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Abstrakte
Jahreszeiten Von Thomas Molke / Fotos:© Zoran VargaBei einem Tanzabend unter dem Titel 2 Jahreszeiten denkt man unweigerlich an Antonio Vivaldis berühmten Violinkonzert-Zyklus, vor allem wenn der Untertitel Herbst / Winter lautet und im Frühjahr 2025 eine Fortsetzung mit Frühling / Sommer folgen soll. Dann könnte man meinen, dass Vivaldis ikonisches Meisterwerk entsprechend der Jahreszeiten auf zwei Abende im Kleinen Haus aufgeteilt wird. Nun ist es zwar nicht so, dass man musikalisch im Teil Herbst / Winter gar keinen Vivaldi präsentiert bekommt. Von einer tänzerischen Umsetzung der Jahreszeiten ist der zweiteilige Tanzabend, zu dem der Direktor der MiR Dance Company, Giuseppe Spota, eine Choreographin und einen Choreographen eingeladen hat, aber dennoch weit entfernt. Selbst steuert Spota eine musikalische Lichtinstallation bei, die eigentlich noch am engsten mit Vivaldi verbunden ist. Unter dem Titel LuceAutunnale erklingt das dritte Konzert aus Vivaldis Zyklus, L'autunno (Herbst). Wenn man den Saal im Kleinen Haus betritt, dominieren zwei leicht nach vorne geneigte Rechtecke aus Neonröhren die Bühne, die in der Mitte durch ein Kreuz unterteilt sind, auf dem sich weitere Scheinwerfer befinden. Zwischen diesen beiden Rechtecken sieht man einen kahlen Baumstamm, dessen Äste von weißen Plastiktüten umhüllt ist, in denen sich neben den Ästen weitere Neonröhren befinden. Soll dieser kahle Stamm einen schneebedeckten Baum darstellen und damit eine Verbindung zu den beiden Jahreszeiten herstellen? Unter den beiden Rechtecken sieht man zunächst auf der linken Seite ein weißes und auf der rechten Seite ein braunes Fellknäuel. Diese beiden Knäuel entpuppen sich im Verlauf der Musik als eine Tänzerin und ein Tänzer, die im Programmheft jedoch nicht genannt werden. Der Tänzer im weißen Fell ist wegen der wallenden Mähne unschwer als Alessio Monforte zu erkennen. Langsam robben die beiden zur Musik nach vorne, bevor sie schließlich zu einer Einheit verschmelzen. Dabei mag die Tänzerin im braunen Fell den Herbst verkörpern, wobei die Farbe Braun für das gefallene Laub auf dem Boden stehen könnte. Monforte könnte dabei den Winter darstellen, der den Herbst allmählich vereinnahmt und schließlich von der Bühne trägt. Am Ende hebt er auch den Baum in der Mitte der Bühne hoch und geht mit ihm nach hinten ab. Von der Lichtinstallation bekommt man dabei eigentlich gar nicht so viel mit, weil man sich stark auf den Tänzer und die Tänzerin konzentriert, so dass es absolut unverständlich ist, wieso sie nicht im Programmheft erwähnt sind. Kyōto: Ensemble Es folgt Kyōto von Emma Evelein. Hier bekommt man neben zahlreichen abstrakten Klängen und asiatischer Funk-Musik zumindest noch einen relativ bekannten Auszug aus Vivaldis Jahreszeiten, wenn auch in stark entstellter elektronischer Form, geboten. Die japanische Stadt kennt man hierzulande vor allem durch das Klima-Protokoll von 1997, in dem erstmals eine völkerrechtlich verbindliche Grenze für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt worden ist. Evelein will in ihrer Choreographie aber weder auf dieses Protokoll anspielen noch die Stadt oder ihre Kultur imitieren. Vielmehr versucht sie ihre Eindrücke in Tanz umzusetzen, die sie bei ihrem Aufenthalt in der japanischen Stadt gewonnen hat. Maßgeblich sei bei ihr der Wunsch gewesen, nachts um 2.00 Uhr in der Stille eines menschenleeren Parkplatzes umgeben von grellen Neonlichtern zu tanzen. Zu den beiden Installationen aus dem vorherigen Teil rückt im Bühnenbild noch ein beleuchteter Getränkeautomat im Hintergrund ins Zentrum, der nicht nur diverse Getränke anbietet, sondern scheinbar auch zu sprechen und zu singen beginnt. Inoru Toda und Marie-Louise Hertog in Kyōto Überhaupt wirkt in Eveleins Choreographie alles sehr technisch und elektronisch. Die sieben Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich nahezu mechanisch wie computergesteuerte Roboter über die Bühne und begeistern dabei durch eine unglaubliche Körperspannung und -beherrschung. Die Bewegungen wirken absolut fremdgesteuert. Besonders hervorzuheben sind dabei Marie-Louise Hertog, Joonatan Zaban und Inoru Toda. Wie Toda mit dem Getränkeautomat in Interaktion tritt, die Geräusche in Bewegungen umsetzt und auch auf das flackernde Licht der Neonröhren reagiert, ist unglaublich. Dabei vermittelt er auch noch eine gewisse Komik, wenn er zu den Beats eines modernen Disco-Sounds lässig zu tanzen beginnt. Was Hertog stehend und liegend für Bewegungen ausführt und dabei wie eine Puppe wirkt, deren Glieder sich nur in bestimmte Positionen schieben lassen, ist ebenfalls großartig. Auch Zaban beherrscht die abgehackten Bewegungen hervorragend. Völlig unvermittelt fallen dann alle Tänzerinnen und Tänzer in einen modernen Rhythmus zu asiatischer Disco-Musik, und plötzlich ertönt dann das berühmte "Allegro non molto", der erste Satz aus Vivaldis Winter, zu dem sich dann auch die Tänzerinnen und Tänzer aus dem Teil nach der Pause hinzugesellen und ein punktgenaues Ensemble abliefern. Danach zerfällt das Stück wieder in Stille und klingt sehr leise aus. Ensemble in Fifth Season: von links: Urvil Shah, Chiara Rontini, Pablo Navarro Muñoz, Marta Llopis, Alessio Monforte und Camilla Bizzi Nach der Pause geht es dann mit Fifth Season von Anton Lachky weiter, der diese Choreographie gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern der MiR Dance Company kreiert hat. Was allerdings diese fünfte Jahreszeit sein soll, überlässt Lachky dem Publikum. Charakteristisch für seinen Stil ist die "Puzzle Work"-Methode, die laut Lachky eine Balance zwischen Kontrolle und Unvorhersehbarkeit herstellen soll. Was damit gemeint ist, erschließt sich wahrscheinlich nur Fans des modernen Ausdruckstanzes. Die Tänzerinnen und Tänzer gehen dabei körperlich an ihre Grenzen und wechseln zwischen langsamen fließenden Bewegungen und hektischem, teils aggressivem Aufeinandertreffen einzelner Personen. Die Bühne ist dabei leer. Zu einer diffusen Klang-Collage schieben sich die sieben Tänzerinnen und Tänzer beinahe ängstlich aus dem Hintergrund auf die Bühne und stellen sich zunächst in einer Reihe auf. Aus dieser Reihe brechen zunächst einzelne Tänzerinnen und Tänzer in ekstatischem Tanz aus und nehmen nach den kurzen Soli eine andere Position in der Reihe ein. Die Kostüme sind sehr individuell gestaltet und wirken zumindest bei den Frauen beinahe wie Abendgarderobe. Fast hat man den Eindruck, die Tänzerinnen und Tänzer habe es aus dem Publikum auf die Bühne verschlagen. In der Bewegungsintensität und Körperlichkeit ist das, was die sieben Tänzerinnen und Tänzer veranstalten, zwar beeindruckend, erschließt sich inhaltlich aber leider überhaupt nicht, zumal der Bezug zu den Jahreszeiten gar nicht klar wird. Ein Großteil des Publikums schätzt allerdings die visuelle Poesie und wird durch die Bilder inspiriert, was sich in großem Jubel und Applaus entlädt. FAZIT Die MiR Dance Company begeistert erneut mit unbändigem Körpereinsatz in zwei bzw. drei stilistisch völlig unterschiedlichen Choreographien.
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Produktionsteam
Licht
Ton
Dramaturgie
Choreographie Assistenz LuceAutunnale Konzept Licht
Kyōto Choreographie, Bühne und Kostüme Künstlerische Mitarbeit Tänzerinnen und Tänzer
Marie-Louise Hertog
Fifth Season
Choreographie, Kostüme und Mitarbeit Licht
Künstlerische Mitarbeit Tänzerinnen und Tänzer
Ashley Affolter
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