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Rat' mal, welches Tier das ist
Von Stefan Schmöe / Fotos © Bettina Stöß Wieviel Tier soll es denn sein? Das ist die vielleicht entscheidende Frage bei einer Inszenierung des Schlauen Füchsleins. Denn in der Oper gibt es jede Menge Tiere, die ziemlich menschliche Eigenschaften besitzen; dann gibt es echte Menschen; und schließlich treten Figuren auf, die in der Menschenwelt Mensch und in der Tierwelt Tier sind. Eine verwirrende Angelegenheit also. Regisseurin Magdalena Fuchsberger würde wohl ausweichend antworten: Kommt darauf an. Die Füchse sind überwiegend in Ganzkörpertierkostüme gekleidet (erscheinen manchmal aber auch als Menschen), die Hennen treten in Form von dauergewellten und blondierten jungen Frauen in Aerobic-Kleidung ganz menschlich im Stil der 1980er-Jahre auf (Ausstattung: Dorothee Curio), und es gibt menschliche Figuren, die durch bestimmte Accessoires als Tiere zu erkennen sind. Diese Vielfalt macht die Angelegenheit nicht übersichtlicher. ![]()
Janačeks Oper basiert auf einer Bildergeschichte in einer Brünner Tageszeitung. Den liebevoll gestalteten Kostümen dieser Aufführung fehlt die Präzision eines guten Comics oder einer Karikatur und die Qualität, mit ein paar Strichen die Figur klar zu umreißen. So sehen auf der Bühne die arg flauschig geratenen Füchse ein wenig aus wie Teddybären, während man viele andere Tiere im Halbdunkel auf den ersten Blick gar nicht zuordnen kann. Für das Publikum beginnt ein fröhliches Ratespiel, welches Tier das wohl sein mag. Solche Ungenauigkeiten setzen sich auf anderen Ebenen der Inszenierung fort. Der Dackel im Försterhaus, ein domestiziertes Wesen, verspeist sein Essen am Tisch sitzend, aus dem Napf zwar, aber mit Messer und Gabel. Das hat Witz und zeigt erst einmal den Kontrast zur wilden, frisch eingefangenen Füchsin. Wenn die aber, längst ausgerissen und zurück in der Natur, später ihren Fuchsmann kennenlernt, sitzen die beiden gepflegt am Caféhaustischchen (sehr lustig, wie sie vor lauter Nervosität Unmengen an Zucker in ihr Tässchen löffelt). Da wird menschliches Verhalten fein parodiert, aber es passt ja nicht: Die ungezähmte Füchsin stellt doch gerade das Gegenbild zum angepassten Dackel dar. Und um ihr zu imponieren, fängt der Fuchs schnell ein Kaninchen - das er, jetzt tierisch auf allen Vieren schreitend (ansonsten pflegen auch die Füchse oft den aufrechten Gang auf zwei Beinen), im Maul trägt. Die Regie findet keine erkennbare Haltung zur Mensch-Tier-Problematik der Oper. ![]() Die Hennen, die junge Füchsin (hier als jugendliches Ebenbild des Försters, zweite von links) und die Försterin (hinten, mit Pelzmütze)
Begonnen hat das Drama in Fuchsbergers Lesart mit dem Tod des Försters. Im Delirium erscheinen ihm die Menschen am Krankenbett wie Tiere. Ob sich die Geschichte in seiner Phantasie oder Erinnerung abspielt, bleibt unklar. Er identifiziert sich mit der jungen Füchsin, die er einst gefangen hat und die zunächst auch ganz wie er gekleidet ist. Wirklich plausibel erscheint dieser Ansatz nicht, denn die Oper spiegelt zwar manches menschliche Verhalten in der Tierwelt, lässt aber den Förster als Mensch in der Betrachtung der Natur einen Lernprozess durchmachen. Dafür müsste dieser Gegensatz zwischen der menschlichen Existenz und dem Kreislauf der Natur aber bestehen bleiben. Wenn die Füchse Hochzeit feiern, dann sieht man auf der Drehbühne parallel dazu die Hochzeit des Försterpaars. Mag hier die Überblendung von Tier- und Menschenwelt noch einigermaßen funktionieren, so wird die Sache kompliziert, wenn die Füchsin vom Wilderer Háraschta erschossen wird. Damit stirbt nämlich hier auch der Förster, der allerdings danach noch den großen Schlussmonolog zu singen hat, in dem er den immerwährenden Kreislauf der Natur besingt. Fuchsberger gelingt es nicht, die mitunter komplizierten Gegensätze wie Zusammenhänge zu entwirren. ![]()
Wie störende Fremdkörper wirken die Szenen, in denen sich der Lehrer, der Pfarrer und der Wilderer über die Liebe und deren Vergänglichkeit unterhalten. Hier fehlt ein klarer erzählerischer Rahmen, der die unterschiedlichen Ebene schlüssig verbinden könnte. Die Natur selbst bleibt vor lauter Plüschtierhaftigkeit der Füchse eine Randerscheinung. Das Bühnenbild zeigt das Innere eines Wohnhauses mit verschiedenen Räumen. Das schwere, veraltete Mobiliar könnte auch aus den 1980ern stammen - aber wozu dieser wenig schlüssige Zeitbezug? In einem Raum ist die Wand aufgebrochen, und ein Steg führt hinaus in die von der Oper so gefeierte Natur, ein anderer deutet ein Gewächshaus an. Ergänzt wird die ausgesperrte oder kultivierte Natur durch Textstellen aus dem Roman Beteigeuze von Barbara Zeman, die während der instrumentalen Zwischenspiele auf einen Gazevorhang projiziert werden. Darin geht es um die Entstehung und das erwartete Verglühen des Sterns Beteigeuze. So soll das Drama offenbar kosmische Dimensionen erhalten. Diese Weitung ins ganz Große steht in einem gewissen Gegensatz zu Janačeks Ansatz, durch den Blick auf das vermeintlich Kleine, also die Tierwelt (zu der in der Oper auch Frösche und sogar Mücken gehören), den Sinn unseres Lebens als Teil der Natur zu erkennen. ![]() Hochzeit als Parallelaktion, links im Tierreich mit Füchsin und Fuchs, rechts bei den Menschen regenbogenbunt mit Försterin und Förster
Während die Szene also reichlich unübersichtlich gerät, gelingt die musikalische Seite ganz ausgezeichnet. Für die Partie der Füchsin wurde die Slowakin Adriana Kučerova verpflichtet, die an viel größeren Häusern unterwegs ist und die Füchsin bereits an der Pariser Bastille-Oper gesungen hat. Mit der lyrisch strömenden, nicht zu hellen, leuchtenden Stimme macht sie viel hörbar von der ungeheuren Vitalität und Lebensfreude dieses Wesens. Gregor Dalal imponiert als Förster mit großer, klarer Baritonstimme. Durchweg gut besetzt sind die vielen kleinen Rollen dieser Ensembleoper, und ganz ausgezeichnet schlagen sich dabei die Kindersolisten. Das gilt auch für den präzise singenden Theaterkinderchor Gymnasium Paulinum, und ebenso für Chor und Extrachor des Theaters Münster mit weichem Klang in den Vokalisen, die der Komponist als zusätzliche Klangfarben einsetzt. Das Sinfonieorchester Münster braucht eine Weile, um den anfangs verwaschenen Klang abzulegen. Nicht nur den ersten Takten fehlt es an Schärfe und Prägnanz. Dann aber finden die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Golo Berg einen sehr schönen lyrischen Ton, mitunter emphatisch gesteigert. Die Hennen-Szene erinnert an den Witz von Richard Strauss' Till Eulenspiegel, der Schluss steigert sich sehr schön zum feierlichen, nicht pathetischen Hymnus. Dafür hätte es den albernen Sockel, auf den der Förster - jetzt im Fuchskostüm - wie sein eigenes Denkmal klettern muss, nicht gebraucht. Gregor Dalal, das jetzt ausgezeichnete Orchester und Janačeks Musik geben eine angemessenere Vorstellung von der Größe der Natur.
Musikalisch erlebt man in Münster mit einem ausgezeichneten Ensemble eine sehr schöne Aufführung. Die Regie hat ein paar witzige Ideen, steuert aber zwischen allzu großer Niedlichkeit auf der einen, zu großer Symbolträchtigkeit auf der anderen Seite insgesamt wenig Erhellendes bei.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Lichtdesign
Chor
Kinderchor
Dramaturgie
Solistinnen und Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Füchsin Schlaukopf
Fuchs
Der Förster
Die Försterin
Schulmeister
Der Pfarrer / Dachs
Haraschta
Schulmeister / Hahn / Mücke
Pasek, Gastwirt
Frau Pasek
Pepik, des Försters Enkel
Frantik, dessen Freund
Junges Füchslein Schlaukopf
Lapak, der Dackel
Der Hahn / Eichelhäher
Chocholka, die Schopfhenne
Eine Grille
Eine Heuschrecke
Ein kleiner Frosch
Fuchskind
Der Specht
Die Mücke
Die Eule
Statisterie
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