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La traviata


Melodramma in drei Akten
Text von Francesco Maria Piave
nach dem Drama "La dame aux camélias" von Alexandre Dumas d. J.
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Mönchengladbach am 15. September 2024

Homepage

Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)

Die Frau im Spiegel

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte

Besonders groß war die Begeisterung anlässlich der Uraufführung von La traviata bekanntlich nicht. Ein zeitgenössisches Sujet, das schien 1853 dem Publikum suspekt. Man zog doch lieber historische Stoffe einem Sittenbild der Pariser Oberschicht vor. Dabei hatte Verdi ganz opernhaft die gesellschaftskritischen Aspekte von Alexandre Dumas' Roman Die Kameliendame in Richtung des individuellen Schicksals der Hauptfigur verschoben. Für heutige Inszenierungen stellt sich das umgekehrte Problem: Ohne den Zeitbezug wirkt der Konflikt um Sexualmoral und gesellschaftlichen Status reichlich konstruiert. In dieser Neuinszenierung fixiert Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema daher die Geschichte in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Freilich ohne großen Ausstattungsprunk; er beschränkt sich auf die notwendigsten Requisiten. Für das Zeitkolorit sorgen die historisierenden Kostüme (Tatjana Ivschina).

Szenenfoto

Vorspiel: Violetta und der Blick in den geborstenen Spiegel

Dijkema konzentriert sich ganz auf seine Hauptfigur Violetta Valéry, die "traviata". Wenn der Vorhang sich öffnet, betrachtet sie sich in einem schräg gestellten, die ganze Bühne ausfüllenden Spiegel, der, das tragische Ende vorwegnehmend, gesprungen ist. Es wird um die Rollen gehen, die sie im Verlauf der Oper einnimmt: Die schillernde Kurtisane im ersten Akt; die zurückgezogen mit ihrem Liebhaber Alfredo lebende (und liebende) Frau zu Beginn des zweiten Akts; danach die auf eben diese Liebe Verzichtende. Am Ende steht die Hilflosigkeit gegenüber dem Tod durch die Schwindsucht. Der Blick in den übermächtigen Spiegel ist immer eine Selbstvergewisserung der Rolle, die sie gerade einnimmt - bezeichnend, das der Spiegel im letzten Akt fehlt. Neben ihr gibt die Regie nur Alfredo und dessen Vater Individualität, während alle anderen Figuren durch das vorherrschende Schwarz der Kostüme im gesellschaftlichen Tableau aufgehen. Und er zeigt eine Figur, die man sonst nicht auf der Bühne sieht: Alfredos Schwester. Die hat nach den Worten des Vaters keine Aussicht auf eine "gute Partie", solange der Bruder skandalös mit einer Größe der Pariser Halbwelt liiert ist. Mit dem Kunstgriff, dieses (mit der Situation hoffnungslos überforderte) Mädchen tatsächlich zu zeigen, macht Dijkema den moralischen Konflikt tatsächlich recht gut nachvollziehbar. Das Glück der einen ist an das Unglück der anderen gekoppelt.

Szenenfoto

Pariser Leben: Violetta (in der Mitte) und Partygesellschaft

Sophie Witte singt eine sehr lyrische Violetta ohne divenhafte Attitüde. Die für die Partie vergleichsweise kleine, dafür warm leuchtende Stimme besticht insbesondere im Piano durch ein recht mädchenhaftes Timbre. Dirigent Mihkel Kütson und die sehr aufmerksamen und agilen Niederrheinischen Sinfoniker tragen sie mit stimmfreundlichen Lautstärken, und in den dramatischeren Passagen setzt sie ihre stimmlichen Möglichkeiten klug ein. Die szenische wie musikalische Interpretation bekommt im letzten Akt eine entscheidende Wendung: Violetta stirbt nicht in Alfredos Armen, sondern in Einsamkeit. Die Ankunft des Geliebten bleibt eine letzte Fiebervision vor dem Tod. In dieser introvertierten Szene gewinnt die Stimme an Intensität. Sophie Witte gelingt es aber auch, die Violetta in den Akten zuvor als selbstbestimmte junge Frau zu präsentieren, sogar im Entschluss, Alfredo um des Glücks seiner Schwester willen zu verlassen. So entwickelt sie ein beeindruckendes Rollenporträt.

Szenenfoto

Kurzes Liebesglück: Violetta und Alfredo

Die Gesellschaft, in der sie sich bewegt, zeigt Dijkema als stark sexualisiert - mit manchen mächtig aufgepolsterten Busen. Da schimmern dann doch Parallelen zur Gegenwart durch, wie überhaupt der wohltuend klare "historische" Ansatz in seiner Reduktion keineswegs museal wirkt. Dazu trägt der spielfreudige und klangprächtige Chor entscheidend bei. Mit den üblichen Problemen: Man weiß ja schon vorher, an welchen Stellen Chor und Orchester in der traviata auseinanderlaufen, und genauso ist's dann auch an diesem Premierenabend. Dabei dirigiert Kütson unprätentiös und schnörkellos in klaren Tempi (manche Verzögerungen geraten allerdings ein wenig pathetisch). An der insgesamt sehr guten Ensembleleistung ändert das nichts.

Szenenfoto

Das Ende: Violetta stirbt

Angesichts einer so selbstreflektiven Violetta bleibt der Alfredo szenisch relativ blass. Woongyi Lee singt ihn mit höhensicherem, metallisch strahlendem Tenor, dem es für den feurigen Liebhaber etwas an Schmelz fehlt. Johannes Schwärsky gibt einen polternd strengen Vater Germont von respekteinflößender Gestalt. Die scheppernde Ohrfeige, die er seinem Sohn verpasst, sollte man wohl noch einmal proben. Stellvertretend für das gute Ensemble sei die stimmlich sehr präsente Eva Maria Günschmann in der Rolle der Flora Bervoix genannt.


FAZIT

Gelungener Saisonauftakt in Mönchengladbach: Eine schön anzusehende, szenisch schlüssige und am Ende anrührende traviata auf gutem musikalischen Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihkel Kütson

Inszenierung und Bühnenbild
Michiel Dijkema

Kostüme
Tatjana Ivschina

Chor
Michael Preiser

Dramaturgie
Andreas Wendholz


Chor des Theaters
Krefeld und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Violetta Valéry
* Sophie Witte /
Sofia Poulopoulou

Alfredo Germont
Woongyi Lee

Giorgio Germont
Johannes Schwärsky

Flora Bervoix
* Eva Maria Günschmann /
Bettina Schaeffer

Annina
* Anne Heßling /
Lisa Kaltenmeier-Kahraman

Gastone
Arthur Meunier

Barone Douphol
* Rafael Bruck /
Jeconiah Retulla

Marchese d'Obigny
Gereon Grundmann /
*Hayk Deinyan

Dottore Grenvil
Matthias Wippich

Giuseppe
Kairschan Scholdybajew

Diener
Frank Valentin

Kommissionär
Nils Miegel



Weitere
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Mönchengladbach

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