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Strafe für einen UneinsichtigenVon Christoph Wurzel / Fotos von Jochen Klenk
Gegensätzlicher hätten die beiden Opernproduktionen bei den diesjährigen Osterfestspielen nicht ausfallen können: Im Festspielhaus auf der großen Bühne Wagners Tristan und Isolde und Haydns Il mondo della luna auf der kleinen Bühne des Stadttheaters. Aber eine Gemeinsamkeit gab es doch. Denn auch in der Kammeroper spielt ein Zaubertrank eine entscheidende Rolle. Die Hauptfigur Bonafede („der Gutgläubige“) schaut gerne durchs Fernrohr und ist davon überzeugt, dass auf dem Mond die ideale Welt ist. Etwas beschränkt dagegen ist seine Sicht auf die irdischen Verhältnisse. Da verweigert er hartnäckig seiner Tochter das Erwachsenwerden und seinem Dienstmädchen Lisetta die Freiheit. Nur zu bereitwillig geht er auf das Angebot eines vorgeblichen Astronomen (Ecclitico) ein, ihn zum Ziel seiner Wünsche zu begleiten. Ein Zaubertrank, ein kurzer Schlaf - und schon ist er auf den Mond befördert. Tatsächlich trifft er dort alles viel schöner an, als er es von der Erde kennt. Der Mondimperator empfängt ihn sogar zu einer Privataudienz und verfügt, was Bonafede auf der Erde nicht zuließ: Sein Dienstmädchen Lisetta darf den Mondkaiser (alias deren heimlicher Gelieber Cecco) heiraten und seine Tochter den freundlichen Helfer Ecclitico (der auch auf Erden schon deren Erwählter war). Etwas zu spät durchschaut der Genasführte den Trick, bekommt einen mächtigen Wutanfall - und gibt schließlich doch klein bei. Als Haydn diese kleine Oper, die er im Schloss Eszterháza 1777 anlässlich der Hochzeit des Sohnes seines Dienstherrn, der ebenfalls etwas kleingeistig gewesen sein soll, erstmals aufführte, mag er sie als durchaus anspielungsreiche Satire auf die weltfremde Traumwelt dort verstanden haben. Ein historischer Blick wird aber in Baden-Baden auf das Werk nicht geworfen. Um die dramaturgischen Lücken zu füllen, haben Regisseur Jörg Behr und Dramaturgin Sylvia Roth eine weitere Figur hinzugefügt, durch welche die Handlung eine aus heutiger Sicht psychologisch eher schlüssige Aussage erhalten soll. Bonafede ist demnach (wegen des Verlusts seiner Frau) in einer Depression gefangen, reagiert auf die Befreiungsversuche von Tochter und Dienstmädchen vielleicht mit Verlustängsten und ist daher empfänglich für allerlei Illusionen. Mittels einer zusätzlich eingeführten Figur, dem Geist seiner verstorbenen Frau, wird Bonafede immer wieder angeregt, in die Wirklichkeit zurückzukehren und die schönen Dinge des Lebens zu sehen. Wenn die Texte dieser Sprechrolle stellenweise auch etwas pädagogisch wirken, legen sie gleichwohl den Akzent auf das ernste Element dieses dramma giocoso. Komik signalisiert dagegen das Bühnenbild des Mondes, wie es einem Kinderbuch entsprungen sein könnte: ein gelber Pfannkuchen mit blauem Planeten am Horizont und die Mondmenschen als bunte Faschingsgesellschaft. Nikolaus Pfannkuch (links) als Mondkaiser und Patrick Zielke (als Bonafede)
Das Ensemble der kleinen Oper bei den Osterfestspielen rekrutiert sich traditionell aus Studierenden baden-württembergischer Musikhochschulen. Es sind also Sängerinnen und Sänger auf dem Sprung in eine mögliche Karriere. Wenn auch vereinzelt der Spitzenton nicht so sicher kam oder eine Phrase noch etwas hölzern klang, so erwies sich das junge Gesangsensemble im Ganzen seiner Aufgabe mehr als gewachsen. Als Bonafede beeindruckte Patrick Zielke mit ebenso mächtigem wie geschmeidigem Bass. Im Spiel allerdings nahm man dem sympathischen Sänger die fiese Figur, die er darstellte, nicht so recht ab. Als sein keckes Töchterlein Clarice konnte Victoria Kunze da leicht Paroli bieten, auch vokal voll auf der Höhe. Die erotischen Reize, die sich die Kammerjungfer Lisetta von ihrem Dienstherrn nicht ohne Vergnügen entgelten lässt, konnte in dieser Rolle mit schmeichelndem Mezzo Joyce De Souza beeindruckend ausspielen. Die beiden jungen Herren Nikolaus Pfannkuch (Cecco) und Moritz Kallenberg (Ecclitico) waren vor allem als Zaubermeister für Bonafede gefragt und erschufen mit Spielwitz die nötigen Illusionen. Beide Tenöre zeigten sich auch gesanglich gut disponiert. Nikolaus Pfannkuch als Mondkaiser und Patrick Zielke (sitzend als Bonafede)
Weil sich die (deutschen) Dialoge etwas dahinschleppten, fehlte leider der Aufführung streckenweise das nötige straffe Tempo. Und mancher Gag war besser gemeint als gemacht. Ordentlichen Zug dagegen brachte das straffe Dirigat vom Kapellmeister Stanley Dodd hinein, der die 19 Musikerinnen und Musiker, Stipendiaten der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker, präzise und klangschön spielen ließ. Dabei ließ sich manch hübsches Detail in Haydns auch hier nicht ironiefreier Komposition gut erspüren.
Das engagierte junge Gesangsensemble und die beherzt musizierenden Orchester-Stipendiaten der Berliner Philharmoniker vor allem machten diese Operntrouvaille zu einem überraschenden Vergnügen.. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische LeitungStanley Dodds
Inszenierung
Kostüme und Bühne
Dramaturgie
Solisten
Bonafede
Die Frau (Sprechrolle)
Clarice
Kurwenal
Ecclitico
Lisetta
Cecco
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- Fine -