Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Fantasio

Opéra-comiqe in drei Akten
Libretto von Paul de Musset, Camilie du Locle, Charles Nuitter und vermutlich Alexandre Dumas fils.
Musik von Jacques Offenbach
Szenische Uraufführung der kritischen Edition von Jean-Christophe Keck


in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere am 13. Dezember 2014, Badisches Staatstheater Karlsruhe


Homepage

Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)
Eine bayerisch-italienische Staatsaffäre a la francaise in Baden

Von Roberto Becker / Fotos von Falk von Traubenberg


Es war sicher gut gemeint und hat ja tatsächlich auch seine Vorzüge, wenn man eine Offenbach-Rarität wie Fantasio in Deutsch auf die Bühne bringt. Noch dazu, wenn es quasi eine Uraufführung ist, denn sie folgt der kritischen Offenbach-Edition von Jean-Christophe Keck und - erstmals seit Offenbachs Tod - in der Originalinstrumentation des Komponisten. Mit der deutschen Textversion versuchte man offenbar bewusst, der reichlich verqueren Story mit Schnoddrigkeit den Staub aus dem Pelz zu klopfen. Im vorliegenden Fall wünschte man sich am Ende allerdings dann doch eher den französischen Text zur Musik. Was Carsten Goldeck aus der Vorlage von Offenbachs französischem Autorenkollektiv gemacht hat, das stampft nämlich so über die Bühne wie die bajuwarischen Paare in ihrer Volkstracht durch das Fachwerkhaus-Dorf, das Friedrich Eggert für Bernd Mottls Inszenierung gebaut hat. Samt des sagenhaften blauen Himmels und mit den Bergen auf dem Prospekte-Hintergrund. Und natürlich nicht ohne die Dorfkirche und ein handliches Schloss für den König, der an den Lieblings-Kini der Bayern erinnert.

Szenenfoto

Der Student Fantasio singt unter dem Fenster der Königstochter.

So, wie man hier die Klischeebayern auftreten lässt, hat das schon wieder einen selbstironischen Witz, den unser Mir-san-mir-Volksstamm, dem es ja wahrlich nicht an Selbstbewusstsein mangelt, seinen badischen Nachbarn sicher großzügig nachsehen dürfte. Außerdem bereichern sie ja wirklich das Münchner Stadtbild gerne mit Lederhose oder das Opernpublikum mit der neuesten Dirndl-Mode.

Alfred Mayerhofer hat insofern bei den Kostümen nur abgeguckt. Die begehrte Prinzessin Theres von Bayern hat er naheliegenderweise der berühmten Sissi angenähert. Was Ina Schlingensiepen in dieser Rolle genauso leicht fällt wie die hübschen Koloraturen. Dazu hat er sich ein schönes Narrenkostüm für jenen Fantasio ausgedacht, dem diese Opéra-comique (die freilich mehr comique als opéra ist) den Titel verdankt. In dieser Hosenrolle glänzt Eilara Bastar als Operetten-Narrenkönig. Sie kann mit Leidenschaft Fantasios Liebes- und Friedensbotschaft unters Volk bringen.

Szenenfoto

Die Braut auf der Flucht- den vorgesehenen Bräutigam will sie nicht.

Ein Student soll sie sein, der mit seinen Kumpanen Spark (Dennis Sörös bleibt mit seiner markanten Stimmgewalt in Erinnerung), Facio (Max Friedrich Schäfer), Max (Nando Zickgraf) und Hartmann (Daniel Pastewski) auszieht, um die Spießer vor allem nachts mit Radau zu ärgern. Dass da gleich mal ein Che-Guevara-T-Shirt zur Lederhose getragen wird, gehört dabei eher zu den witzigen Bruchstellen, die zwischen versuchter Vergegenwärtigung und historischer Reminiszenz entstehen. Das iPad, mit dem der ziemlich dämlich auftretenden Prinz von Mantua (mit dem Haus haben es Offenbachs Librettisten, ein ebensolcher Adelsspross ist nämlich schon in den Banditen nicht der Allerhellste) immer wieder herumhantiert, wirkt da schon deutlich weniger belustigend. Klaus Schneider ist ein passgenauer Prinzenadjudant Marinoni, und als sein Chef kann Gabriel Urrutia Benet nach Herzenslust den Klischee-Italiener heraushängen lassen.

Szenenfoto

Der Adjudant und der italienische Prinz in Bayern auf der Pirsch.

Wie dem auch sei, dieser Prinz ist ins offenbar kurz vor der Pleite stehende Bayern gereist (SALE-Schilder kommen an alle Fassaden), um das operetten- (und zeit-)übliche Geschäft "Königstochter gegen Finanzspritze" zu machen. Die gute Sissi, pardon: Theres, will aber nicht, ist den Avancen des Studenten im nächtlichen Garten tete a tete nicht abgeneigt und lässt sich von ihm willig vor dieser staatlichen Zwangsehe bewahren. Der Coup, mit dem Fantasio die allerdings verhindert, ist selbst für Operetten (oder heute: TV - Soap) Verhältnisse ziemlich schräg. In der Maske des gerade verstorbenen Hofnarren zieht er nämlich dem Adjudanten des Italieners einfach die Hosen herunter. Spätestens da rastet der echte Prinz, der inkognito erst einmal schauen wollte, aber immer wieder den Prinzen durchschimmern lässt, endgültig aus, schmeißt die friedlichen Hochzeitspläne über den Haufen und entscheidet sich für Krieg. Der wird natürlich verhindert, weil Fantasio als Narr in Bayern den ach so originellen und aussichtslosen friedensbewegten Vorschlag unterbreitet, man möge doch die Kriegsherren im Zweikampf antreten lassen und den Rest der Völker damit verschonen. Da Herrscher aber (hier wie dort) keineswegs die Absicht haben, selbst zur Waffe zu greifen, bricht am Alpennordrand der Weltfrieden aus.

Szenenfoto

Eklat im Spiegelsaal

Das Pikante an der Sache ist freilich, dass Offenbach mit diesem Stück 1871 herauskommen wollte, also just da, wo man von jedem Franzosen, und ganz besonders von solchen mit deutsch-jüdischen Wurzeln, patriotische Empörung gegen die deutschen Sieger im Krieg erwartete, der mit der Kaiserkrönung in Versailles eine besondere Demütigung für die Franzosen bereithielt. Die Uraufführung gab es erst im Jahr nach diesem Friedensschluss am 18.1.1872 in der Pariser Opéra-comique, die deutschsprachige im Theater an der Wien einen Monat später.

Heute lohnt sich die Ausgrabung vor allem wegen der Musik. Da ist Offenbach auf der Höhe, mit parodierendem Witz fröhlich zitierend, mit eingängigen Melodien und mit Steilvorlagen für Sänger, die mit Koloraturen glänzen oder ihr komödiantisches Talent ausspielen wollen. Und mit ausgelassenen Ensembleszenen, an denen der famose Chor seine helle Freude hat. Mit Andreas Schüller am Pult der Badischen Staatskapelle hätte man sich allerdings noch mehr Schwung gewünscht. Sei's drum, wenn man Operettenlogik einfach mal Operettenlogik sein lässt, dann ist der Abend auch in dieser Form eine Offenbachiade, die Freude macht.


FAZIT

Nach der erfolgreichen konzertanten Aufführung von Fantasio in London kann Karlsruhe jetzt die szenische Uraufführung der kritischen Neuausgabe auf der Habenseite dieser Spielzeit verbuchen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Schüller

Inszenierung
Bernd Mottl

Bühne
Friedrich Eggert

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Choreographie
Otto Pichler

Chor
Ulrich Wagner

Dramaturgie
Bernd Feuchtner
Boris Kehrmann



Badischer Staatsopernchor

Badische Staatskapelle


Solisten

Fantasio, Student
Dilara Baştar

Der König von Bayern
Renatus Meszar

Prinzessin Theres, seine Tochter
Ina Schlingsiepen

Flamel, Hofdame
Katharine Tier

Rütten, Haushofmeister (Sprechrolle)
Peter Pichler

Prinz von Mantua
Gabriel Urrutia Benet

Marinoni, sein Adjutant
Klaus Schneider

Spark, Student
Dennis Sörös

Facio, Student
Max Friedrich Schäffer

Max, Student
Nando Zickgraf

Hartmann, Student
Daniel Pastewski

Leichenträger
Thomas Rebilas

Passant
Alexander Huck



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -