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Musiktheater
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Falstaff

Commedia lirica in drei Akten
Libretto von Arrigo Boito
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere am 11. Oktober 2025 im Opernhaus Leipzig

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Oper Leipzig
(Homepage)

Die Menschen sind nun mal (waren zu allen Zeiten) Narren

Von Stefan Schmöe / Fotos von Ida Zenna

Warum ausgerechnet Falstaff zum Einstand? Weil es ein Ensemblestück sei, antwortet Ivan Repušić, der mit dieser Premiere sein Amt als Generalmusikdirektor der Leipziger Oper antritt, im Programmheft. Man hört, dass es ihm damit ernst ist. Mit dem in allen Instrumentengruppen sehr konzentrierten Gewandhausorchester dirigiert er einen agilen, kleinteiligen, sehr schnell auf die jeweilige Situation reagierenden Falstaff, den er als Konversationsstück interpretiert, bei dem das Orchester eine ganze Menge mitzureden hat. Da darf das Fagott auch einmal einen Takt ziemlich vorlaut hervortreten, um das Geschehen zu kommentieren, oder das ganze Orchester sich zu Beginn des dritten Aktes instrumental schütteln vor Lachen über Falstaffs vorangegangenes Debakel mit Sturz in die Themse. Auch wenn die Frauen-gegen-Männer-Ensembles im zweiten Bild ein klein wenig wackeln: Die virtuose Schlussfuge mit dem Solistenensemble einschließlich Chor (bestens vorbereitet von Thomas Eitler de Lint) sitzt perfekt wie fast alles Vorangegangene auch.

Szenenfoto Die lustigen Frauen von Windsor: Mrs. Quickly (Ulrike Schneider, li), Mrs. Alice Ford (Solen Mainguené), Nannetta (Olena Tokar), Mrs. Meg Page (Maya Gour)

Sängerinnen und Sänger sind hervorragend eingebunden. Besonders zurücknehmen muss Repušić das Orchester dafür nicht, denn gesungen wird im Bühnenbild von Dirk Becker meist recht weit vorn an der Rampe - und da steht stimmgewaltiges Personal, allen voran Lucio Gallo in der Titelpartie. Sein Bariton hat enorme Durchschlagskraft, klingt dabei immer schön. Gallo kann machtvoll aufdrehen, etwa wenn er seinen Dienern Bardolfo (stimmlich unscheinbar: Daniel Arnaldos) und Pistola (durchsetzungsfähig: Peter Dolinšek) einen Vortrag über den Unsinn des Begriffs "Ehre" hält, gestaltet die Partie aber auch in den kleinen, feinen Wendungen nuanciert aus. Sein Falstaff strahlt ungeheure stimmliche Autorität aus, aber Gallo macht auch durch seine szenische Präsenz deutlich, wer das Zentrum des Stückes bildet. Diese Interpretation setzt Maßstäbe.

Szenenfoto

Der Herr, der hier mit Geld um sich wirft und sich mit dem falschen Namen Fontana vorgestallt hat, ist in Wahrheit Mr. Ford und wird später, nachdem Falstaff ihm von einem geplanten Rendezvous mit Mrs. Ford erzählt, einen Wutanfall bekommen.

Wobei auch Matthias Hausmann als Mr. Ford große stimmliche Strahlkraft entwickeln kann und bei aller (überflüssigen, wie das Publikum weiß) Eifersucht stets Würde und Eleganz behält. Für seinen Besuch bei Falstaff als angeblicher Signor Fontana mit der Bitte, Alice Ford vom Pfade der Tugend abzubringen, hat er sich kraftmeiernd aufgepolsterte Arme umgelegt, die an die Scheren einer Krabbe denken lassen, und die er alsbald in komischer Verzweiflung ablegt. Auch um die Tenöre ist es gut bestellt: Paul Kaufmann gibt einen prägnanten, keineswegs altersschwachen Dr. Cajus, Sungho Kim einen draufgängerischen Fenton - für die Partie, immerhin der schwärmerische junge Liebhaber im Stück, dürfte es allerdings eine stärker lyrisch geprägte Stimme sein. Olena Tokar gibt mit hell leuchtendem Sopran die angebetete Nanetta. Solen Mainguené als Alice Ford und Maya Gour als Meg Page sind die auch vokal attraktiven Ziele von Falstaffs Liebeswerben. Ulrike Schneider gestaltet mit schönem Mezzosopran und feiner, nicht überzogener Komik die Mrs. Quickley.

Szenenfoto Der Wäschekorb, in dem sich Falstaff befindet, wird gleich in der Themse landen.

Das Ensemble singt nicht nur ganz ausgezeichnet, sondern erweist sich auch als sehr spielfreudig. Die Lust am Theaterspiel ist auch das eigentliche Thema der Inszenierung von Marlene Hahn, sonst Chefdramaturgin der Leipziger Oper. Das abstrakte Bühnenbild besteht aus schwarzen, von einem Gitternetz überzogenen Wänden auf der Vorderbühne parallel zur Rampe mit einer runden Öffnung in der Mitte, die wie ein Guckloch den Blick auf die Bühne dahinter freigibt. Vorn ist der Bereich Falstaffs, dahinter der des Wohnhauses von Mrs. und Mr. Ford. Dies alles zeigt keinen konkreten oder gar naturalistischen Raum. Das Spiel entwickelt sich quasi auf leerer Bühne. Die Handlung ist durch keine Zeit und keinen Ort bestimmt und erhält dadurch eine universelle Bedeutung. Selbst Geld und Wein sind nichts als Requisiten. Die Kostüme (Melchior Silbersack) zeigen viele Anklänge an das Elisabethanische Zeitalter und die Epoche Shakespeares, sind aber nicht wirklich historisch - sie verleugnen nie, dass es eben nur Kostüme sind. Die Menschen spielen Theater, sie nehmen Rollen ein. Falstaff erscheint zunächst in heutiger schwarzer Kleidung und Stiefeln wie ein Bühnenarbeiter. Vielleicht muss man ihn sich als solchen vorstellen: Jemand, der auf der Bühne, die die Welt ist, das Menschentheater in Gang setzt. Dies dürfte ein wenig präziser inszeniert sein als in dieser nicht schlechten, aber doch ein wenig unverbindlichen Regie.

Szenenfoto

Finale mit Feenspuk: Falstaff am Boden

Die Damen sitzen zunächst wie Puppen auf einer riesigen Schaukel über der Bühne, die Herren spielen unten Minigolf. Im zweiten Bild des zweiten Aktes, das im Hause der Fords spielt, wird die Bühne von einem riesigen weißen Objekt, vielleicht ein überdimensionales Kissen, beherrscht. Das erweist sich als ebenso funktionell wie Falstaffs unbehaustes dasein an der Rampe. Das Schlussbild zeigt eine Art Maskenball, wobei die Kostüme arg nach Geisterbahn aussehen. Und für den Fall, dass irgendjemand das alles zu ernst nehmen sollte, gibt es einen pinkfarbenen Teddybären, der immer mal wieder über die Bühne läuft. Eine tiefere Bedeutung offenbart er nicht. Er steht für das Absurde. Ob man sich in all dem wiedererkennen kann (denn natürlich wird die Schlussfuge - wir alle sind nichts als Narren - dem Publikum entgegengesungen) oder ob man nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als die Lust am Theaterspiel darin erkennt, sei dahingestellt. Das Leipziger Premierenpublikum feierte die Aufführung und den neuen GMD.


FAZIT
Der neue GMD Ivan Repušić startet mit einem szenisch ganz ansehnlichen, vor allem musikalisch großartigen, spritzigen Falstaff, der von einem tollen Ensemble getragen wird, allen voran der grandiose Lucio Gallo in der Titelpartie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ivan Repušić

Inszenierung
Marlene Hahn

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Melchior Silbersack

Video
Ida Zenna

Licht
Michael Röger

Chor
Thomas Eitler de Lint

Dramaturgie
Anna Elisabeth Diepold

Komparserie der Oper Leipzig

Chor der Oper Leipzig

Gewandhausorchester Leipzig


Solisten

* Besetzung der Premiere

Sir John Falstaff
Lucio Gallo

Ford
Mathias Hausmann

Fenton
* Sungho Kim /
Matthias Stier

Dr. Cajus
Paul Kaufmann

Bardolph
Daniel Arnaldos

Pistola
Peter Dolinšek

Mrs. Alice Ford
Solen Mainguené

Nannetta
* Olena Tokar /
Samantha Gaul

Mrs. Quickly
Ulrike Schneider

Mrs. Meg Page
Maya Gour



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