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Musiktheater
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Norma

Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 1. Dezember 2024 im Opernhaus Leipzig
(rezensierte Aufführung: 7. Dezember 2024)

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Oper Leipzig
(Homepage)

Dann inszenieren wir mal irgendwas mit Krieg

Von Stefan Schmöe / Fotos von Tom Schulze

Diese Inszenierung hat eine Vorgeschichte. Eigentlich sollte Anthony Pilavacchi Camille Saint-Saens' vergessene Oper Les Barbares in Leipzig inszenieren. Die Ausstattung von Markus Meyer war bereits fertig. Das Szenario: Frankreich während des Ersten Weltkriegs. Dann kam die Corona-Pandemie - und eine Erkenntnis: "Mir wurde zwischen den Lockdowns klar, dass das so nicht funktionieren würde", äußert sich Pilavacchi im Programmheft. Was aber mit den fertigen Kulissen und aufwendigen Kostümen für eine große Choroper tun? So kam Norma ins Spiel. Immerhin geht da auch um Krieg, wenn auch zwischen Galliern und Römern. Der wird dann kurzerhand umgedeutet in den Kampf zwischen Partisanen und Mussolinis Faschisten, was zwar weder vom Ort noch von der Zeit so richtig passt, aber darauf kommt es der Regie nicht so an. Schließlich ist auch Norma kein historientreues Geschichtsdrama. Und eine grundsätzliche Anklage gegen die Schrecken des Krieges ist ja nie falsch.

Szenenfoto "Faschisten raus": Blöd nur, dass Aldagisa sich auf ein Verhältnis mit dem Faschisten Pollione eingelassen hat.

Das Positive an diesem Konzept ist, dass dem Publikum die Peinlichkeiten einer schlechten antiken Ausstattungsoper mit gallischen Druiden und römischen Soldaten erspart bleiben. Ersetzt werden sie durch eine ein bisschen weniger peinliche Ausstattungsoper, bei der Soldaten wild mit Gewehren und Pistolen herumfuchteln. Die Ausstattung von Markus Meyer passt eben doch nur in Teilen zur Geschichte - aber eine dekorative Kulisse bildet sie schon. So spielt der erste Akt in einem großen Lazarettsaal, der zweite Akt auf einem Platz vor einem antiken oder klassizistischen Tempel, der offenbar ein (geplündertes) Museum beherbergt. Das sind die Hintergründe für die monumentalen Chorauftritte. Die kammerspielartigen Szenen spielen in einem kleinen Raum, offenbar ein Nebenraum des schon erwähnten Lazaretts, was gut funktioniert, so lange es um die Liebesgeschichte geht. Der Konflikt zwischen Partisanen und Faschisten bleibt in diesem Umfeld allerdings völlig unglaubwürdig.

Szenenfoto

"Casta Diva" im Lazarett: Norma ist keine keusche Priesterin, sondern Krankenschwester auf Seiten der Partisanen.

Norma ist hier keine gallische Kriegerin, sondern Krankenschwester in den Kreisen der Widerstandskämpfer. Aus ihrem heimlichen Geliebten Pollione macht die Regie einen Offizier der Faschisten. Das Drama kommt in Gang, als sich Pollione in die jüngere Priesterin Aldagisa verliebt, und das nimmt man im Rahmen gängiger Opernkonventionen als Dreiecksgeschichte ja noch hin. Dem zweiten, wichtigeren Handlungsstrang, nämlich dass Priesterin Norma ihr Keuschheitsgelübde verletzt hat und im Verborgenen zwei Kinder aufzieht (deren Vater natürlich Pollione ist), fehlt dagegen die Motivation. Und geradezu absurd erscheint die Entscheidung, die junge Aldagisa in ein matronenhaftes Kostüm zu stecken, in dem sie wie die Tante Normas aussieht. Aber vermutlich musste auch dieses Kostüm irgendwie verwendet werden. Selbst damit kann man leben, denn grundsätzlich ist es ja nicht falsch, der Oper keine übergeordnete Interpretation aufzusetzen, sondern sie als großes emotionales Drama zu spielen. Allerdings kommt die Personenregie kaum einmal über konventionelle Betroffenengesten und aufgeregtes Hin-und-her-Laufen hinaus. Kurz: Die Musik müsste es richten. (Was gerade bei Norma natürlich eine Binsenweisheit ist).

Szenenfoto Rivalinnen: Aldagisa (links) und Norma

Daniele Squeo dirigiert das klanglich exquisite, im Detail manchmal unkonzentrierte Gewandhausorchester ziemlich undifferenziert. Viel zu oft lässt er im pauschalen Mezzoforte spielen, und nach einer halben Stunde hat man Bellinis Erfolgsrezeptur dann auch wirklich verstanden, so sehr werden die mechanischen Begleitfiguren breitgetreten und die Steigerungen mit viel Tschingderassa ausgekostet. Dazu bleibt der Eindruck, dass den Sängerinnen und Sängern mehr Flexibilität im Dirigat, aber mitunter auch flüssigere Tempi hilfreich wären. Roberta Mantegna bringt für die gefürchtete Titelpartie einen ziemlich dramatischen, leicht metallischen Sopran ein, der über ein leuchtendes Piano verfügt, aber oft forciert wird und dabei erheblich an Farbe verliert. Am schönsten gelingen die Duette, in denen die Sängerin die Stimme zurücknimmt, und in den dramatischen Zuspitzungen besitzt sie zumindest die nötige Energie. Bellinis sicher berühmtesten Arie "Casta Diva" fehlt es an Schmelz und Wohlklang, damit auch an Innerlichkeit.

Szenenfoto

Auch wenn die Kunst des Belcanto etwas kurz kommt: Am Gesang liegt es wohl nicht, dass Norma ihrem ungetreuen Liebhaber Pollione beinahe die Kehle durchschneidet.

Ähnlich geht es Tenor Dominick Chenes als Pollione, für den er (bei einigen Schwierigkeiten mit den Spitzentönen) zwar die Kraft mitbringt, aber wenig Geschmeidigkeit. Mit Abstand am besten trifft Kathrin Göring als Aldagisa einen angemessenen Belcanto-Ton. Die klare, leuchtende Stimme bleibt, wenn nichts anderes gefordert ist, im Piano oder Pianissimo und setzt auf das, was diese Musik ausmacht: Die Schönheit des Gesangs. Und auch der ausgezeichnete Chor (Einstudierung: Thomas Eitler de Lint) beeindruckt mit den leisen Tönen, die mit samtenem Klang die "Casta Diva" in ihrer Arie begleiten. Selbst wenn Bellini allerlei kriegstreiberische Hurra!-Rufe einfordert, wird der Chor nicht lärmend. Randall Jakobsh als Normas Vater Orovese kann sich nach verhuschtem Start steigern, Gabrielė Kupšytė singt eine blitzsaubere Clotilde.


FAZIT
Dramatik gibt's reichlich, aber in dieser reichlich beliebig und uninspiriert inszenierten wie dirigierten Norma will sich das große Belcanto-Glück nicht einstellen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniele Squeo

Inszenierung
Anthony Pilavachi

Bühne und Kostüme
Markus Meyer

Licht
Michael Röger

Chor
Thomas Eitler de Lint

Dramaturgie
Kara McKechnie

Komparserie
der Oper Leipzig

Chor der Oper Leipzig

Gewandhausorchester Leipzig


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Pollione
Dominick Chenes

Oroveso
* Randall Jakobsh /
Yorck Felix Speer

Norma
Roberta Mantegna

Adalgisa
Kathrin Göring

Clotilde
Gabrielė Kupšytė

Flavio
Matthias Stier

Kinder Normas und Polliones
Leopold Görmar
Naila Warmuth
* August Karlström
* Antonia Voigtmann



Weitere
Informationen

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Oper Leipzig
(Homepage)



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