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Partnertausch auf der FerieninselVon Stefan Schmöe / Fotos von Kirsten NijhofNatürlich ist die Story von Così fan tutte absolut unglaubwürdig. Zwei junge Männer wetten auf die Treue ihrer Verlobten, täuschen ihre Abreise vor, kehren im nächsten Moment verkleidet wieder und erobern im Sturm die Herzen der jeweils anderen, sofortige Heirat inbegriffen. Grober Unfug? Um Logik hat sich die Oper selten geschert, und die Wahrheit liegt im Zweifelsfall in der Musik. Regisseurin Katharina Thoma allerdings fragt, unter welchen Umständen eine solche Farce tatsächlich denkbar wäre.
Eine Insel als Beziehungslabor: Ensemble
So sehen wir eine winzige Insel mit Bar (Bühne: Sibylle Pfeiffer), auf der die vermeintlich glücklichen Paare Fiordiligi und Guglielmo auf der einen, Dorabella und Ferrando auf der anderen Seite offenbar Urlaub machen - und sich so sehr langweilen, dass die beiden Herren auf die besagte Wette mit ihrem Freund Don Alfonso eingehen. Und die Damen spielen offenbar mit. Der eigentliche Skandal, so sagt die Regisseurin sinngemäß im Programmheft, sei die angebliche Abreise aufgrund einer vermeintlichen Einberufung zum Militär. Die Trauer über die Abreise, daran lässt Mozart keinen Zweifel, ist echt. Ob die schnelle Ankunft in Verkleidungen von den Damen durchschaut wird oder nicht, ist allerdings viel zu ungenau inszeniert. Vielleicht soll das in der Schwebe bleiben, denn immerhin lebt die ziemlich lange Oper ja von diesem Konstrukt. Im Finale allerdings schauen Fiordiligi und Dorabella derartig gelangweilt auf die vermeintlichen "Enthüllungen", dass man davon ausgehen kann: Sie haben ohnehin längst alles verstanden. Blöd nur, dass man als Zuschauer dann genauso gelangweilt ist, weil jegliche Spannung fehlt.
Ferrando bedrängt Fiordiligi Die Insel als abgeschiedenes Beziehungslabor ohne Fluchtmöglichkeit (das offenbar einzige Smartphone verschwindet schnell im Meer) funktioniert schon deshalb nicht gut, weil es ja hin und wieder Auftritte für den Chor gibt, der dann eben irgendwie aus dem Nichts herbeigeholt werden muss. Der Paketdienst schafft es aber offensichtlich auch problemlos in dieses Feriendomizil, denn Fiordiligi und Dorabella lassen sich neue Kleider für die Komödie schicken - ein wenig Hippie-Look löst hier wohl '68er-Retro-Gefühle aus und erleichtert den Partnertausch (Kostüme: Irina Bartels). Guglielmo und Ferrando sehen allerdings in clownesk bunten Anzügen derart unattraktiv aus, dass man nicht recht an erotische Anziehungskräfte glauben mag. Das benutzte Kondom unter dem umgedrehten Schlauchboot signalisiert freilich anderes. Das Vergnügen bleibt kurz: Am Ende bleibt gar kein Paar übrig. Man geht auseinander. Der gemeinsame Urlaub ist also kräftig danebengegangen.
Finale des ersten Aktes: (von links) Guglielmo und Dorabella, die als Arzt verkleidete Despina, Ferrando und Fiordiligi, außen Don Alfonso
Die Komödie kommt nie wirklich in Gang, weil die eigenartigen Beziehungsspiele abgedrehter Besserverdienender letztendlich ziemlich uninteressant sind. Was nach Reality-TV aussehen soll (auch der Begriff fällt im Programmheft-Interview), bleibt sehr bemüht, weil natürlich jeglicher Reality-Aspekt auf der Opernbühne fehlt. Wenn die Musik von den großen Seelenkonflikten spricht wie in Fiordiligis "Felsenarie", dann sucht die Regie nach Pointen, um das Pathos zu unterlaufen. (Dabei liegt Mozarts feine Ironie doch gerade in dem Spannungsfeld zwischen der Komödiensituation und dem großen Ton der in die Jahre gekommenen opera seria.) Athanasia Zöhrer als jugendlich jubelnde, großformatige Fiordiligi und Gabrielė Kupšytė als warm timbrierte, glutvolle Dorabella singen tapfer gegen die Banalisierung ihrer Figuren an (der recht enge Tenor von Josh Lovell als Ferrando und der geradlinige, wenig verführerische Bariton von Jonathan Michie als Guglielmo können da nicht mithalten). Sejong Chang als sachlicher, recht junger Don Alfonso und Samantha Gaul als keck soubrettenhafte Despina sowie der zuverlässig singende Chor vervollständigen das Ensemble.
Zweiter Akt: Dorabella und Guglielmo kommen sich näher Komödienstimmung will aber auch deshalb nicht aufkommen, weil Matthias Foremny am Pult des ausgezeichneten, mit sattem und warmem Ton spielenden Gewandhausorchesters einen eher gesetzten, würdevollen Mozart dirigiert. Die Tempi sind verhalten, manchmal behäbig, die Kontraste abgemildert. Die Musik klingt edel und ist geschmeidig durchgeformt, aber es fehlt an Esprit und an Theatralik - eben an den schnellen Reaktionen auf die szenischen Entwicklungen. Das betrifft auch die Rezitative, die vom Hammerklavier recht schematisch begleitet werden. Nun muss Così fan tutte nicht um jeden Preis "komisch" klingen (allerdings auch nicht so statisch wie in Foremnys Dirigat), schließlich erzählt die Musik viel von der Tragik hinter der obskuren Handlung und vom Innenleben der Figuren. Dafür aber müsste die Regie sie sehr viel ernster nehmen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Chor der Oper Leipzig
Fiordiligi
Dorabella
Guglielmo
Ferrando
Despina
Don Alfonso
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