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Parsifal

Bühnenweihfestspiel in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 20' (zwei Pausen)

Premiere am 18. Mai 2025 in der Oper Frankfurt
(rezensierte Aufführung: 7. Juni 2025)

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Oper Frankfurt
(Homepage)
Bühnenweihfestspielbrezn für alle!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Monika Rittershaus

Zum Happy End fällt sich das glückliche Paar in die Arme. Und verschwindet unauffällig von der Bühne. Na ja, gönnen wir's den beiden, schließlich ist Sex ja jetzt wieder erlaubt. Die etwas biedere Herrenrunde feiert derweil den neuen Chef mit Canapés und Sekt, der praktischerweise schon nebenan bereitstand. Aber halt! Rufen Sie, das hier ist doch eine Besprechung von Wagners Parsifal, dem "Bühnenweihfestspiel", und keiner Operette!? Na ja, gefeiert wird der neue Gralskönig Parsifal, und das glückliche Liebespaar, das sind sein frisch von einer schweren Krankheit genesener Vorgänger Amfortas und dessen Jugendliebe Kundry. Also irgendwie schon Parsifal, wenn auch mit einem vom Publikum im Parkett belachten Operettenfinale.

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Erster Akt: Parsifal und Gurnemanz sinnieren vor geometrisch strengen Wänden und Felsgrotte über den Umgang mit Schwänen

Dass Regisseurin Brigitte Fassbaender mit dem feierlichen Aspekt dieses Bühnenweihfestspiels wenig am Hut hat, wird schnell klar. Wir sehen zu Beginn Gurnemanz bei der Morgenroutine: Tücher falten, die Knappen wecken und mit sanftem Druck zum Morgengebet nötigen, zwischendurch schnell einen Becher Kaffee holen. Mit der Jugend hat er's schwer, die will nicht so recht mitmachen bei den merkwürdigen Ritualen dieses gutgekleideten Männerbunds. Aber Widerstand ist zwecklos, und eigentlich ist diese Gralsenthüllung auch ganz nett. Die findet statt in einem bürgerlichen Festsaal mit einer Bühne, die der Venusgrotte in Schloss Linderhof nachempfunden ist (und der uralte Gralskönig Titurel trägt einen Hermelinpelz wie Linderhof-Erbauer und Wagner-Mäzen Ludwig II.). Der Gral ist ein überdimensionierter Pokal, locker zwei Meter hoch. Als Abendmahlsersatz gibt es Laugenbrezn für alle. Sogar dem komischen Neuankömmling Parsifal gelingt es, eine zu stibitzen. Schmeckt ihm gut. Und weil danach Pause ist, kann man indirekt selbst an dieser Gralsfeier teilnehmen, indem man im Foyer ein solches Gebäckstück käuflich ersteht (wenn man nicht eine Bratwurstsemmel, die vor dem Theater angeboten wird, vorzieht). Der Parsifal als immersives Erlebnis, das ist ja auch mal schön.

Vergrößerung in neuem Fenster Gralsenthüllung in der angedeuteten Linderhofer Venusgrotte: In der Mitte Amfortas

Nun geht Brigitte Fassbaender, als herausragende Bühnendarstellerin wie als Regisseurin überaus opernerfahren, keineswegs naiv an die Sache heran. Das sieht man an der ausgefeilten Personenregie, die psychologisch genau die Entwicklung der Figuren nachzeichnet und sensibel auf die Musik reagiert. Fassbaender möchte dem Werk keine Interpretation überstülpen, sondern eher die Offenheit der Deutung zeigen, das Suchen der Menschen nach einem tieferen Sinn, die Querbezüge zu Wagners anderen Opern, das Menschliche hinter dem Mythos. Nur kann man das meiste davon sehr viel besser im ausgezeichneten Programmheft (Redaktion: Konrad Kuhn) nachlesen als auf der Bühne sehen, wo beim Versuch, das (nicht zuletzt durch die Rezeptionsgeschichte angestaute) Pathos zu unterlaufen, manches unfreiwillig in die Banalität abgerutscht, anderes gedanklich allzu konstruiert geraten ist. Die Einblendungen von Claude Monets Bildern der Kathedrale von Rouen (30 davon hat er gemalt, mit unterschiedlichen Beleuchtungen und Stimmungen) zu den Orchestervorspielen der drei Akte üben durchaus eine gewisse Faszination aus. Die Licht- und Stimmungswechsel des immergleichen Motivs vergleicht Kuhn im Programmheft mit den Bedeutungsänderungen der Leitmotive im Parsifal. Das ist klug gedacht und könnte in einer abstrakter angelegten Inszenierung auch funktionieren. Hier kollidiert es mit dem teilweise sehr konkreten und kleinteiligen Realismus mancher Szenen wie auch mit dem Ansatz, die Figuren aus der mythischen Dimension herauszunehmen und in einen menschlich-bürgerlichen Kontext zu stellen. Ein Leben, in dem sie nicht wie Tristan von einer ewigen Nacht der Liebe träumen, sondern - heiraten möchten. Die Blumenmädchen locken passend dazu in Brautkleidern.

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Hier redet Klingsor auf Kundry ein (und vermutlich gibt es da auch eine nicht vollständig aufgearbeitete Beziehungsgeschichte). Kundry soll Parsifal verführen, und wo sollte das einfacher gelingen als in einer Venusgrotte?

Dabei liefert die musikalische Seite (fast) alles zu einer überwältigenden, die bürgerlichen und menschlichen Maßstäbe sprengenden Sichtweise auf das Bühnenweihfestspiel. Um mit der Leerstelle anzufangen: Ausgerechnet dem Sänger der Titelrolle, Ian Koziara, fehlt es an Strahlkraft und an Höhe. Dagegen ist der großformatig-sonore, genau artikulierende Gurnemanz von Andreas Bauer Kanabas großartig. Exzellente Textverständlichkeit und eben auch das Wissen um das, was er da gerade singt, machen seine langen Erzählungen zu Ereignissen von Festspielformat. Der heldenbaritonal strahlende, bei allem Leiden kämpferische Amfortas von Nicholas Brownlee steht ihm nicht nach, und Iain MacNeil imponiert als stimmkräftiger, klangschön und elegant singender Klingsor. Vielleicht nicht ganz auf diesem Weltklasseniveau, aber doch sehr eindrucksvoll gestaltet Jennifer Holloway die Kundry. Deren Mezzosopran wünscht man noch ein klein wenig dunkleres, geheimnisvolleres Timbre - aber das sind Einwände auf sehr hohem Niveau.

Vergrößerung in neuem Fenster Ist das der Wotan-Wanderer aus dem Siegfried, der hier vor dekonstruierendem Bühnenbild ruht? Nein, der (ebenfalls weit gewanderte) Parsifa genießt den Karfreitagszauber.

Wie man den Parsifal mit großer Würde, aber ohne überzogene Weihe gestalten kann, das macht der ausgezeichnete Opernchor hörbar (Einstudierung: Gerhard Polifka). Mit zurückgenommenem Vibrato ist der Klang flächig und gerade, Phrasen werden durch klare Zäsuren abgetrennt, die Intonation ist ganz ausgezeichnet. Der unsichtbare Frauenchor besticht durch einen betörend schönen Klang, der beeindruckend das handfestere Auftreten der Herren (im ersten Akt korrekt im Anzug gekleidet, im dritten dann allzu märchenhaft versteinert wie das Ambiente drumherum) kontrastiert. Nach einem etwas unscharfen Vorspiel zum ersten Akt findet das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von GMD Thomas Guggeis zu einem sehr konzentrierten Spiel und einer bewegenden Interpretation. Guggeis wählt fließende Grundtempi, lässt sich aber viel Zeit für die Ausgestaltung von Details. Er orientiert sich am Textfluss, ohne die großen Bögen zu unterbrechen, und oft spricht die Musik dann das aus, was anders nicht zu sagen ist. In solchen Momenten findet die Aufführung, der oft verunglückten Szene zum Trotz, großes Format.



FAZIT

Gäbe es auch noch einen echten Heldentenor auf der Bühne, wäre das musikalische Glück nahezu vollkommen. Szenisch verliert sich der vielschichtig gedachte große Wurf in operettenhaften Banalitäten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Guggeis

Regie
Brigitte Fassbaender

Bühne und Kostüme
Johannes Leiacker

Licht
Jan Hartmann

Choreographie der Zaubermädchen
Katharina Wiedenhofer

Chor
Gerhard Polifka

Dramaturgie
Konrad Kuhn



Chor der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern-
und Museumsorchester


Solisten

Amfortas
Nicholas Brownlee

Titurel
Alfred Reiter

Gurnemanz
Andreas Bauer Kanabas

Parsifal
Ian Koziara

Klingsor
Iain MacNeil

Kundry
Jennifer Holloway

Erster Gralsritter
Kudaibergen Abildin

Zweiter Gralsritter
Sakhiwe Mkosana

Erster Knappe
Idil Kutay

Zweiter Knappe
Nina Tarandek

Dritter Knappe
Andrew Bidlack

Vierter Knappe
Andrew Kim

Klingsors Zaubermädchen
Clara Kim
Idil Kutay
Nina Tarandek
Nombulelo Yende
Julia Stuart
Judita Nagyová

Stimme aus der Höhe
Katharina Magiera



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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