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Musiktheater
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Der fliegende Holländer

Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (keine Pause)

Premiere am 25. Oktober 2024 im Theater Gera
(rezensierte Aufführung: 8. Dezember 2024)

Theater-Logo

Theater Altenburg Gera
(Homepage)

Ein düster-geheimnisvolles Traumspiel

Von Stefan Schmöe / Fotos von Ronny Ristok

Szenenfoto Norwegerschiff samt Besatzung

Wenn der inzwischen 90-jährige Achim Freyer eine Oper inszeniert, dann darf man mit Recht von einem Gesamtkunstwerk sprechen. Was auch bedeutet, dass sich die Akzente verschieben, denn an einer spannend und glaubwürdig erzählten Geschichte liegt Freyer weniger als an einem Blick aus der Totalen auf das Werk und seine Figurenkonstellation. Das Beziehungsgeflecht ist wichtiger als die Handlung. Im Falle dieses Fliegenden Holländers äußert sich das durch geradezu zwanghaft wiederkehrende Bewegungsmuster, die den Akteuren leitmotivisch anhängen (Freyer selbst bezeichnet sie als "Loops", also Schleifen). Im Falle Dalands ist das ein pantomimisch angedeuteter Blick durch ein Fernrohr, gefolgt von einer Art stilisiertem Schuhplattler und einer Geste wie "Hörner aufsetzen", was ihn als gutmütigen und jovialen, letztendlich einer Lustspielwelt angehörigen Mann charakterisiert. Mary läuft als Peitsche schwingende Dompteurin herum, wodurch ihre Rolle als Aufpasserin über die jungen Mädchen unterstrichen wird. Und der Jäger Erik knallt immer wieder wütend die Tür zu seinem Hochsitz - er ist schließlich Jäger - zu, denn mehr als (berechtigte, sagt die Regie) Wut gesteht ihm die Oper nicht zu.

Szenenfoto

Vor lauter gemalten Totenköpfen sieht man ihn kaum, aber in der Bildmitte steht er: Der Holländer

Die lineare Erzählweise wird damit aufgebrochen. Die Figuren haben keine Entwicklung, sie sind von Beginn an umrissen und agieren wie Puppen. Bei Freyer liegen wie immer Regie, Bühne, Kostüme und Licht in einer (also seiner) Hand. Die Kostüme sind stilisiert bis hin zu Masken, die alle tragen. Die Ausstattung ist konsequent in schwarz und weiß gehalten, mit dickem Pinselstrich in typischer Freyer-Manier fast kindlich-naiv gemalt. Wenn Senta am Ende vom Felsen springt und dafür eine Stoffpuppe heruntergeworfen wird, oder wenn schon vorher eine Erik-Puppe vom Hochsitz fällt, dann ist vereinzeltes Gelächter im Publikum unangebracht. Es geht um das Puppen-Spiel als höhere Form der Kunst. Der geheimnisvolle Holländer erscheint in diesem Kosmos als in sich ruhende Statue, deutlich größer als die anderen Figuren. Manchmal kreisen die anderen um ihn herum wie Planeten um eine Sonne. Freyers Humor zeigt sich auch darin, dass dieser Holländer ein Barrett trägt wie Richard Wagner.

Szenenfoto Daland zwischen dem Steuermann und Senta

Senta steht meist vor einem riesigen Bilderrahmen. Manchmal erscheint dort der Holländer, manchmal ihr Spiegelbild. Freyer hat im Programmheft lesenswerte Gedanken dazu geäußert, dass wir im Bild des anderen auch immer ein Bild von uns selbst suchen. Diese Frage beschäftigt ihn mehr als eine Aus- oder gar Umdeutung der Oper. Das Rätsel wird hier noch ein wenig rätselhafter - und das in einer Opernwelt, in der die Regie so gern dem Publikum alles erklären möchte. Dafür hat Freyer eine für für seinen Stil charakteristische, eine Traumwelt heraufbeschwörende Form gefunden. Das gemalte, dann am Computer in bewegte Bilder umgewandelte Meer wirkt dabei beinahe naturalistisch.

Szenenfoto

Senta und der Holländer - und ein bisschen Farbe

Nun verpflichtet eine Oper wie der Fliegende Holländer das Publikum ja dazu, das Kunstwerk geschlagene zweieinhalb Stunden zu betrachten. Das kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Musik die erforderliche Spannung entwickeln kann - was in Gera ausgezeichnet gelingt. Ruben Gazarian dirigiert einen hochdramatischen, atemlosen Holländer, und das Philharmonische Orchester Altenburg Gera wie der um Gäste erweiterte Chor des Theaters (Einstudierung: Alexandros Diamantis) bewältigen diesen mitreißenden Parforceritt durch die Partitur mit Bravour. In der düsteren und weitgehend monochromen, nur vereinzelt mit Farbakzenten durch die Beleuchtung aufgeweiteten Ästhetik kann die Musik wirkungsvoll ihre Wucht entfalten.

Szenenfoto In ihren Loops gefangen: (von links) Mary, der Holländer, Senta und Daland

Im Zentrum der Aufführung steht Anne Preuß, die als Senta pausenlos auf der Bühne präsent ist (auch im ersten Aufzug, wo sie eigentlich gar nicht auftritt). Ihr heller, mädchenhaft klarer, manchmal etwas scharfer Sopran lotet die innere Unruhe der Figur beeindruckend aus. Alejandro Lárraga Schleske singt einen großformatigen, raumfüllenden Holländer, der bei allen dämonischen Zügen immer elegant klingt. Philipp Mayer umschifft als Daland geschickt ein paar Klippen, an denen sein nicht allzu großer Bariton an die Grenzen stößt und liefert ein überzeugendes Rollenportrait des braven Bürgers ab. Furios ist der Erik von Isaac Lee, der sich als indisponiert ansagen ließ - und vielleicht zur Sicherheit nicht viel Piano riskierte. Aber mit der vokalen Wucht, mit der er die Partie gestaltet, wertet er den unglücklichen Jäger ganz im Sinne der Regie zu einer Hauptfigur und zum Gegenspieler des Holländers auf. Eva-Maria Wurlitzer steuert eine solide Mary bei. Timo Schabel rettet als kurzfristig eingesprungener Steuermann von der Seite die Aufführung (Regieassistentin Lydia Rotter spielt auf der Bühne).


FAZIT
Achim Freyers Phantasiewelten erschaffen einen faszinierenden Holländer, der von einer mitreißenden musikalischen Interpretation getragen wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ruben Gazarian

Regie, Bühne, Kostüme, Licht, Video
Achim Freyer

Mitarbeit Ausstattung
Moritz Nitsche

Mitarbeit Regie
Räy Lee

Choreinstudierung
Dr. Alexandros Diamantis

Statisterie

Opernchor des Theaters Altenburg Gera
und Chorgäste

Philharmonisches Orchester Altenburg Gera


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Holländer
Johannes Beck /
* Alejandro Lárraga Schleske

Senta
Anne Preuß

Daland
Philipp Mayer

Erik
Isaac Lee

Steuermann
Johannes Pietzonka /
Kay Frenzel /
* Timo Schabel (singt)
* Lydia Rotter (spielt)

Mary
Eva-Maria Wurlitzer



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Altenburg Gera
(Homepage)



Da capo al Fine

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