Erwin Grosche und Toto Blanke
Der Berg
Das Chanson mal wieder ganz neu erfunden
Von
Frank Becker
"Die Bedienung will einen Raum, in dem sie auch unfreundlich sein darf...". Erwin Grosche singt die Hymne
auf die unliebenswürdige Kellnerin und er träumt von einem Restaurant,
in dem man ungeniert Weißwein aus dem Rotweinglas trinkt. Geht der Mann
zu weit? "Ist das normal, ist das legal, ist das erlaubt?" (Schönen
Dank und Entschuldigung, lieber Georg Kreisler - manchmal kommt man
einfach nicht umhin, sie zu zitieren.) Der in Anröchte geborene und in
Paderborn lebende Poet, Träumer, Schalk und Kabarettist Erwin Grosche gibt mit den 16 Liedern seiner neuen CD "Der Berg"
dem deutschsprachigen Chanson einen Impuls, der seit Ringelnatz
und Pigor & Eichhorn seinesgleichen nicht hatte.
Die kongeniale Musik dazu hat der Jazzgitarrist Toto Blanke
geschrieben, und mit Pauline Schweser, Julia Schreiber und Heiko
Grosche hat sich eine bewährte Begleit-Mannschaft gefunden, die das
Salz in Grosches Tomatensuppe ist. Wer hätte nicht schon unter der
Erkenntnis gelitten: "Niemand glaubt, ich wär´ Gott, niemand himmelt
mich an"? Wie - sie nicht? Dann müssen sie aber noch an sich arbeiten.
Erwin Grosche jedenfalls nimmt man den Gram darüber ab. Er hat derart heftig den
Blues , daß er im Dauerregen nicht einmal den Gedanken an
Selbstentleibung ausläßt. Darauf aber verzichtet er dann klugerweise
doch und singt weiter seine Lieder, dicht am Leben - ein Jammer, ja
fast tragisch, daß man die köstlichen Texte nicht in einem begleitenden
Booklet
lesen kann! - zur Erbauung der mitleidenden Hörer. Aber das läßt sich
nachholen und auf ein neues Buch Erwin Grosches mit diesen und anderen
Liedertexten aus seiner Feder hoffen.
Nostalgisch
läßt Toto Blanke die 50er-Jahre-Hawaii-Gitarre im Geiste Lale Andersens
sehr nah am Original "Blaue Nacht, o blaue Nacht am Hafen" erklingen,
Grosche erinnert mit dem gerapten "Schlichtungsversuch" an sein
Programm "Dem Tiger die Stirn bieten" und immer wieder spielen Ruhe,
Liebe und Kontemplation die beherrschenden Rollen in den klugen Texten,
die er mit Verstand und Gefühl für dieses Album geschrieben hat. "JA"
ist sicher einer der bestimmenden Titel, er geht zumindest besonders unter die
Haut. "Ich bin gern besoffen, und du trinkst gern Wein - wie kann man
dem Glück noch viel näher sein" fragt der Dichter im Geiste des großen Li-Tai-Pe und kommt ganz leicht
aufs Elementare. Doch wer wüßte je zu sagen, was das Glück denn sei?
Erwin Grosche jedenfalls tut das Seine, um einen Fingerzeig zu geben,
wo man Glück und Zufriedenheit finden kann. Vergnügen an diesem
seinem wundervoll poetischen Album findet man jedenfalls durchweg. Muß dringend empfohlen werden -
denn wir alle brauchen die Erkenntnisse Grosches - ohne ihn, den Hanns Dieter Hüsch seiner Poesie wegen einmal als seinen legitimen Nachfolger bezeichnet hat, würde man nie
auf diese höhere Warte der Erkenntnis gelangen. "Und wenn am Abend der
Vorhang fällt..." beschließt eine Stunde Hörfreude und Verstehen, die
kaum bezahlbar erscheint. Die Plattengeschäfte werden den Preis wohl
wissen (bezahlen sie ihn, es lohnt!).
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Erwin Grosche und Toto Blanke
Der Berg
Erwin Grosche - Text, Gesang, Akkordeon
Toto Blanke - Musik, Gebrummel, alle anderen Instrumente außer Flügelhorn und Trompete, denn die spielt:
Heiko Grosche
Charango - Diego Jascalevich
Julia Schreiber - Gesang und Unterstützung
Pauline Schweser - Ja-Stimme
© + (P) 2006 Satyr Records
Titel-Liste:
1. Der ungastliche Raum 3:46
2. Der Berg 2:56
3. Sendeschluss 3:40
4. Keiner liebt mich 3:54
5. In den Armen 3:04
6. Wahrheit über Busse 6:26
7. Nochmal 2:07
8. Simultanübersetzung 3:38
9. Blau am Hafen 3:14
10. Der Schlichtungsversuch 2:22
11. Schade, dass ich gehen muss 4:32
12. JA 3:52
13. Wie kann man dem Glück noch viel näher sein 3:04
14. Der Engel 4:08
15. Das Ende vom Lied 4:20
16. Abendlied 3:12
Gesamtzeit: 59:03
Weitere Informationen unter:
www.satyr-records.de
www.erwingrosche.de
www.blue-fun.de
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