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Verwirrende Anleitung zum Glücklichsein Von Thomas Molke / Fotos: © Sandra Then
Mischa Spoliansky gehörte Ende der 1920er Jahre zu den erfolgreichen Komponisten der Berliner Revuetheater-Szene, die in teils bitterbösen und satirischen Liedern die aufkommende Weltwirtschaftskrise zu verarbeiten suchte. Leider endete mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten die Karriere des 1898 in Russland geborenen Juden zumindest in Deutschland. Spoliansky emigrierte nach London, wo er als Filmkomponist noch einige Erfolge feiern konnte. Sein Werk ist heute eher selten auf den Spielplänen der Musiktheater zu erleben, was daran liegen mag, dass sich der Musikgeschmack nach dem Zweiten Weltkrieg geändert hatte und der Humor seiner Stücke stark in der Entstehungszeit verankert war. Am bekanntesten ist vielleicht noch sein Revuestück Zwei Krawatten, welches den Beginn für Marlene Dietrichs große Karriere markierte, da Josef von Sternberg ihr anschließend die Hauptrolle im Blauen Engel anbot. In Münster widmet man sich nun dem Revuestück Wie werde ich reich und glücklich? aus dem Jahr 1930 und ist der Meinung, dass es derzeit wieder eine sehr große Aktualität besitzt. Kibis (hier: Ricardo Frenzel Baudisch) träumt vom Reichtum. Der Untertitel, Ein Kursus in zehn Abteilungen, liest sich zunächst etwas merkwürdig, lässt sich aber schnell erklären, da es sich um eine Lektüre handelt, die dem Leser bzw. der Leserin in mehreren Schritten zu Reichtum und Glück verhelfen soll. In dem Stück sind es zwei Figuren, die versuchen, die Ratschläge dieser Lektüre für ihr Leben zu nutzen. Da ist zunächst der mittellose Kibis, der mit seiner Freundin Lis die Miete nicht bezahlen kann und deshalb reich werden will. Durch eine glückliche Verwechslung erhält er in einer Schneiderei einen Anzug, in dem er wohlhabend erscheint. So begegnet er Marie, der Tochter des reichen Geheimrats Regen, die auf der Suche nach dem Glück ist und glaubt, es zu finden, indem sie den Armen und Schwachen hilft. Kibis verlässt Lis und heiratet Marie. Doch beide stellen fest, dass sie das Glück in dieser Verbindung nicht finden können. Folglich beschließen sie, sich wieder scheiden zu lassen. Auf einer Modenschau trifft Kibis Lis wieder, der es seit der Trennung ebenfalls nicht schlecht ergangen ist. Die beiden finden wieder zueinander, und der reiche Autokonzernerbe F. D. Lohrenz fasst sich ebenfalls endlich ein Herz, Marie seine Liebe zu gestehen. So gibt es am Ende zwei glückliche Paare. Kibis (hier: Thorbjörn Björnsson, vorne Mitte) trifft auf Marie (hier: Marion Wulf) (im Hintergrund: Mitte: Geheimrat Regen (Gregor Dalal) und Ilja Harjes als Dienstmädchen). Das Regie-Team um Georg Schütky scheint die Figuren des Stückes für austauschbar zu halten. Deswegen werden die sieben Solistinnen und Solisten nicht eindeutig den Figuren der Geschichte zugeordnet, was es teilweise sehr kompliziert macht, der Handlung zu folgen. In der "ersten Abteilung" werden Kibis und Lis beispielsweise von Thorbjörn Björnsson und Ricardo Frenzel Baudisch gespielt. Mit weißer Farbe werden ihre Namen auf die nackten Oberkörper geschrieben. Hat es eine Bewandtnis, dass es sich hierbei um zwei Männer handelt oder ist das rein zufällig gewählt? Wenn Kibis und Lis am Ende wieder zueinander finden, werden sie von zwei Darstellerinnen, Marion Wulf und Angela Braun, gespielt, während Baudisch und Björnsson nun als Marie und F. D. Lohrenz zusammenkommen. Wenn Marie und Kibis das erste Mal aufeinandertreffen, sind die Geschlechter "richtig" besetzt, wobei sie in der Szene am Meer nach der Pause umgedreht werden. Diese ständige Rollenwechsel machen es sehr verwirrend, der Handlung der Geschichte zu folgen. F. D. Lohrenz (hier: Angela Braun) mit seinem Auto Die einzige Figur, die konsistent bleibt, ist Maries Vater, der Geheimrat Regen. Er wird die ganze Zeit von Gregor Dalal gespielt. Liegt es vielleicht daran, dass bei ihm der Kostümwechsel aufwändiger gewesen wäre als bei den anderen Figuren? Das Regie-Team hat sich nämlich bei den Kostümen an Zeichentrickfiguren orientiert. Inspirationsquelle ist ein Vorgänger von Mickey Mouse, Oswald the Lucky Rabbit. Disney erfand ihn 1927 als "Self-made Man", der der großen Depression mit Selbstvertrauen trotzte. So hat auch Wieland Lemke in Anlehnung an diese Figur die Kostüme entworfen. Kibis tritt in einem schwarzen Kostüm mit großen Hasenohren auf, nachdem er in der zweiten Abteilung zu dem Anzug gelangt ist. Lis verwandelt sich in eine Art weißen Hasen. F. D. Lohrenz trägt ein zottiges weißes Hundekostüm und fährt auf einer Rügenwalder Salami-Wurst als Auto auf die Bühne, während der Geheimrat als dickes weißes Schweinchen gezeichnet ist. Nur Marie passt eigentlich nicht in die Tiermetaphorik, da sie mit ihrem silbernen Kopfschmuck und dem glitzernden Kostüm wie ein Revuestar aus den 1930er Jahren wirkt. Immerhin geben die Kostüme einen kleinen Anhaltspunkt, sich in dem Besetzungskarussell zurecht zu finden. Thorbjörn Björnsson als Kibis oder Marie? Das Bühnenbild von Daniel Angermayr ist ähnlich überzeichnet wie die Kostüme. So wohnen Kibis und Lis zunächst in einem riesigen Kürbis, von dem eine blaue Rutsche wie bei einem Kinderspielgerät herabführt. Marie taucht in einem Quader auf, der mit riesigen Ballons gefüllt ist und verteilt kleine Ballons als Speise an die Armen und Bedürftigen. Für die Szene am Meer wird dann eine riesige Schaukel auf die Bühne gefahren, auf der sich ein Schlauchboot befindet, das den Darstellerinnen und Darstellern beim Schaukeln auf der Bühne einiges an akrobatischem Geschick abverlangt. Sinn macht das alles nicht, wäre allerdings verständlich gewesen, wenn man in diesem Ambiente die Darstellerinnen und Darsteller mit fest zugeordneten Rollen hätte agieren lassen. Wenn man einen Kursus über die Anleitung zum Glücklichsein anbietet, bedarf es wohl auch weiterer Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen. Deswegen hat man ein "Glücksensemble" in das Stück eingeführt, das aus Münsteraner Bürgerinnen und Bürger besteht und dem Abend einen gewissen Workshop-Charakter gibt. Zu Beginn sitzt das Ensemble auf Stühlen und blickt wie das Publikum auf eine kleine Bühne, auf der eine schwarze Gestalt (Regina Speiseder) als "Krise" auftritt, die anschließend drohend über der Kulisse hängt und wohl für die Situation der Wirtschaft steht. Aus dieser Situation entsteht die erste Szene, für die dann scheinbar willkürlich die beiden Darsteller des Kibis und der Lis ausgewählt werden. Dem Text von Felix Joachimson scheint man in großen Teilen zu folgen, wobei einzelne Vorstellungen von Glück oder Reichtum sicherlich erst in der Erarbeitung des Stückes in die Produktion eingeflossen sind. Normalerweise ist das Stück für ein Salonorchester mit zehn Musikerinnen und Musikern konzipiert. Andres Reukauf hat die Musik allerdings für das Sinfonieorchester Münster neu arrangiert und erzielt somit einen volleren Klang. Die Solistinnen und Solisten werden mit Mikrofonen unterstützt. Die Melodien von Spoliansky sind dabei sehr eingängig und werden von den Solistinnen und Solisten gut und verständlich umgesetzt, so dass es keiner Übertitel bedarf. Sieht man also von der teilweise merkwürdigen Personenregie ab, kommt man zumindest musikalisch an diesem Abend auf seine Kosten. FAZIT Spolianskys Revuestück hat auch heute noch eine gewisse Aktualität. Von daher hätte man den Figuren durchaus vertrauen können und nicht mit dem Austausch der Rollen für Verwirrung sorgen müssen.
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Licht Dramaturgie
Sinfonieorchester Münster
Solistinnen und Solisten
Ricardo Frenzel Baudisch
Glücksensemble
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