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Nabucco

Dramma lirico in vier Teilen
Libretto von Temistocle Solera
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 1) am 1. Dezember 2024
(rezensierte Aufführung: 23. Dezember 2024)


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Oper Köln
(Homepage)

Religionskrieg im Wellblechschuppen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu

Beim Hören dieser Aufführung denkt man immer wieder: Man tut der Musik zu Nabucco unrecht, wenn man sie belächelt. Sicher, manchmal klingt der Orchestersatz für sich genommen, als handle es sich um eine flotte Operette oder gar um Jahrmarktmusik - viel Tschingderassassa und Geklingel, während es auf der Bühne um Leben und Tod geht. Aber wie das famose Gürzenich-Orchester hier mit atemberaubender Präzision und brodelnder Energie brilliert, die Musik federnd und atemlos zum Klingen bringt, das macht gerade Verdis effektvolle, scheinbar triviale Steigerungen zum rastlosen Antrieb des Dramas. Dirigent Sesto Quatrini befeuert die Musikerinnen und Musiker zu höchster Agilität, ohne an Kontrolle einzubüßen. Zur italienischen Oper dieser Zeit (das Werk wurde 1842 uraufgeführt, ist aber darin noch der Musik Rossinis und Donizettis verpflichtet) gehört eben auch ein ordentliches Maß an Virtuosität, und das kann man hier auf mitreißende Weise erleben. Auf der anderen Seite steht satter und warmer, differenzierter Klang in den getragenen Passagen. Und auch der von Verdi reichlich bedachte Chor, oft Träger des Geschehens, glänzt mit homogenem (nie massigem) Klang und sorgfältiger Ausgestaltung. Dabei muss man sich ja mit den akustisch nicht ganz einfachen Bedingungen im Kölner Staatenhaus arrangieren, in dem das Orchester an diesem Abend ganz klassisch vor der Bühne wie in einem Orchestergraben, nur sehr langgezogen, platziert ist.

Szenenfoto

Hebräer? Leviten? Babylonier? Egal. Der Chor singt so oder so großartig.

Die Stimmen haben es in diesem offenen Raum nicht leicht. Stefano Meo gestaltet die Titelpartie mit einem dunklen, leicht rauen, auch in der Tiefe noch satten Bass, mit dem er eindrucksvoll den zerrissenen, vom Wahnsinn wie von Selbstzweifeln gequälten babylonischen König portraitiert. Für die Verzweiflungsausbrüche fehlt es der Stimme ein wenig an Volumen, um in diesem Saal ein echtes Fortissimo zu erzeugen. Donnern kann dieser ansonsten faszinierend vielschichtige Nabucco nicht. Das gilt noch mehr für die Abigaille von Trine Møller, die mit eher lyrischem Sopran die machtgierige, in der Erbfolge allerdings benachteiligte Tochter Nabuccos singt. Wenn sie die Stimme forciert, dann weitet sich das Vibrato allzu sehr auf, und für die dramatischen Attacken fehlt es an Durchschlagskraft. Da hat es Adriana Bastidas Gamboa als Fenena, in Liebes- wie in Machtfragen Rivalin Abigailles, leichter - mit ihrem charmant dunkel eingetönten, nicht allzu großen Mezzosopran gestaltet sie die (weniger gewichtige, auch weniger dramatische) Partie eindrucksvoll.

Szenenfoto

Abigaille (Trine Møller, in der Mitte) wie auch Fenena (Adriana Bastidas-Gamboa) fühlen sich zu Ismaele (hier im Bild: Vasyl Solodkyy) hingezogen.

Nabucco muss sich nicht nur der Intrige seiner Tochter Abigaille entgegenstellen, sondern auch des Hohepriesters der feindlichen Hebräer, erwehren. Für den bringt Simón Orfila die nötige Tiefe und vokale Statur mit, bleibt aber mit flackernder Stimme in der Tongebung allzu unscharf. Young Woo Kim singt mit schönem, nicht zu hellem und nicht zu leichtem Tenor Fenenas (hebräischen) Liebhaber Ismaele - der von Verdi wie vom Librettisten Temistocle Solera leider allzu schnell vergessen wird und aus der Oper entschwindet. Christoph Seidl bleibt als Oberpriester des Baal unauffällig wie auch Armando Ellzondo in der kleinen Partie des Abdallo. Claudia Rohrbach singt mit schöner Stimme die ebenfalls kleine Partie der Anna, darf aber vor dem vierten Teil noch ein Gedicht von Ingeborg Bachmann vorlesen (Einem Feldherrn). Denn, ach ja, es gibt auch noch eine Inszenierung.

Szenenfoto

Machtkampf: Abigaille (Trine Møller) und Nabucco (Stefano Meo)

Dafür ist Ben Baur zuständig, der auch gleich das Bühnenbild entworfen hat: Einen schuhkastenförmigen Wellblechschuppen, der wie die Kostüme von Julia Katharina Berndt das Geschehen in der Gegenwart verortet. Für düstere Atmosphäre ist gesorgt, aber so etwas wie ein Regiekonzept will sich nicht erschließen. Sicher ist der Chor angemessen verzweifelt und hübsch drapiert, aber wenn es darum geht, die Geschichte zu erzählen, läuft es doch ziemlich durcheinander. Ein recht abstraktes Einheitsbühnenbild für sehr unterschiedliche Schauplätze (den Tempel in Jerusalem, den Palast in Babylon, das Ufer des Euphrat, den Altar des Baal-Kults) wirft ja schon Probleme auf, die Baur nicht lösen kann. Das Aufeinandertreffen zweier Kulturen und Religionen ist bestenfalls ansatzweise im albernen Kostüm des Baal-Priesters mit helmartiger Kopfbedeckung spürbar. Der politisch-religiöse Konflikt bleibt auf der Bühne viel zu verschwommen. Ob der Chor gerade Hebräer, Leviten oder vielleicht doch Babylonier darstellt, wird oft nicht deutlich, als käme es nicht darauf an.

Szenenfoto

Nochmal Machtkampf: Abigaille (Trine Møller) und Nabucco (Stefano Meo)

Auch im Detail fehlt es entschieden an Präzision - und vielleicht auch am Willen, eine plausible Geschichte zu erzählen. Ein Eroberer und Tyrann wie Nabucco dürfte sich wohl kaum ohne Eskorte unter das geknechtete Volk mischen. Eine detailliert vorbereitete Massenhinrichtung scheitert ohne erkennbaren Grund, aber die Choristen haben ja noch jede Menge zu singen. Schusswaffen werden freundlich zwischen Freund und Feind ausgetauscht, wenn der andere sie gerade braucht. In den dekorativen Käfig, in den Abigaille ihn einsperren möchte, geht Nabucco quasi freiwillig - und so weiter. Beinahe schon wieder lustig ist, wie Abigaille sich Gift aus einer Art Salzstreuer in den Wein kippt (weder sie noch Fenena werden das Ende der Oper erleben). Dabei tut die Regie immer wieder so, als wolle sie genau sein. Ernst zu nehmen ist das szenische Geschehen nicht. Zumindest erspart die Ausstattung die Peinlichkeiten einer antikisierenden Ausstattungsoper in historischen Kostümen. Immerhin.


FAZIT

Tolles Orchester, toller Chor, recht gute Sängerinnen und Sänger - musikalisch kann dieser Nabucco beeindrucken. Die belanglose Inszenierung lenkt nicht weiter ab.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
* Sesto Quatrini
Giulio Cilona

Inszenierung
Ben Baur

Bühne
Ben Baur

Kostüme
Julia Katharina Berndt

Choreographie
Rachele Pedrocchi

Licht
Nicol Hungsberg

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Stephan Steinmetz


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Nabucco
Ernesto Petti /
* Stefano Meo

Ismaele
* Young Woo Kim /
Vasyl Solodkyy

Zaccaria
Evgeny Stavinsky /
* Simón Orfila

Abigaille
Marta Torbidoni /
* Trine Møller

Fenena
Aya Wakizono /
* Adriana Bastidas-Gamboa

Oberpriester des Baal
Lucas Singer /
* Christoph Seidl

Abdallo
John Heuzenroeder /
* Armando Elizondo

Anna
Claudia Rohrbach

Performer*innen
Manuel Gaubatz
Milena Junge
Thomas Rohe
Leticia Taguchi
Annika Wiessner



Weitere
Informationen

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Oper Köln
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Da capo al Fine

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