjew in einer Choreographie von Davide Bombana am Aalto Theater auf dem Spielplan stand und Ben Van Cauwenbergh die Spielzeit 2013/2014 mit dem gleichen Stück in der Choreographie seines Landsmannes Stijn Celis eröffnet hat (siehe auch unsere Rezension), setzt auch das neue Leitungs-Duo Armen Hakobyan und Marek Tůma den Klassiker als zweite Ballettpremiere nach der Intendanz von Van Cauwenbergh auf den Spielplan, und hat für die Choreographie Jean-Christophe Maillot, den Ballettdirektor von Monte-Carlo, eingeladen. 1999 erarbeitete er diese Kreation mit seiner Compagnie in Monaco, bevor er sie an mehreren Bühnen weltweit mit anderen Ensembles einstudierte. In Essen macht er mit dieser Choreographie nun erstmals Halt in Deutschland, und auch wenn er auf den Schuh der Vorlage von Charles Perrault verzichtet, findet er dennoch einen absoluten märchenhaften, dabei aber auch zeitlosen Zugang zu der Geschichte, der jede Altersgruppe begeistern dürfte.

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Noch sind sie glücklich vereint: Cinderellas Mutter (Yuki Kishimoto) und ihr Vater (Enrico Vanroose).

Im Zentrum des Geschehens steht nicht nur das von den Stiefschwestern und der Stiefmutter gepeinigte Aschenputtel, das aufgrund einer glücklichen Fügung zum Ball des Prinzen kommt und dort dessen Herz gewinnt. Maillot verknüpft die Rolle der Fee mit der verstorbenen Mutter, um die Cinderella und ihr Vater trauern und die ihre Tochter auf magische Weise ihrem Glück zuführt. Dafür stellt Maillot eine Szene der Geschichte voran. Man sieht Cinderellas Vater in einem traumhaft schönen Pas de deux mit Cinderellas Mutter. Allerdings ist sie von Krankheit gezeichnet und stirbt schließlich in seinen Armen. Während er Trost in den Armen der Stiefmutter sucht, die mit ihren beiden Töchtern ins Haus kommt, wird Cinderella mit dem Verlust zunächst nicht fertig. Im weiteren Verlauf erscheint die Fee auch immer wieder dem Vater und dem Prinzen und lenkt die Schritte der beiden. So gehört auch das letzte große Pas de deux nicht Cinderella und ihrem Prinzen, sondern dem Vater, der in der Fee seine verstorbene Frau wiederfindet und sich augenscheinlich von der Stiefmutter löst. Auch wenn sich der Schluss für ihn nur als Traum entpuppt, sieht man am Ende Cinderella und den Prinzen glücklich im Goldregen vereint.

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Die Stiefmutter (Mariya Tyurina, Mitte) will mit ihren beiden Töchtern (Anna Maria Papaiakovou, links, und Silvia Insalata, rechts) zum Ball des Prinzen.

Ernest Pignon-Ernest hat ein fantasievolles Bühnenbild entworfen, das den Märchencharakter der Vorlage aufgreift. So erinnern die einzelnen weißen Bühnenelemente zunächst in der Form an Schreibblätter, auf denen die Geschichte des Märchens geschrieben scheint. Diese Blätter lassen sich im weiteren Verlauf zu neuen Räumen verbinden. Im zweiten Akt bilden sie mit wunderbaren Projektionen den Saal des Prinzen, in dem er zum festlichen Ball eingeladen hat. Eine Treppe führt in diesen Saal hinein. Wenn der Prinz sich im dritten Akt auf die Suche nach der schönen Unbekannten macht und ferne Länder bereist, werden die Elemente zu den Segeln eines Schiffes geformt, so dass mit einem wehenden blauen Tuch die Illusion erzeugt wird, dass der Prinz über die Meere fährt. Am Schluss landet man wieder in Cinderellas Stube und man sieht wieder die Blätter des Buches.

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Spiel im Spiel: Cinderella (hier: Sena Shirae, links) hört und sieht das Märchen vom Aschenputtel (Harry Simmons) und dem Prinzen (Wataru Shimizu).

Während mit einer humorvollen Erzählung die Fee im ersten Akt Cinderella von dem möglichen Ausgang des Besuchs des Balls beim Prinzen erzählt, fügt Maillot eine weitere Ebene mit vier Mannequins ein, die wie vier Kleidungsständer dienen. Während sie zunächst die Kostüme für die Stiefschwestern und die Stiefmutter tragen, in denen sie zum Ball aufbrechen wollen, schlüpfen sie anschließend in märchenhafte Kostüme und nehmen in Gestalt des Prinzen und Cinderella das Ende vorweg. Hier ist es wirklich ein Schuh, den das Mannequin auf dem Ball verliert und der als Erkennungsmerkmal für den Prinzen dient. In der späteren "realen" Geschichte ist es nur Goldstaub. Wenn am Anfang der Vater seine Frau verliert, wird sie mit Goldstaub bedeckt. In diesem Goldstaub begegnet die Fee anschließend Cinderella und taucht ihre Füße in diesen Goldstaub in einer großen Schale, der dann an Cinderellas nackten Füßen haftet. Diese nackten Füße sind es dann auch, an denen der Prinz die geheimnisvolle Schöne am Ende wiedererkennt. Da können die Stiefschwestern, die mit verbundenen Beinen versuchen, diesen Fuß nachzubilden, nichts ausrichten und versagen kläglich mit rot geschundenen Waden. Jérôme Kaplan hat dafür zauberhafte Kostüme gefunden, die mit goldenem Glanz den märchenhaften Charakter der Erzählung unterstreichen, in strahlendem Weiß Cinderellas Unschuld und Reinheit hervorheben und die Stiefschwestern und vor allem die Stiefmutter ihrem Charakter entsprechend erscheinen lassen. So hat das Kleid, das die Stiefmutter zum Ball trägt, einen langen Stachel, der an einen giftigen Skorpion erinnert.

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Fest beim Prinzen (Compagnie des Aalto Ballett Essen, im Hintergrund: Kieren Bofinger als Prinz und Sena Shirae als Cinderella)

Dass die Aufführungen am Wochenende nach der Premiere stattfinden konnten, war ein absoluter Glücksfall. Am Freitag hatte sich nämlich der Tänzer des Prinzen, Kieren Bofinger, eine Verletzung zugezogen, so dass er nicht auftreten konnte. Zum Glück konnte Jérôme Tisserand aus Monte-Carlo kurzerhand einspringen, der in Monte-Carlo die Partie getanzt hat, und zwar mit Alessandra Tognoloni als Cinderella, die für die Einstudierung der Choreographie sowieso in Essen war. Tognoloni begeistert mit einer jugendlichen Frische und großer Intensität. Tisserand gibt den Prinzen mit großer Eleganz und kraftvollen Sprüngen. Yuki Kishimoto gestaltet die Mutter und Fee mit akkuratem Spitzentanz und großem Zauber. Mit Enrico Vanroose als Vater gelingen ihr zwei traumhafte Pas de deux am Anfang und Ende des Abends. Vanroose spielt die Trauer des Vaters absolut bewegend aus. Mariya Tyurina ist eine herrlich böse Stiefmutter, die allerdings auch einen gewissen Charme versprüht. Damit will Maillot erklären, wieso Cinderellas Vater diese Frau überhaupt geheiratet hat. Anna Maria Papaiakovou und Silvia Insalata überzeugen als böse Stiefschwestern mit komödiantischem Spiel. Akzente setzen auch Wataru Shimizu und Hiroki Amemiya als Diener beim Prinzen.

Auch das übrige Ensemble begeistert durch große Spielfreude. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Musik nur vom Band kommt. Da der Orchestergraben nicht bespielt wird, sogar teilweise heruntergefahren ist, fragt man sich, wieso dieser Abend nicht von den Essener Philharmonikern begleitet wird. Das hätte die Frische des Tanzes unterstrichen und mehr Möglichkeit zu verdientem Zwischenapplaus gegeben. So entlud sich die Begeisterung nur am Ende mit stehenden Ovationen.

FAZIT

Jean-Christophe Maillot beweist in seiner Choreographie, dass eine zeitlose und moderne Lesart der Geschichte keineswegs ihren märchenhaften Zauber nimmt.


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Produktionsteam

Choreographie
Jean-Christophe Maillot

Bühne
Ernest Pignon-Ernest

Kostüme
Jérôme Kaplan

Licht
Dominique Drillot

Einstudierung
Alessandra Tognoloni
George Oliveira

Dramaturgische Betreuung
Patricia Knebel

 

Compagnie des Aalto Ballett Essen


Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Cinderella
Sena Shirae /
*Alessandra Tognoloni

Prinz
Kieren Bofinger /
*Jérôme Tisserand

Mutter / Fee
Yuki Kishimoto

Vater
Enrico Vanroose

Stiefmutter
Mariya Tyurina

Schwestern
Anna Maria Papaiakovou
Silvia Insalata

Diener
Wataru Shimizu
Hiroki Amemiya

Mannequins
Davit Bassénz
Harry Simmons
David McMillan Mikkelsen
Moisés León Noriega

4 Freunde
Francesco Piccinin
Paul Faure
Igor Volkovskyy
William Emilio Castro Hechavarría

Frauen aus fernen Ländern
Maria Horianski
Rosa Pierro
Isabell Bromm
Julia Schalitz





Weitere Informationen
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Aalto Musiktheater
(Homepage)




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