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Prihody lisky Bystrousky
(Das schlaue Füchslein)


Oper in drei Akten
Text vom Komponisten nach Rudolf Těsnohlídeks Novelle Die Füchsin Bystrouschka
Musik von Leoš Janaček


in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Münster am 12. April 2025
(rezensierte Aufführung: 17. April 2025)


Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Rat' mal, welches Tier das ist

Von Stefan Schmöe / Fotos © Bettina Stöß

Wieviel Tier soll es denn sein? Das ist die vielleicht entscheidende Frage bei einer Inszenierung des Schlauen Füchsleins. Denn in der Oper gibt es jede Menge Tiere, die ziemlich menschliche Eigenschaften besitzen; dann gibt es echte Menschen; und schließlich treten Figuren auf, die in der Menschenwelt Mensch und in der Tierwelt Tier sind. Eine verwirrende Angelegenheit also. Regisseurin Magdalena Fuchsberger würde wohl ausweichend antworten: Kommt darauf an. Die Füchse sind überwiegend in Ganzkörpertierkostüme gekleidet (erscheinen manchmal aber auch als Menschen), die Hennen treten in Form von dauergewellten und blondierten jungen Frauen in Aerobic-Kleidung ganz menschlich im Stil der 1980er-Jahre auf (Ausstattung: Dorothee Curio), und es gibt menschliche Figuren, die durch bestimmte Accessoires als Tiere zu erkennen sind. Diese Vielfalt macht die Angelegenheit nicht übersichtlicher.

Vergrößerung in neuem Fenster Zwischen Zivilisation und Natur: Der Förster und die junge Füchsin

Janačeks Oper basiert auf einer Bildergeschichte in einer Brünner Tageszeitung. Den liebevoll gestalteten Kostümen dieser Aufführung fehlt die Präzision eines guten Comics oder einer Karikatur und die Qualität, mit ein paar Strichen die Figur klar zu umreißen. So sehen auf der Bühne die arg flauschig geratenen Füchse ein wenig aus wie Teddybären, während man viele andere Tiere im Halbdunkel auf den ersten Blick gar nicht zuordnen kann. Für das Publikum beginnt ein fröhliches Ratespiel, welches Tier das wohl sein mag. Solche Ungenauigkeiten setzen sich auf anderen Ebenen der Inszenierung fort. Der Dackel im Försterhaus, ein domestiziertes Wesen, verspeist sein Essen am Tisch sitzend, aus dem Napf zwar, aber mit Messer und Gabel. Das hat Witz und zeigt erst einmal den Kontrast zur wilden, frisch eingefangenen Füchsin. Wenn die aber, längst ausgerissen und zurück in der Natur, später ihren Fuchsmann kennenlernt, sitzen die beiden gepflegt am Caféhaustischchen (sehr lustig, wie sie vor lauter Nervosität Unmengen an Zucker in ihr Tässchen löffelt). Da wird menschliches Verhalten fein parodiert, aber es passt ja nicht: Die ungezähmte Füchsin stellt doch gerade das Gegenbild zum angepassten Dackel dar. Und um ihr zu imponieren, fängt der Fuchs schnell ein Kaninchen - das er, jetzt tierisch auf allen Vieren schreitend (ansonsten pflegen auch die Füchse oft den aufrechten Gang auf zwei Beinen), im Maul trägt. Die Regie findet keine erkennbare Haltung zur Mensch-Tier-Problematik der Oper.

Zweiter Akt: Eine aufgebrachte Festgesellschaft mit Kleidung der 1950er oder 1960er-Jahre bedroht mit erhobenen Stühlen den Königssohn, der am Boden liegt.

Die Hennen, die junge Füchsin (hier als jugendliches Ebenbild des Försters, zweite von links) und die Försterin (hinten, mit Pelzmütze)

Begonnen hat das Drama in Fuchsbergers Lesart mit dem Tod des Försters. Im Delirium erscheinen ihm die Menschen am Krankenbett wie Tiere. Ob sich die Geschichte in seiner Phantasie oder Erinnerung abspielt, bleibt unklar. Er identifiziert sich mit der jungen Füchsin, die er einst gefangen hat und die zunächst auch ganz wie er gekleidet ist. Wirklich plausibel erscheint dieser Ansatz nicht, denn die Oper spiegelt zwar manches menschliche Verhalten in der Tierwelt, lässt aber den Förster als Mensch in der Betrachtung der Natur einen Lernprozess durchmachen. Dafür müsste dieser Gegensatz zwischen der menschlichen Existenz und dem Kreislauf der Natur aber bestehen bleiben. Wenn die Füchse Hochzeit feiern, dann sieht man auf der Drehbühne parallel dazu die Hochzeit des Försterpaars. Mag hier die Überblendung von Tier- und Menschenwelt noch einigermaßen funktionieren, so wird die Sache kompliziert, wenn die Füchsin vom Wilderer Háraschta erschossen wird. Damit stirbt nämlich hier auch der Förster, der allerdings danach noch den großen Schlussmonolog zu singen hat, in dem er den immerwährenden Kreislauf der Natur besingt. Fuchsberger gelingt es nicht, die mitunter komplizierten Gegensätze wie Zusammenhänge zu entwirren.

Dritter Akt: Königssohn und Gänsemagd kniene in einer Winterlandschaft zwischen einem Autowrack und einem kaputten Kühlschrank eng umschlungen am Boden. Rendezvous von Fuchs und Füchsin

Wie störende Fremdkörper wirken die Szenen, in denen sich der Lehrer, der Pfarrer und der Wilderer über die Liebe und deren Vergänglichkeit unterhalten. Hier fehlt ein klarer erzählerischer Rahmen, der die unterschiedlichen Ebene schlüssig verbinden könnte. Die Natur selbst bleibt vor lauter Plüschtierhaftigkeit der Füchse eine Randerscheinung. Das Bühnenbild zeigt das Innere eines Wohnhauses mit verschiedenen Räumen. Das schwere, veraltete Mobiliar könnte auch aus den 1980ern stammen - aber wozu dieser wenig schlüssige Zeitbezug? In einem Raum ist die Wand aufgebrochen, und ein Steg führt hinaus in die von der Oper so gefeierte Natur, ein anderer deutet ein Gewächshaus an. Ergänzt wird die ausgesperrte oder kultivierte Natur durch Textstellen aus dem Roman Beteigeuze von Barbara Zeman, die während der instrumentalen Zwischenspiele auf einen Gazevorhang projiziert werden. Darin geht es um die Entstehung und das erwartete Verglühen des Sterns Beteigeuze. So soll das Drama offenbar kosmische Dimensionen erhalten. Diese Weitung ins ganz Große steht in einem gewissen Gegensatz zu Janačeks Ansatz, durch den Blick auf das vermeintlich Kleine, also die Tierwelt (zu der in der Oper auch Frösche und sogar Mücken gehören), den Sinn unseres Lebens als Teil der Natur zu erkennen.

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Hochzeit als Parallelaktion, links im Tierreich mit Füchsin und Fuchs, rechts bei den Menschen regenbogenbunt mit Försterin und Förster

Während die Szene also reichlich unübersichtlich gerät, gelingt die musikalische Seite ganz ausgezeichnet. Für die Partie der Füchsin wurde die Slowakin Adriana Kučerova verpflichtet, die an viel größeren Häusern unterwegs ist und die Füchsin bereits an der Pariser Bastille-Oper gesungen hat. Mit der lyrisch strömenden, nicht zu hellen, leuchtenden Stimme macht sie viel hörbar von der ungeheuren Vitalität und Lebensfreude dieses Wesens. Gregor Dalal imponiert als Förster mit großer, klarer Baritonstimme. Durchweg gut besetzt sind die vielen kleinen Rollen dieser Ensembleoper, und ganz ausgezeichnet schlagen sich dabei die Kindersolisten. Das gilt auch für den präzise singenden Theaterkinderchor Gymnasium Paulinum, und ebenso für Chor und Extrachor des Theaters Münster mit weichem Klang in den Vokalisen, die der Komponist als zusätzliche Klangfarben einsetzt. Das Sinfonieorchester Münster braucht eine Weile, um den anfangs verwaschenen Klang abzulegen. Nicht nur den ersten Takten fehlt es an Schärfe und Prägnanz. Dann aber finden die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Golo Berg einen sehr schönen lyrischen Ton, mitunter emphatisch gesteigert. Die Hennen-Szene erinnert an den Witz von Richard Strauss' Till Eulenspiegel, der Schluss steigert sich sehr schön zum feierlichen, nicht pathetischen Hymnus. Dafür hätte es den albernen Sockel, auf den der Förster - jetzt im Fuchskostüm - wie sein eigenes Denkmal klettern muss, nicht gebraucht. Gregor Dalal, das jetzt ausgezeichnete Orchester und Janačeks Musik geben eine angemessenere Vorstellung von der Größe der Natur.


FAZIT

Musikalisch erlebt man in Münster mit einem ausgezeichneten Ensemble eine sehr schöne Aufführung. Die Regie hat ein paar witzige Ideen, steuert aber zwischen allzu großer Niedlichkeit auf der einen, zu großer Symbolträchtigkeit auf der anderen Seite insgesamt wenig Erhellendes bei.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Golo Berg

Regie
Magdalena Fuchsberger

Bühne und Kostüme
Dorothee Curio

Lichtdesign
Jan Hördemann

Chor
Anton Tremmel

Kinderchor
Margarete Sandhäger
Rita Stork-Herbst

Dramaturgie
Nikolaus Stenitzer


Opernchor und Extrachor
des Theaters Münster

Theaterkinderchor
Gymnasium Paulinum

Sinfonieorchester Münster


Solistinnen und Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Füchsin Schlaukopf
Adriana Kučerova

Fuchs
Wioletta Hebrowska

Der Förster
Gregor Dalal

Die Försterin
Yixuan Zhu

Schulmeister
Garrie Davislim

Der Pfarrer / Dachs
Kihoon Yoo

Haraschta
Johan Hyunbong Choi

Schulmeister / Hahn / Mücke
Adam Temple-Smith

Pasek, Gastwirt
Ki-Hwan Nam

Frau Pasek
Barbara Bräckelmann

Pepik, des Försters Enkel
Christina Holzinger

Frantik, dessen Freund
Melanie Spittau

Junges Füchslein Schlaukopf
* Anna Holschneider /
Paula Linke

Lapak, der Dackel
Soyeon Lee

Der Hahn / Eichelhäher
Yeaseul Angela Park

Chocholka, die Schopfhenne
Elena Sverdiolaité

Eine Grille
Tonio Imai /
* Timo Enders

Eine Heuschrecke
Julius Geis /
* Gabriel Bettels

Ein kleiner Frosch
Sara Amler /
* Finn Heermann

Fuchskind
Jan-Luis Bachmann /
* Philine Ortland

Der Specht
Nino Jachvadze

Die Mücke
Suhyeok Kim

Die Eule
Chen-Han Lin

Statisterie
* Viola Grötz
Ela Trkulja
Maria Gehlmann
* Carolin Jungenblut



Weitere Informationen
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Theater Münster
(Homepage)



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