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Midas kommt im goldenen Angeber-Jet
Von Roberto Becker /
Fotos von
Monika Rittershaus und Geoffrey Schied
Im Moment herrscht kein Mangel an Richard-Strauss-Opern. Salome gibt's aktuell von Antwerpen bis Zwickau. Mit der Frau ohne Schatten komplettierte Tobias Kratzer an der Deutschen Oper in Berlin gerade seine Strauss-Trilogie, zu der Arabella und Intermezzo gehören. Auch an der Semperoper in Dresden kann man sich an dem letztgenannten familiären Selbstporträt erfreuen (unsere Rezension). In Hamburg hat gerade Dmitri Tscherniakov mit einer Ariadne auf Naxos nach Elektra und Salome seine Strauss-Trilogie komplettiert.
Danae ist die letzte Hoffnung der Pleitegesellschaft (Foto: Geoffrey Schied)
Obwohl die Opern des Bajuwaren also keine Seltenheit sind, hätte der grippebedingte Ausfall der schwedischen Sopranistin Malin Byström die Premiere der nach 30 Jahren ersten Münchner Inszenierung der Liebe der Danae fast platzen lassen. Denn die gehört zu den paar wirklich nur sehr selten gespielten Strauss-Opern. Aber wenn es ernst wird, dann ist die Welt der Oper immer noch für ein Wunder gut. In der letzten Danae-Inszenierung, die 2011 an der Deutschen Oper Berlin Premiere hatte und bis 2016 im Programm war, verkörperte Manuela Uhl die Danae. Dass die Künstlerin sich bereiterklärte hat, mit einem Tag Vorlaufzeit, also wirklich aus dem Stand, von der Seite aus die Rolle zu singen, verdient allein schon größten Respekt. Dass sie es dann aber hinbekam, auch szenisch in ihren im Handumdrehen angepassten Goldfummel und die Rolle hineinzuspringen und sie imponierend auszufüllen, das zeugt von einem fabelhaften Gedächtnis und ermöglichte das Wunder, das den Abend rettete. Natürlich wurde Uhl dafür schon mit Applaus bei der Ansage und mit standing ovations am Ende gefeiert. Der berühmte Ritt über den Bodensee war es dennoch nicht, denn hier fiel am Ende niemand tot um, weil er nicht wusste, was er tat. Ein Tanz auf dem Hochseil, ohne abzustürzen, war es aber schon. Ein Vorteil für Manuela Uhl war wohl, dass Sebastian Weigle schon in der Berliner Produktion am Pult gestanden hatte und Claus Guth einer der sensibelsten und klügsten Regisseure im Lande ist. ![]() Jupiter (rechts) und das goldene Prunkbett; links Midas (Foto: Geoffrey Schied) Eine besondere vokale Herausforderung war es gleichwohl. Denn die beiden Männer, zwischen deren Werben Danae schwankt, werden von Christopher Maltman und Andreas Schager verkörpert. Der eine als Gott Jupiter, der andere als der von ihm vorgeschickter Midas setzten beide auf ihre jeweils enorme vokale Durchschlagskraft. Wenn die so fahren würden, wie sie singen, dann müsste man die Autobahn vorher sperren. Dass Uhl hier nicht untergeht, kommt auf ihren Ausnahme-Abend noch als Krönung obendrauf. In dem Libretto, das Joseph Gregor "mit Benutzung eines Entwurfs von Hugo von Hofmannsthal" gebastelt hat (ohne auch nur annähernd dessen dichterisches Niveau zu erreichen), ist König Pollux (Vincent Wolfsteiner) in der Pleite-Bredouille. Er will seine Tochter Danae verhökern und hat zu dem Zweck Fühlung mit König Midas aufgenommen. Hinter dem freilich steht in Wahrheit der göttliche Supermacho Jupiter. Der ist in die Jahre gekommen und will er es noch einmal wissen. Mit seinen Erfahrungen als Schwan bei Leda (Avery Amereau), als deren Ehemann bei Alkmene (Emily Sierra), als Stier wie bei Europa (Evgeniya Sotnikova) oder als Wolke wie bei Semele (Sarah Dufresne). Diese Damen bilden ein Quartett der Verflossenen, die immer noch so fasziniert von ihrem göttlichen one night stand sind, dass sie ihn jederzeit wiederholen würden. Selbst als bei Jupiter schon Danae auf der Verführer-Agenda steht und er sie mit dem Glanz von König Midas' Gold blenden und verführen will, machen sie sich noch an den Gott heran. ![]() Danae auf dem Weg in die Armut (Foto: Geoffrey Schied) Doch Danae entscheidet sich für den echten Midas, der eigentlich ein syrischer Eseltreiber ist, dem Jupiter mit der Fähigkeit, alles zu Gold werden zu lassen, was er berührt, bedacht hat. Was ja schon auf den zweiten Blick mehr Fluch als Segen ist. Midas und Danae stehen auch dann zueinander, als Jupiter beide aus gekränkter Eitelkeit in die Armut und eine Hütte verbannt. Wo die Liebe hinfällt, da ist halt nichts zu machen, so die Erkenntnis des Gottes nach zweieinhalb ziemlich schwerfällig von Joseph Gregor gedichteten und vom Altmeister gewohnt versiert, aber ohne die selbstironische Leichtigkeit anderer Spätwerke komponierten, sich dann doch etwas hinziehenden dreieinhalb Brutto-Stunden. Am Ende einigen sich der Gott und die Menschenfrau friedlich und Richard Strauss komponiert all das als ein ausuferndes Dauerfinale, das sich weder um die Puste und die Kehlen der Sänger noch um die Ausdauer und die Ohren der Zuschauer schert. Für diese Oper reichte es 1944 nur noch für eine halböffentliche Generalprobe in Salzburg - die postume Uraufführung gab es dort erst 1952. Am Ende verweisen die Videos von rocafilm auf das kriegszerstörte München samt Opernhaus. Im Wechsel gibt es den in Garmisch spazierenden Richard Strauss. Wirklich in den Kram passte den Nazis das Ausweichen von Strauss ins Mythologische nicht. Immerhin profitiert auch dieses Alterswerk heute vom Abglanz der besser gepflegten Publikumslieblinge und lässt sie ihrerseits umso heller strahlen. Auch wenn Sebastian Weigle mit dem Bayerischen Staatsorchester jeden Ansatz von Schwelgen umging und unbefangen vor allem auf Lautstärke und das demonstrative Pathos setzte, dem man mit gutem Willen ein gewisses Quantum Parodie zubilligen könnte. ![]() Wenn der Gott sein Wohlwollen entzieht, sieht es nach Katastrophe aus (Foto: Monika Rittershaus) Regisseur Claus Guth freilich bekommt es hin, in dem Werk eine überraschende Relevanz aufzuspüren. Schon das von Michael Levine bühnenfüllend gebaute Großraumbüro im Wolkenkratzer mit Ausblick macht Eindruck und holt alles in die Gegenwart. König Pollux im Donald-Trump-Look wird hier von in Not geratenen Anlegern in grauen Anzügen heftig bedrängt. Es könnte gut sein, dass Elon Musk auch bald mit dem vergoldeten Jet durch die Welt reist, in dem hier König Midas einschwebt. Die vier Ex-Geliebten Jupiters sind von Ursula Kudrna mit exklusivem Hinguckerchic bedacht worden. Danae wird gleich in goldenes Bonbonpapier mit Riesenschleife eingepackt wie ein Luxusgeschenk. Wenn Jupiter seinen Boten (Marke Rosenkavalier) bei Danae ablöst, dann versucht er sie auf ein golden funkelndes Prunkbett zu locken. Freilich ist es Midas, der sich hinreißen lässt, Danae küsst und sie damit in lebloses Gold verwandelt. Die Armut, in die der Gott dann alles zurückversetzt, ist eine zerstörte Etage, von der aus jetzt zerlumpte Überlebende der geplatzten Reichtumsblase vergebens auf Hilfe hoffen. Draußen steigen Rauchwolken auf, im Hintergrund lodern die Flammen. Katastrophen aller Arten. Dazwischen geistert Jupiter herum, als wäre er Wotan als Wanderer im falschen Stück. Auf Anraten seines Loge-ähnlichen Begleiters Merkur (Ya-Chung Huang) versucht er es ein letztes Mal vergeblich bei Danae. Am Ende bleibt ein melancholischer Abgesang, bei dem die Inszenierung zum Plädoyer für das Stück wird und eine mutige Sängerin den Abend rettet. FAZITClaus Guth ist eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Spätwerk von Richard Strauss gelungen. Auf der musikalischen Seite beeindrucken vor allem die stimmlichen Kraftakte - das Einspringen von Manuela Uhl gehört die Kategorie Wunder im Opernbetrieb. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Video
Chor
Dramaturgie
Solisten
Jupiter
Merkur
Pollux
Danae
Xanthe
Midas
Vier Könige
Semele
Europa
Alkmene
Leda
Vier Wächter
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