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La Cenerentola (Aschenputtel)

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti
Musik von Gioachino Rossini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 7. Dezember 2024


Logo:  Theater Essen

Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)
Geld oder Liebe?

Von Thomas Molke / Fotos: © Matthias Jung 

Rossinis Cenerentola gehört zu den Opern des Schwans von Pesaro, die mittlerweile den Sprung ins Repertoire der Opernhäuser geschafft haben, und hat so große Popularität erlangt, dass dieses Werk - wenn man dem vor wenigen Jahren verstorbenen Rossini-Spezialisten Alberto Zedda Glauben schenken darf - dem wahrscheinlich bekannteren Barbiere di Siviglia vielleicht noch in der Publikumsgunst den Rang ablaufen könnte. Dabei war die Uraufführung am 25. Januar 1817 am Teatro Valle in Rom nicht gerade von Erfolg gekrönt. Der anfängliche Missmut des Publikums mag vielleicht unter anderem der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass die Uraufführung erst mit einmonatiger Verspätung auf die Bühne kam. Auch die Änderungen, die Rossini und sein Librettist Jacopo Ferretti an der berühmten Märchenvorlage vorgenommen haben, mögen zunächst irritiert haben. Aber Rossini glaubte von Anfang an an die Kraft seiner Musik und sollte Recht behalten. Das Publikum konnte sich dem Sog dieser perlenden Melodien nicht entziehen, und auch seit der Rossini-Renaissance hat das Werk nicht zuletzt dank großartiger Interpretinnen wie Teresa Berganza und Cecilia Bartoli enorm an Popularität gewonnen. Am Aalto-Theater steht dieses Dramma giocoso nun zum ersten Mal auf dem Spielplan.

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Don Ramiro (Mykhailo Kushlyk, links) ist mit seinem Diener Dandini (Alec Avedissian, rechts) inkognito bei Don Magnifico (Vincenzo Nizzardo, Mitte) auf der Suche nach einer Frau.

Anders als der Titel der Oper vermuten lässt, geht die Handlung eigentlich nicht auf die berühmte Vorlage aus der Märchensammlung von Charles Perrault zurück, sondern hält sich eher an die 1810 erschienene Opéra-féerie Cendrillon von Nicolas Isouard auf ein Libretto von Charles-Guillaume Étienne. Dabei wird auf jegliche magische Momente verzichtet, die für die damaligen Bühnengegebenheiten nicht möglich gewesen wären. Außerdem gibt es zahlreiche Eingriffe in der Figurenkonstellation. So wird die ursprüngliche böse Stiefmutter durch den Stiefvater Don Magnifico ersetzt, was wohl dem Bedürfnis nach einer großen komischen Buffo-Bass-Partie geschuldet war. Gleiches gilt für die Einführung des Dieners Dandini, der mit dem Prinzen die Rollen tauscht, damit dieser die potentiellen Ehekandidatinnen zunächst inkognito prüfen kann. Dass Angelina-Cenerentola auf dem Ball des Prinzen keinen Schuh verliert, sondern dem Prinzen einen Armreif überreicht, der ihm als Erkennungsmerkmal dienen soll, war wohl vor allem der Zensur der damaligen Zeit geschuldet, da die Entblößung eines Fußknöchels auf der Bühne unangemessen erschien. Des Weiteren wirkt ein Armband als "vergöttertes und teures Pfand", das Don Ramiro in den Händen hält und in seiner großen Arie "Pegno adorato e caro" besingt, vielleicht passender als ein Schuh. Statt einer guten Fee zieht der Philosoph Alidoro die Fäden, der als Erzieher des Prinzen dessen Weg zu Angelina-Cenerentola lenkt, deren Güte er zunächst als verkleideter Bettler geprüft hat.

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Alidoro (Baurzhan Anderzhanov) verspricht Angelina (Liliana de Sousa), sie zum Ball des Prinzen zu bringen.

Das Regie-Team um Bruno Klimek kehrt in Essen zur Variante mit dem Schuh zurück, um der Inszenierung mehr Märchenhaftes zu geben, und lässt nach dem großen Gewitter im zweiten Akt gleich zahlreiche goldene Schuhe aus dem Schnürboden auf die Bühne herabregnen. Einen tieferen Sinn macht das eigentlich nicht, da Angelina die Schuhe mit einem riesigen Besen von der Bühne fegt. Aber auch weitere Eingriffe der Regie dürfen als durchaus fragwürdig bezeichnet werden. So ist Don Ramiro ein verarmter Prinz, der auf der Suche nach einer reichen Braut ist und deshalb bei Don Magnifico vorstellig wird. Er kann dabei ja nicht ahnen, dass auch Don Magnifico bankrott ist und sich mit der Heirat einer seiner Töchter sanieren möchte. Da diese Idee in der eigentlichen Handlung der Oper nicht unterzubringen ist, muss dafür die großartige Ouvertüre herhalten, während der Ramiro und sein Diener Dandini wild gestikulierend und diskutierend über die Bühne rennen. Dabei wird der gesprochene Text in den deutschen Übertiteln eingeblendet, was den musikalischen Genuss ein wenig stört. Außerdem wird der Ansatz nicht bis zum Schluss durchgehalten. Zum Fest beim Prinzen werden zwei opulente Lüster aus dem Schnürboden herabgelassen, und auch der Weinkeller beim Prinzen scheint ja, wenn man Don Magnificos großer Arie Glauben schenken darf, prall gefüllt zu sein. Da nützt es auch nichts, dass es bloß spartanischen Fisch aus einem Eimer auf dem Ball zu Essen gibt. Ob sich Ramiro dann wirklich in Angelina verliebt und wie in der alten Spiel-Show von Jürgen von der Lippe, "Geld oder Liebe", für die Liebe entscheidet, bleibt ebenfalls diskutabel.

Fraglich ist auch, ob die Anlage der Figur des Alidoro in Klimeks Inszenierung ein bisschen mehr weihnachtliches Märchen ins Stück bringt. Klimek lässt ihn zunächst als wandelnden Müllsack auftreten, der sich aus einem Haufen schwarzer Müllsäcke erhebt. Das mag für seinen Auftritt als Bettler zu Beginn der Oper noch nachvollziehbar sein. Dass er sich dann mit goldenem Glitter in eine Art Zauberer verwandelt, der in glänzendem Livree auftritt und Angelina in gleichfarbigem Outfit verschleiert auf dem Ball erscheinen lässt, wirkt genauso aufgesetzt wie bei der Gewittermusik im zweiten Akt ein Double als Wirbelwind im Müllsackkostüm auftreten zu lassen, das alle Müllsäcke von der Bühne fegt und dabei durch akrobatische Sprünge beeindruckt. Wieso dem Ende dann noch ein feministischer Stempel aufgedrückt werden muss, bleibt dann völlig unklar. Angelina stattet ihren Angebeteten, Don Magnifico und Dandini mit Putzutensilien aus und erklärt ihnen, dass die drei jetzt künftig ihre Arbeit übernehmen sollen, während sie sich mit den beiden Stiefschwestern ein schönes Leben macht. Es mag sein, dass die duldsame Angelina, die durch ihre Güte zur Prinzessin aufsteigt, eine überkommene patriarchalische Sicht ist, wie Klimek im Programmheft äußert. Aber dass sie sich mit den bösen Stiefschwestern verbünden soll, die sie das ganze Stück über malträtiert haben, macht keinen Sinn.

Jens Kilian hat einen im Großen und Ganzen leeren Bühnenraum geschaffen, der nur aus einem Boden besteht, der angeschrägt werden kann und den Figuren viel Spielraum zur persönlichen Entfaltung geben soll. Das wird von den Solistinnen und Solisten auch im Großen und Ganzen genutzt. Für den Herren-Chor des Aalto-Theaters fällt der Personenregie allerdings nicht allzu viel ein. Meistens treten die Choristen nur von hinten auf und stehen teilweise etwas lustlos im Hintergrund. Wenn sie dann beim Fest eine große Szene haben, klappt die Koordinierung nicht, so dass das rhythmische Weiterreichen der Teller bei gleichzeitigem Befüllen mit Fischen völlig daneben geht. Leider stimmt auch die Abstimmung mit dem Orchester musikalisch nicht immer. Rossini mag zwar leicht klingen, aber in den schnellen Tempi ist er sehr anspruchsvoll, und da gelingt es Tommaso Turchetta nicht immer, die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne mit den Essener Philharmonikern auf einer Linie zu halten. Das ist sicherlich für die weiteren Aufführungen noch ausbaufähig.

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"Un segreto d'importanza": Dandini (Alec Avedissian, links) gesteht Don Magnifico (Vincenzo Nizzardo, rechts), dass er nur der Kammerdiener ist (im Hintergrund von links: Ks. Christina Clark als Clorinda und Nataliia Kukhar als Tisbe).

Schade ist, dass ein Gag im ersten Akt aus technischen Gründen bei der Premiere nicht klappt. Wenn Don Magnifico im ersten Akt beim Fest des Prinzen zum Kellermeister ernannt wird und sich der Boden öffnet, soll er eigentlich in einem riesigen Weinfass auf die Bühne gefahren werden. Doch das Fass erscheint nicht. Man hört Vincenzo Nizzardo als Don Magnifico relativ leise aus dem Bühnenboden, bis er schließlich aus dem Loch auf die Bühne klettert. Musikalisch und darstellerisch ist er ein Glücksgriff für diese Inszenierung. Mit großem Spielwitz gestaltet er die Partie des unsympathischen Stiefvaters und verfügt dabei über einen beweglichen Bass, der den schnellen Parlando-Stil wunderbar beherrscht. Nur in seiner ersten Auftrittsarie gibt es noch kleinere Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Orchester in den Tempi, was vielleicht der Premieren-Nervosität geschuldet ist. Alec Avedissian bleibt hingegen als Dandini stimmlich und darstellerisch etwas blass und kann, was das komische Potenzial betrifft, mit Nizzardo nicht ganz mithalten. Seine große Kavatine im ersten Akt, wenn er als vermeintlicher Prinz bei Don Magnifico erscheint, setzt Avedissian recht leise und zögerlich an, so dass der eigentlich pompöse Auftritt des Kammerdieners in der Verkleidung seines Herrn in der Komik verpufft. Auch das großartige Buffo-Duett im zweiten Akt, "Un segreto d'importanza", wird eindeutig von Nizzardo dominiert. Wieso für diese Szene eine Blumenwiese aus dem Schnürboden herabgelassen wird, die über den Bühnenboden drapiert wird, erschließt sich nicht.

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War Angelina (Liliana de Sousa, vorne) wirklich die geheimnisvolle Fremde auf dem Ball? (dahinter von links: Don Magnifico (Vincenzo Nizzardo), Dandini (Alec Avedissian), Don Ramiro (Mykhailo Kushlyk), Tisbe (Nataliia Kukhar) und Clorinda (Ks. Christina Clark))

Mykhailo Kushlyk gibt die Partie des Prinzen mit geschmeidigem Tenor, der in der großen Arie im zweiten Akt bei den Spitzentönen allerdings an seine Grenzen stößt. Baurzhan Anderzhanov verfügt als Alidoro über einen profunden Bass und überzeugt im Spiel. Bei seiner großen Arie im ersten Akt klingt er allerdings in den Höhen ein wenig wackelig. Liliana de Sousa überzeugt in der Titelpartie mit warmem Mezzosopran und intensivem Spiel. Eindringlich gelingt ihr die bewegende Kavatine "Una volta c'era un Re", in der sie quasi ihr Schicksal voraussieht. Im berühmten Schluss-Rondo punktet sie mit beweglichen Koloraturen und großer Flexibilität in der Stimme. Ks. Christina Clark und Nataliia Kukhar runden das Ensemble als fiese Stiefschwestern Clorinda und Tisbe mit komödiantischem Spiel wunderbar ab. Tommaso Turchetta zaubert mit den Essener Philharmonikern aus dem Graben einen frischen Rossini-Sound, der für die weiteren Aufführungen noch ein bisschen mehr Abstimmung mit dem Ensemble auf der Bühne aufweisen könnte. So gibt es für die musikalische Seite breite Zustimmung, während die Regie die eine oder andere Unmutsbekundung über sich ergehen lassen muss.

FAZIT

Die Essener Inszenierung kann die Faszination von Rossinis Dramma giocoso szenisch nicht ganz transportieren, und auch in der musikalischen Abstimmung ist die Produktion noch ausbaufähig.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tommaso Turchetta

Inszenierung
Bruno Klimek

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Tnja Liebermann

Licht
Andreas Fuchs

Choreinstudierung
Patrick Jaskolka

Dramaturgie
Savina Kationi

 

Essener Philharmoniker

Herren des Opernchores
des Aalto-Theaters


Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Don Ramiro
Mykhailo Kushlyk

Dandini
Alec Avedissian

Don Magnifico
Vincenzo Nizzardo

Clorinda
Ks. Christina Clark

Tisbe
*Nataliia Kukhar /
Cassandra Doyle

Angelina (Cenerentola)
*Liliana de Sousa /
Nataliia Kukhar

Alidoro
Baurzhan Anderzhanov

Wirbelwind (Alidoro-Double)
*Francesco Matejcek /
Johannes Walter





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