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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)


Premiere im Großen Haus des Theaters Lübeck am 12. Februar 2025
(rezensierte Aufführung: 2. März 2025)

Logo: Theater Lübeck

Theater Lübeck
(Homepage)
Die Liebe ist für den bürgerlichen Menschen eine mitunter tödliche Droge

Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Quast

Haben wir es hier mit einem Liebestrank von begrenzter Wirkung zu tun? Isolde und Tristan jedenfalls nehmen vor ihrem großen Duett im zweiten Akt, das zugegeben sängerisch einiges abverlangt, eine weitere Dosis der offensichtlich stimulierenden Substanz. An der Liebe können und wollen wir uns bewusst berauschen, möchte Regisseur Stephen Lawless wohl sagen. Wobei über die Wirkmächtigkeit des Trankes ja seit eh und je gestritten wird. Eigentlich überflüssig und bestenfalls ein Katalysator für vorhandene Gefühle, meinen viele Regieteams. Lawless fragt gar nicht nach dem therapeutischen Nutzen des vermeintlichen Aphrodisiakums. Für ihn ist der Trank eher ein Symbol dafür, die bürgerlichen Konventionen aufzugeben und sich dem anderen ganz hinzugeben - mit dem Tod als letzte Konsequenz. Da ist es nur angemessen, selbigen feierlich aus einem goldenen Pokal zu trinken. Dieser Pokal steht später, effektvoll beleuchtet, im Zentrum der Bühne. Und der Todestrank? Den nimmt Isolde am Ende der Oper ein. Einen Liebestod stirbt man eben nicht einfach so.

Vergrößerung in neuem Fenster Spannungsgeladene Schiffspassage im ersten Aufzug: Brangäne (auf der Treppe rechts) bittet Tristan (unten) zum Gespräch mit Isolde (links). Kurwenal (oben rechts) wird die ziemlich unhöfliche Antwort formulieren.

Die nicht in jedem Detail gelungene, aber insgesamt schlüssige Regie entmystifiziert das Liebespaar und verortet es im bürgerlichen Kontext. Dazu bedarf es allerdings nicht wie in manchen anderen Inszenierungen einer Luxuswohnung oder Yacht zur Dekonstruktion. Das Bühnenbild zeigt in allen drei Aufzügen das schmucklose Innere eines Schiffsrumpfs (Ausstattung: Frank Philipp Schlößmann). Ein letztendlich klaustrophobischer Raum, dem Tristan und Isolde nicht entkommen können. Und man kann natürlich ein Bild für das Leben als Reise oder als Passage zum Tod darin erahnen. Ab und zu wird das tosende Meer als Videoprojektion eingeblendet. Während des Orchestervorspiels zeigt Lawless kurz die Schlüsselszene der Vorgeschichte: Isolde nähert sich mit dem Schwert dem siechen Tristan, kann ihn aber nicht töten: "Er sah mir in die Augen". Der schicksalhafte Blick müsste allerdings viel stärker visualisiert werden, um die Szene vor der Banalität zu retten. Was aber wichtig ist: Von da an geht ein Riss durch die Welt. Die Schiffshälften fahren ein Stück auseinander, Isolde auf der einen, Tristan auf der anderen Seite. Mit der Einnahme des Liebestranks schließt sich der Graben, mit der Entdeckung durch Marke reißt er wieder auf. Man kann den Ansatz als plump bezeichnen; aber er schafft klare Bilder. Wobei das im dritten Aufzug im Hintergrund in Form aufgetürmter Platten zitierte Eismeer von Caspar David Friedrich, romantisches Symbol menschlichen Scheiterns, handwerklich mehr Sorgfalt verdient hätte.

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Tristan, Isolde und der Liebestrank

Brangäne im Business-Look, Marke im Anzug, Tristan ein wenig hemdsärmlig mit Fischerhemd und Hosenträgern - die Kostüme sind weitgehend heutig. Nur Isolde trägt ein einfaches, zeitloses Kleid, dessen Dunkelrot einen sanften Kontrast zur weitgehend nachtblauen Ausleuchtung bildet. Requisiten wie das Schwert oder Schrankkoffer aus dem 19. Jahrhundert, das sorgfältig gestaltete Kästchen mit den Zaubertränken und natürlich der erwähnte Pokal weisen auf verschiedene Schichten der Vergangenheit hin, ohne das Geschehen zeitlich festzulegen. Diese Offenheit bekommt der Inszenierung gut, denn sie gibt der zu erzählenden Geschichte Raum. Selten hört man eine Aufführung, bei der so genau der Wortgehalt mit seiner emotionalen Bedeutung ausgelotet wird. Das betrifft insbesondere den ersten Aufzug. Wie Lena Kutzner bei ihrem Rollendebut als Isolde mit feinen Nuancen von Ironie und Sarkasmus die erlittenen Verletzungen zum Ausdruck bringt, ist eine kleine Sensation. Die Stimme klingt jung und verfügt über ein schönes, intensives Piano, hat aber viel Kraft zur vokalen Attacke. Auch im Duett im zweiten Aufzug hört man erfreulich viel zurückgenommene Töne. Dem Liebestod fehlt es noch an Ausgewogenheit zwischen lyrischer und dramatischer Attitüde und an Entschlossenheit zur langen Phrase, aber alles in allem erlebt man hier ein faszinierendes Rollenportrait.

Vergrößerung in neuem Fenster In dieser Inszenierung ist der Liebestrank mehrfach täglich einzunehmen, so auch hier im zweiten Akt: Marke (rechts) hat auf Hinweis von Melot (unten) das Liebespaar überrascht. Brangäne und Kurwenal hatten das Unheil kommen sehen.

Dazu kommt die jugendliche Ausstrahlung. Diese Isolde besitzt noch viel von der Unbekümmertheit eines Teenagers, der sich nicht um Konventionen kümmert und entsprechend wenig Skrupel hat, mit dem Skandal zu drohen, sollte Tristan sich nicht auf den gemeinsamen Trank einlassen. Den singt Ric Furmann, für ihn ebenfalls ein Debut, mit nicht allzu schwerem, strahlendem, auch in der Höhe unanfechtbarem Tenor, der auch bei den leisen Tönen schön anspricht und zwar nicht unbedingt mit dem Sopran der Isolde verschmilzt, aber doch vergleichsweise gut harmoniert. Steffen Kubach als heldenbaritonal auftrumpfender, großformatiger Kurwenal und Marlene Lichtenberg als dramatisch zupackende Brangäne sind glänzende Besetzungen, denen gegenüber der sonore, aber in den exponierten Tönen wacklige König Marke von Rúni Brattaberg ein wenig abfällt. Ganz ausgezeichnet gesungen sind der Hirt und der junge Seemann von Noah Schaul (der auch noch den Melot übernimmt). Gerade das Lied des jungen Seemanns ist in jeder Phrase sorgsam durchgestaltet und gibt den Grundton vor: Es kommt nicht nur auf die großen Eruptionen an, sondern auf die Feinheiten im Detail. Dadurch erhält die Aufführung etwas sehr Menschliches.

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Tristan und Kurwenal warten im letzten Aufzug auf die Ankunft Isoldes. Der Steuermann bringt Neuigkeiten.

Dass Wagners Musikdrama dabei nicht zu kurz kommt, dafür sorgt Stefan Vladar am Pult des sehr aufmerksamen Philharmonischen Orchesters Lübeck. Er gibt den Gesangslinien die nötige Zeit, lässt aber nie den Spannungsbogen abreißen. Hier gelingt das Kunststück, in manchen Passagen beinahe einen Konversationston zu erzeugen, ohne dass die Musik an Wucht verliert. Die Stimmen werden auch bei den großen orchestralen Ausbrüchen nicht zugedeckt. Der musikalische Aufbau ist genau geplant. Gerade dadurch, dass kein durchgehender musikalischer Rauschzustand vorgeführt wird, gewinnen die Höhepunkte an Kontur. Die Tempi sind flexibel; so beginnt das Vorspiel in großer Ruhe, um dann in einer großen Steigerung mehr und mehr an nervöser Energie (und an Tempo) aufzunehmen. Und auch den großen Steigerungen im zweiten Aufzug und in Tristans Fieberfantasien des Schlussakts bleibt das Orchester nichts schuldig.


FAZIT

Auch abseits der großen Metropolen kann man faszinierende, musikalisch hochrangige Wagner-Abende erleben: Stephen Lawless und Stefan Vladar heben mit einem famosen Ensemble in Tristan und Isolde das zutiefst Menschliche hervor, ohne das große Musikdrama zu vernachlässigen.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Vladar

Inszenierung
Stephen Lawless

Bühne und Kostüme
Frank Philipp Schlößmann

Licht
Falk Hampel

Video
Andreas Beer

Chor
Jan-Michael Krüger

Dramaturgie
Sören Sarbeck


Statisterie und Chor des
Theaters Lübeck

Philharmonisches Orchester der
Hansestadt Lübeck


Solisten

Tristan
Ric Furman

König Marke
Rúni Brattaberg

Isolde
Lena Kutzner

Kurwenal
Steffen Kubach

Melot / Ein Hirt / Ein junger Seemann
Noah Schaul

Brangäne
Marlene Lichtenberg

Ein Steuermann
Viktor Aksentijević


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Lübeck
(Homepage)




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