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Verführung gibt's hier nur als Allegorie
Von Stefan Schmöe / Fotos von Axel J. Scherer
Rot, Gelb, Grün - das sind nicht die Farben der Ampel (welcher auch immer), sondern die der Frauen, mit denen Don Giovanni an diesem Abend seine Last hat. Gelb trägt Donna Anna, die Diva, in Form eines Hosenanzugs. Grün ist das Kleid von Donna Elvira, die frisch aus dem Mädchenpensionat hierhin gekommen sein könnte und sich über das tollste Kostüm von allen freuen kann. Rot (mit Blümchenmuster) ist die Farbe von Zerlina, dem einfachen Mädchen. Die Kostüme von Veronika Kaleja spielen auf die 1970er-Jahre an - und bleiben doch allzu brav. Donna Anna dürfte ruhig mehr die Dancing Queen ausleben, Zerlina heftiger vom Bett im Kornfeld träumen. Dass der Zeitgeist der Epoche ziemlich sexy war, davon spürt man hier (zu) wenig. Die von der bürgerlichen Moral gezogenen Grenzen dagegen werden im biederen Pullunder des Don Ottavios unverkennbar verdeutlicht. ![]() Don Giovanni hat den Komtur getötet. Eine Figur mit der Bezeichnung "die Verführung" (mit Schwert) hat ein wenig nachgeholfen. Leporello (rechts) wendet sich entsetzt ab.
Eine Halle von großbürgerlichem Ambiente mit erdrückenden holzgetäfelten Wänden und einem im Schachbrettmuster gefliesten Fußboden bildet das Einheitsbühnenbild (Polina Liefers). Darin handelt die Regie von Claudia Isabel Martin das Stück vergleichsweise konventionell ab, was durchaus seinen Charme hat - und gleichzeitig von einer gewissen Mutlosigkeit zeugt. Die Kostüme nähern sich im Verlauf der Aufführung teilweise der Commedia dell'arte an, der venezianische Karneval liegt in der Luft, vor allem im Finale des ersten Aktes. Eine hinzuerfundene Figur, laut Besetzungszettel "die Verführung", tanzt herum (Tänzer und Choreographie: Ruben Reniers) und hebt das Geschehen irgendwie ins Allgemeingültige. Diese Verführung reicht Giovanni ein Schwert, mit dem er den Komtur nicht wirklich ersticht, sondern die Ermordung fast parodistisch vorführt. Dieser Teil der Handlung wird im Verlauf der Aufführung mehr und mehr zur Schwachstelle: Es gibt für den toten Komtur kein Grabmal und keine Statue, die später singen könnte. Und dadurch letztendlich auch kein plausibles Drama, das den ewigen Frauenhelden zum Absturz bringen könnte, worum es doch geht in dieser Oper. Der Komtur sitzt im zweiten Akt geheimnislos im Morgenrock herum. Die Höllenfahrt des Don Giovanni gerät reichlich banal: Im leuchtenden roten Licht, das sich hinter den Türen der bürgerlichen Fassade (die am Ende des ersten Akts aufreißt und sich zu einem nüchtern schmucklosen Raum öffnet) schon länger gezeigt hat, werfen die drei Damen samt ihren männlichen Begleitern den Schurken zu Boden. Das war's dann auch schon. ![]() Statt einer neuen Eroberung wartet eine heiratswillige alte Bekannte: Leporello (links) und Don Giovanni entdecken Donna Elvira
Damit wird aufgeweicht, was gemeinhin als Konsens gilt: Don Giovanni muss vor dem Tod und der Endlichkeit des Lebens kapitulieren, nicht aber vor der Gesellschaft. Hier siegt die spießbürgerliche Moral, wobei es die Regie versäumt, den Eros als Antriebskraft der Handlung angemessen in Szene zu setzen. Es fehlt der große Gedanke: Ein Sammelsurium aus an sich gar nicht so schlechten Ideen macht noch keine gute Inszenierung. Dafür müsste die Personenregie, die in manchen Episoden am Rande durchaus gelungen ist, deutlich präziser sein und die Figuren viel stärker charakterisieren, allen voran die Titelfigur. Zachary Wilson, der vom Typ ein wenig an Sherlock-Holmes-Darsteller Benedict Cumberbatch erinnert, dürfte ein ganzes Stück verführerischer auftreten. Dass man dem sehr jugendlich wirkenden Verführer die deutlich vierstellige Zahl von Eroberungen nicht so recht abnimmt, liegt weniger am Alter als am zurückhaltenden Auftreten. ![]() Rachepläne: Donna Anna (hier: Margaux de Valensart) und Don Ottavio
Dem strahlenden, durchsetzungsfähigen Bariton von Wilson fehlen für den Giovanni musikalisch ein paar einschmeichelnd warme Farbtöne, aber musikalisch präsentiert er den Draufgänger insgesamt überzeugend. Edith Grossman singt eine fabelhafte Elvira mit ganz leicht eingedunkeltem Mezzosopran, und Elia Cohen-Weissert glänzt als quirlige, nicht zu leichtgewichtige Zerlina. Die Tücken des Theaters konnte man in der hier besprochenen dritten Aufführung an der Besetzung der Donna Anna miterleben: Margaux de Valensart aus dem hauseigenen Ensemble musste krankheitsbedingt ersetzt werden. Als Einspringerin überzeugte Netta Or einen Akt lang mit leuchtkräftigem Sopran. Zum zweiten Akt musste sie dann ebenfalls wegen einer Indisposition passen, jedenfalls für ihre Solo-Szenen. Um die Aufführung zu retten, sang sie die Ensembles (ohne dass man der Stimme Beeinträchtigungen angemerkt hätte); ihre letzte Szene "Crudele! Ah no, mio bene!" sowie Teile des Finales wurden kurzerhand gestrichen. Viel Gutes ist von den Herren zu hören: Oliver Weidinger gibt einen komödiantischen, überaus souveränen Leporello, Sangmin Jeon einen strahlend-kraftvollen Ottavio und Agostino Subacchi, in der Standardbesetzung der einzige Gast im Ensemble, einen jugendlich-schwungvollen Masetto. Der Komtur von Erik Rousi wird im zweiten Akt, wenn er aus dem Jenseits singt, elektronisch verstärkt und kräftig mit Hall unterlegt: Solche Musicalisierung müsste nicht sein; Rousi könnte die Partie mit seinem profunden Bass ohne solche Effekte stemmen. Durchweg ein wenig spritziger und variabler dürften die Rezitative gestaltet sein. ![]() Gastmahl mit einem keineswegs steinernen Gast: Leporello (links) und Giovanni begrüßen den toten Komtur (hinten, hinter ihm die "Verführung")
Chefdirigent Patrick Hahn, der die Produktion einstudiert hat und alle anderen Aufführungen auch dirigiert, ist an diesem Abend nicht verfügbar. Statt seiner steht der junge Christian Reif am Pult. Da die Stelle des Generalmusikdirektors am Ende der nächsten Spielzeit frei wird, sind solche Dirigate auch immer Bewerbungen für den demnächst vakanten Posten. Wobei schwer zu beurteilen ist, wie viel Freiheiten Reif sich nehmen darf und was er von Hahns Einstudierung abruft. Man hört einen an den entscheidenden Stellen düster-dramatischen Don Giovanni, der musikalisch weit mehr an existenzieller Höllenfahrt präsentiert als die Regie. Die markanten, sehr präsenten Bläser überzeugen mehr als die teilweise ungenauen Streicher. Dass es eine ganze Reihe Wackler im Zusammenspiel mit der Bühne gab, dürfte der fehlenden Probenzeit in solchen Konstellationen geschuldet sein.
Mit einem guten hauseigenen Ensemble präsentieren die Wuppertaler Bühnen einen musikalisch starken Don Giovanni. Der in vielen Szenen ordentlichen Regie fehlt eine schlüssige Idee für die Höllenfahrt des Helden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Don Giovanni
Donna Anna
Don Ottavio
Komtur
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
Die Verführung
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