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María de Buenos Aires

Operita in zwei Teilen
Libretto von Horacio Ferrer
Musik von Astor Piazzolla


in spanischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Premiere im StaatenHaus Köln-Deutz (Saal 2) am 24. Mai 2025
(rezensierte Aufführung: 28. Mai 2025)


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Oper Köln
(Homepage)

Spiel' mir das Lied von der Diktatur

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu

"Du Idiot! Merkst Du nicht, dass dies der echte Piazzolla ist, nicht jener andere?" Klare Worte von Nadia Boulanger an ihren Schüler Astor Piazzolla, als der ihr zum ersten Mal einen seiner Tangos am Klavier vorspielte. Die Beschäftigung mit diesem Metier hatte er vorsichtshalber verschwiegen, plante er doch eine "seriöse" Komponistenkarriere in der Tradition Béla Bartóks und Igor Strawinskys. Auf Boulangers Urteil hörte er trotzdem - und machte den Tango, zuvor ein geächteter Tanz der Bordelle und Halbweltkneipen, salonfähig. Piazzolla blieb als Erfinder des "Nuevo Tango" ein Meister der kleinen Form, das hört man auch der 1968 komponierten "Operita" María de Buenos Aires an. Die 17 Szenen bilden weit eher einen Liederzyklus als ein dramatisches Werk.

Szenenfoto

María und El Duende vor dem Logo der Fußball-Weltmeisterschaft 1978

Das Libretto verfasste Horacio Ferrer (1933 - 2014), ein aus Uruguay stammenden Lyriker, dessen Gedichte Piazzolla schätzte. Er erzählt die (reichlich mit surrealen Nebensträngen angereicherte) Geschichte von María, die aus einer Vorstadt von Buenos Aires kommt, durch die Stadt und deren Abgründe streift, getötet wird, als Schatten weiterlebt und letztlich eine Tochter zur Welt bringt. Dabei ist diese María eine allegorische Figur, in der man die Stadt Buenos Aires oder auch den Tango an sich sehen kann. Neben María gibt es den Erzähler "El Duende" als Sprechrolle, einen Bariton "Cantador", der María in verschiedenen Rollen entgegentritt, und einen musikalisch sehr reizvoll eingesetzten Sprechchor. Der erzählende Text treibt weniger die nur vage angedeutete Handlung an, als dass er wortgewaltig Stimmungsbilder erschafft. "Die Kleine kam zur Welt an einem Tag, da Gott besoffen war", heißt es da etwa über María. So poetisch das im Moment sein mag, auf die Dauer von rund 100 Minuten ermüdet der Sprachgestus dann doch ziemlich. So ist es vor allem die Musik Piazzollas, die den Reiz dieser Produktion ausmacht.

Szenenfoto

El Duende und Bandoneon (das man nur gnz kurz auf der Bühne sieht)

Zwar atmet María de Buenos Aires in jedem Takt den Geist von Tanzmusik und insbesondere auch Tango, aber die kunstvoll ausgearbeitete Partitur bedient sich mitunter barocker Elemente wie etwa fugierte Passagen, die man in diesem musikalischen Kontext nicht erwartet. In Köln spielt unter der Leitung der jungen argentinischen Dirigentin Natalia Salinas ein kleines, auf die Dimensionen einer Tango-Kapelle reduziertes Orchester, das an Stelle eines großen symphonischen Sounds einen kammermusikalisch klaren, transparenten und ausgesprochen delikaten Klang erzeugt. Salinas dirigiert ohne jeden Anflug von Pathos und Sentimentalität. Exzellent spielen die Solisten Omar Massa (Bandoneon), Moritz Beck (Gitarre) und Rainer Mühlbach (Klavier). Die Deutsch-Kolumbianerin Adriana Bastidas-Gamboa singt die María mit dunkel gefärbten Mezzosopran, in den sie mit angemessener Schärfe eine gewisse Härte legt: Musikalisch ist diese María eine Stoikerin, die nicht mit den Widrigkeiten des Umfelds hadert, sondern ihre Rolle akzeptiert. Der argentinische Bariton Germán Enrique Alcántara betört als "Cantador" im Piano mit verführerisch einschmeichelndem Timbre, klingt im Forte allerdings für diese Musik allzu opern- und auch operettenhaft. Die argentinische Schauspielerin Tatiana Saphir spricht die Erzählerin mit klangprächtigem, die Wortmelodie auskostendem Spanisch, ohne in falsches Pathos zu verfallen.

Szenenfoto

Verklärung Marías; vorne rechts der "Cantandor"

Die Kölner Oper ist, wie man an der Herkunft der Mitwirkenden erkennt, offensichtlich um eine "authentische" Besetzung bemüht. Auch Regisseurin und Choreographin Teresa Rotemberg, Jahrgang 1966, ist In Buenos Aires geboren. Das ist nicht zuletzt deshalb bedeutsam, als sicher auch biographische Erfahrungen in ihre Inszenierung hineinspielen. Das kleine Orchester setzt sie auf die ansonsten leere Bühne, für die Bebilderung sorgen eindrucksvolle großformatige Videosequenzen (Stefan Bischoff). Undeutliche Stadtlandschaften wechseln mit animierten Grafiken, die das verspielt surrealistische Moment betonen. Als weitere Schicht legt Rotemberg eine Erzählung von der Militärdiktatur der Jahre 1976 - 1983, während der nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen 30.000 Menschen in den Gefängnissen verschwanden und ermordet wurden, über die Handlung. Es geht unter die Haut, wenn immer wieder Fotos von Vermissten im Video gezeigt werden. Ansonsten bleibt der Bilderbogen von der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 über die "Madres de Placa Mayo" (ein Zusammenschluss protestierender Mütter und Ehefrauen von Verschwundenen) bis zu den Demonstrationen für Aufarbeitung nach dem Ende der Diktatur ziemlich oberflächlich.

Szenenfoto

Ende der Diktatur: Ensemble

Rotemberg setzt ein sechsköpfiges Tanzensemble ein, das sie schön choreographiert, wenn es María wellenförmig durch den Raum trägt, als würde sie schwimmen. Ansonsten sieht es leider oft unverbindlich hübsch aus wie damals in den Zeiten des Fernsehballetts. Wenn die Tänzerinnen und Tänzer etwa im Trikot der erfolgreichen argentinischen Fußball-Nationalmannschaft sich einen Ball zurollen, fehlt es entschieden an Schärfe und Witz. (Den sieht man sehr viel eindrucksvoller im Video, wo das WM-Logo sich verblüffend leicht in Edvard Munchs ikonographisches Gemälde Der Schrei verwandelt.) Es gelingt der Regie zudem nicht, ihre Hauptdarstellerin angemessen in Szene zu setzen. Adriana Bastidas-Gamboa, die in Köln einen fulminanten Auftritt als Carmen in der Inszenierung Lydia Steiers gezeigt hat (unsere Rezension), entwickelt hier vergleichsweise wenig Bühnenpräsenz und bleibt allzu passiv. Da wird einiges vom Potenzial der "Operita" verschenkt.


FAZIT

Teresa Rotembergs Bilderbogen über die argentinische Diktatur gerät insgesamt ein wenig zu leichtgewichtig. So lohnt die Produktion mehr der schönen, exquisit und unsentimental gespielten Musik wegen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Natalia Salinas

Inszenierung und Choreographie
Teresa Rotemberg

Kostüme
Tanja Liebermann

Licht
Andreas Grüter

Video
Stefan Bischoff

Dramaturgie
Stephan Steinmetz


Gürzenich-Orchester Köln

Bandoneon
* Omar Massa /
Lothar Hensel

Gitarre
Moritz Beck

Klavier
Rainer Mühlbach

* Besetzung der rezensierten Aufführung


Solisten

María
Adriana Bastidas-Gamboa

Cantador
Germán Enrique Alcántara

El Duende
Tatiana Saphir

Bandoneon
* Omar Massa /
Lothar Hensel

Tanzensemble
Viola Cantù
Oskar Eon
Alex Huynh
Jacqueline Krell
Raquel Lanziner
Christian Meusel
Juan Camilo Rojas Arevalo
Mandy Smits

Sprechchor
Midian Abeler
Eva Arteaga
Tanja Baumgart
David Eicler
Susan Fararuni
Agnes Fischer
Silke Natho
Tobias Novo
Tom Wirtz

Kleine María
Tara Djuric



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



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