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Realismus statt RomantikVon Christoph Wurzel, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Ein vereinzeltes kräftiges Buh noch in die Stille nach dem Verklingen des ersten Akts hineingerufen, dann aber heftige Bravos von allen Seiten, auch nach den folgenden Aufzügen. Weitestgehend einhellige Zustimmung für die Regie. Jubel am Schluss für die Gesangssolisten und besonders für Christian Thielemann, der diesen Tristan&xnbsp; anhaltend in höchster musikalischer Spannung gehalten hat. Begeisterung allenthalben also - und dies zu Recht!
Katharina Wagners Inszenierung von Tristan und Isolde ist seit der zwiespältig aufgenommen Premiere von 2015 (siehe unsere Rezensionen 2015 und 2016) gereift und überzeugt nahezu ohne Einschränkungen, es sei denn man stört sich an einigen wenigen Details. Geglückt ist der gesamte Wurf, nicht etwa weil er eine grundsätzlich neue Sicht auf das Werk böte, sondern weil er ihm beeindruckende Tiefenschärfe verleiht. Ausgetrieben ist alles Romantische - kein Zaubertrank, keine schwärmerische Liebesnacht, kein Liebestod, sondern der harte Realismus einer unausweichlichen Anziehung, einer unbedingten, aber unmöglichen Liebe. Und deren erschütterndes Ende.
“Dem ein hehrster Held so treulich dient, wer möchte sein Glück nicht teilen, als Gattin bei ihm zu weilen?”: Brangäne (links: Christa Meyer) spricht Isolde (Petra Lang) Mut zu
Die Räume, welche hierfür die Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert konstruiert haben, werden zu überzeugenden Symbolen der in den jeweiligen Aufzügen gegebenen Situationen. Im ersten Akt ist es das schier undurchdringliche Labyrinth aus Treppen und Brücken, in dem Isolde nicht zu Tristan finden kann, zu dem es sie aber so heftig drängt. Petra Lang ist diese Isolde. Sie spielt sie kompromisslos und verzweifelt und singt - nicht immer im reinen Schönklang - aber in höchster Expression mit ihrem dunkel gefärbtem Sopran, der dem Trauma dieser Frau einen tragischen Unterton gibt: “Mir erkoren, mir verloren” - sie hat Tristan einmal geliebt, nun droht er sie zu verraten, indem er sie in ein fremdes Land, einem ungeliebten Gatten zuführen wird. Tristan dagegen verweigert verkrampft den Kontakt, weil es “die Sitte” verbietet, sich der Braut seines Königs zu nähern. Doch deutlich sichtbar zieht es auch ihn eigentlich zu der ehemals geliebten Frau. Immer wieder verschieben sich die möglichen Zugänge zu einander, versperren den Weg oder Brangäne (wunderbar warm und ausdrucksstark gesungen von Christa Mayer)&xnbsp; und Kurwenal (kraftvoll und zupackend: Ian Paterson) müssen trotz heftiger Gegenwehr verhindern, dass beide aufeinander zufliegen. Da braucht es keinen Zaubertrank mehr, der mögliches Vergessen heilt, sondern der Trank zum Tode wird entweder getrunken, wie Isolde es als Sühne für Morolds Tod von Tristan verlangt - oder beide entscheiden sich über die Konvention hinweg zu ihrer Liebe, wie es geschieht. Und so gießen sie gemeinsam das vermeintliche Giftfläschchen aus.
Im zweiten Akt ist es ein Gefängnishof, in den zuerst Isolde und Brangäne und später Tristan und Kurwenal von Markes Häschern hineingezerrt, ja hineingeworfen werden. In doppeltem Sinn Gefangene, ihres unstillbaren Liebesverlangens einerseits und des betrogenen Marke anderereits, klammern sie sich in ihrer Ausweglosigkeit umso entschiedener an einander und beschwören ihre Liebe trotz ihrer Ausweglosigkeit umso heftiger. Gemeinsam singen sie das “Sink hernieder, Nacht der Liebe” dem auf der Bewachungsmauer stehenden Marke entgegen - ihre Liebe setzen sie gegen seine Gewalt. Wenn sie sich aus einem Vorhang eine schützende Höhle bauen, um sich vor den Blicken der Wächter zu verbergen, wirkt das auch wie eine Regression in das Land, von dem Tristan singt, “daraus die Mutter mich entsandt”. Unerbittlich sind gleichzeitig die Suchscheinwerfer von Markes Wächtern auf sie gerichtet: “O dieses Licht!”.
Die folgende, überaus lange Passage der Liebesbezeugung, symbiotische Verschmelzung und Todessehnsucht zugleich, lässt die Regie (bisweilen ein wenig bemüht) zwischen dem auf- und zuklappbaren Gestänge eines Stahlkäfigs spielen, der sich in der Mitte dieses Hofes befindet. Daran beginnen sie auch, sich ihre Adern aufzuschlitzen, bis Marke und Melot dazwischenfahren. René Pape gibt den König in mühsam gezügelter Aggressivität. Teils larmoyant, teils zynisch klagt er Tristan an und befiehlt schließlich Melot, Tristan hinterrücks zu erstechen. Als opportunistischer Spitzel und williger Mordhelfer präsentiert sich überzeugend Raimund Nolte in dieser kleinen, aber wichtigen Partie.
"Tot denn, alles tot" - und Marke zwingt Isolde in seine Gewalt: Christa Mayer (Brangäne), Stephen Gould (Tristan), René Pape (Marke) und Petra Lang (Isolde)
Der dunkelste und zugleich in der Bildsprache am meisten konzentriert ist der dritte Akt, in dem sich der Blick allein auf Tristan fokussiert, die übrige Bühne ist nur schwarzes Nichts. Wie schon gestorben liegt er am Boden, seine Gefährten im Halbkreis mit weißen Totenblumen in Händen um ihn versammelt, Grableuchten sind aufgestellt, eine vorzeitige Totenwache, quälendes Warten zum beseelt gespielten traurigen Englischhorn-Solo. Dann nach seinem Erwachen (vielleicht auch nur eine Phantasmagorie) folgt der lange Monolog, ein Fiebertraum voll sehnsüchtiger Erinnerungen an die Geliebte. Dazu scheinen wie Flashbacks in dreieckigen Bühnenausschnitten Isoldenfiguren auf, die zärtlich umarmen, zu sich locken, aber auch urplötzlich in sich zusammensinken oder den Kopf verlieren. Stephen Gould singt diese möderischen Passagen mit phänomenaler Kraft und dazu leuchtend schön mit großem Atem und überwältigendem Ausdruck.
Auch Isoldes “Liebestod” ist hier bar allen irrealen Zaubers. Zwar sieht sie, dass Tristan tot ist, begreift es offenbar aber nicht. In einer Art Realitätsverweigerung richtet sie den auf der Bahre Liegenden auf, setzt sich neben ihn wie zu einem Lebenden und singt wie in Trance den langen Monolog ihrer Liebesverzückung. Dann reißt Marke sie davon und nimmt sich brutal sein Recht als legaler Gatte.
Großes Schauspiel ist das und die Musik erbebt in grandiosem Dauer- Expressivo. In jedem Takt lotet Christian Thielemann die einkomponierten Emotionen bis ins Kleinste aus, lässt die dymanischen Feinheiten präzise ausspielen und schafft das klangliche Pendant zu den szenischen Seelenräumen. Das Orchester spielte in Hochform.
Wie sagte Wagner selbst? Eine gute Aufführung des Tristan müsste ein Publikum eigentlich verrückt machen. Man hatte den Eindruck, dass diese Aufführung viele aus dem Publikum jedenfalls nicht kalt gelassen hat.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Choreinstudierung Solisten
Tristan
Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Hirt
Ein Steuermann
Ein junger Seemann
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- Fine -