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Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im StaatenHaus Köln-Deutz (Saal 2) am 9. März 2025
(rezensierte Aufführung: 26. März 2025)


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Oper Köln
(Homepage)

Der ewige Frauenheld wird entmystifiziert

Von Stefan Schmöe / Fotos von Sandra Then

Was geschah im Zimmer Donna Annas wirklich? Darüber wird seit der Uraufführung gestritten. Konnte sie einen Versuch Don Giovannis, sie zu vergewaltigen, abwehren - oder ist sie doch dem ewigen Verführer verfallen? Letztere Annahme war im 19., aber auch im 20. Jahrhundert recht populär, kommt doch Annas Verlobter Don Ottavio so vernünftig, einfühlsam und dadurch auch ein bisschen langweilig daher. Da scheint der draufgängerische Frauenheld als Gegenentwurf zur verknöcherten bürgerlichen Sexualmoral ziemlich attraktiv. In Köln hält sich Regisseurin Cecilia Ligorio an den Text, dem bei Mozart allerdings durchaus nicht immer zu trauen ist. In dieser Inszenierung legt Donna Anna recht sachlich dar, was passiert ist: Unerkannt sei er in ihr Zimmer gekommen, sie habe ihn zunächst für Ottavio gehalten und sich dann gegen die Umarmungen des Unbekannten erfolgreich gewehrt. Erkannt hat sie den Eindringling später an der Umarmung von hinten, die Don Giovanni im falschen Glauben an seine Unwiderstehlichkeit bei der nächsten Begegnung, diesmal ohne Maske, wiederholt. Anna aber ist immun gegen solche toxische Männlichkeit und bleibt ihrem Verlobten treu.

Szenenfoto

Donna Anna erkennt nicht, wer sie hier bedrängt - das gibt sie jedenfalls später glaubwürdig zu Protokoll. So kommt Don Giovanni erst einmal davon. Leporello (rechts) sinniert derweil, ob er diesem zwielichtigen Herrn weiter dienen soll.

Ligorio hat diese wie viele (nicht alle) Szenen mit einer sehr präzisen Personenregie geradezu analytisch inszeniert. Donna Anna ist die Frau, die sich Giovanni widersetzt. Kathrin Zuckowski singt mit leuchtendem, auch in den Koloraturen geschmeidigem Sopran, dem eine Spur an Grandezza für die Figur fehlt. Ihrem Verlobten Ottavio gibt Dmitry Ivanchey die richtige Mischung aus lyrischem tenoralem Schmelz (er singt in dieser ansonsten der Prager Fassung folgenden Produktion die für die Wiener Aufführung nachkomponierte Arie "Dalla sua pace") und Entschlossenheit. Die beiden stehen, in blau gekleidet, für Rationalität - der Status "in einer Beziehung" ist stabil. Das ist bei dem jungen Bauernmädchen Zerlina zu Beginn noch nicht ganz klar, als Giovanni sie just am Tag ihrer Hochzeit zu verführen versucht. Giulia Montanari singt sie mit hübscher, nicht sehr großer Soubrettenstimme. Aber nach kurzer Faszination für den Frauenhelden durchschaut sie sein böses Spiel und entscheidet sich für ihren Bräutigam Masetto, den Wolfgang Stefan Schreiber überzeugend als noch sehr jungen Mann spielt und mit schlankem, aber zupackendem Bariton ausstattet. Die beiden geben hochzeitsgemäß das weiße Paar ab. Und auch hier lässt die Regie wenig Zweifel: Ist Zerlinas Entscheidung für Masetto einmal gefallen, so bleibt es auch dabei.

Szenenfoto

Don Giovanni (Mitte) und Leporello belauern Donna Elvira

Die Frau, die Giovanni trotz des Wissens um seine Untreue hoffnungslos verfallen ist, das ist Donna Elvira, in leuchtendes Rot gekleidet wie die von einem Tanzensemble verkörperten allegorischen Figuren, die hin und wieder die Welt Giovannis bebildern. Die Kostüme (Vera Pierantoni Giua) schaffen einen auch farblich klaren Bezugsrahmen im etwas trist geratenen Bühnenbild (Gregorio Zurla), das eine labyrinthisch anmutende Zimmerflucht auf der Drehbühne andeutet. Elvira wird mit nostalgisch anmutenden Koffern als eine Reisende dargestellt. Valentina Mastrangelo gibt der Figur auch stimmlich die passende Würde. Mit der gleichen Beständigkeit, mit der sie Giovanni nachläuft, warnt sie die anderen vor ihm. Sehr schön dargestellt ist eine zarte Freundschaft zwischen Elvira und der sie verstehenden (und immer wieder tröstenden) Zerlina. Die Regie sorgt also klare Verhältnisse im bewegten Liebesleben Giovannis, der im zweiten Akt mit seiner mandolinenbegleiteten Kanzonette "Deh vieni alla finestra" wenigstens eine Kammerzofe bezirzen kann. Keine gute Quote für einen Frauenhelden. In dieser Inszenierung wird Don Giovanni nach Kräften entmystifiziert.

Szenenfoto

Bauernhochzeit: Zerlina, Masetto und Chor

Seth Carico singt ihn mit recht hellem, durchsetzungsfähigem Bariton, der maskuline Kraft ausstrahlt, aber nicht allzu verführerisch klingt. Er könnte seinem Untergang recht leicht entkommen, würde er im Finale kurzerhand seinen Lebenswandel verändern. Der von ihm zu Beginn ermordete Komtur (Christoph Seidl) hat wenig dämonische Züge und tritt nicht als unheimliche Statute, sondern als ziemlich bürgerlicher Mahner in Erscheinung. Entweder Giovanni benimmt sich besser, oder es gibt eine Strafe - da folgt die Regie einem ziemlich schlichten Erziehungsmodell. Er entscheidet sich für die Strafe - und sinkt tot nieder. Für die Höllenfahrt ist allein die Musik zuständig. Diese szenisch unspektakuläre Lösung steht in einem gewissen Widerspruch dazu, dass die Regie auf der anderen Seite diesen Giovanni zum Antrieb allen Handelns erklärt, der am Ende über der Szene triumphiert. Über die Haltung zu ihm definieren sich alle anderen Akteure. Dafür dürfte er zuvor ein wenig größer erscheinen. Da bleibt er aber ein vom Pech verfolgter, triebgesteuerter Mann ohne weitere Eigenschaften und ohne Mitgefühl. Ihn aber gleichzeitig übergroß anzulegen und auf menschliche Maße zurechtzustutzen, das gelingt der Regisseurin nicht so recht. Giovanni bleibt allzu menschlich. Der durchaus empathiefähige Leporello (solide: Adrian Sâmpetrean) ist nicht unglücklich, seinen ichbezogenen Herrn loszuwerden.

Szenenfoto

Höllenfahrt: Leporello (links), der Komtur und Don Giovanni

Die psychologischen Beziehungen zwischen den Figuren sind überzeugend dargestellt, und daraus gewinnt die Aufführung doch einige Spannung - auch wenn der Witz dieses "dramma giocoso" szenisch ein wenig auf der Strecke bleibt. Den hört man allerdings im Orchester, das sich etwa in Leporellos "Register-Arie" mit der Aufzählung vergangener Liebschaften vor Lachen nur so schüttelt. Bei einem guten, aber nicht überragenden Ensemble auf der Bühne (dazu gehört auch der genau und klangschön singende Chor, Einstudierung: Rustam Samedov) ist das ausgezeichnete Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Tomáš Netopil musikalisch der Star der Aufführung. Netopil findet zu einer ungemein plastischen, manchmal schmerzlich verdichteten, im ersten Akt von nervöser Spannung gekennzeichneten Interpretation. Und Luca Marcossi begleitet am Hammerflügel nicht nur gedankenschnell und virtuos die Rezitative, sondern gestaltet feinfühlig die vielen plötzlichen Stimmungswechsel.


FAZIT

Der analytisch scharfen, sehr genau inszenierten und gespielten Inszenierung fehlt eine Spur an Witz und an Größe, uninteressant ist sie aber nicht. Musikalisch veredeln das Gürzenich-Orchester und das mitreißende Dirigat von Tomáš Netopil eine sängerisch gute, wenn auch nicht überragende Aufführung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tomáš Netopil

Inszenierung
Cecilia Ligorio

Bühne
Gregorio Zurla

Kostüme
Vera Pierantoni Giua

Choreographie
Daisy Ransom Phillips

Licht
Andreas Grüter

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Svenja Gottsmann


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Don Giovanni
Seth Carico

Donna Anna
* Kathrin Zukowski /
Emily Hindrichs

Don Ottavio
Dmitry Ivanchey

Komtur
Christoph Seidl

Donna Elvira
* Valentina Mastrangelo /
Judith van Wanroij

Leporello
Adrian Sâmpetrean

Masetto
* Wolfgang Stefan Schwaiger /
William Socolof

Zerlina
* Giulia Montanari /
Maria Koroleva



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