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Damit muss die Erde schon selbst fertig werdenvon Stefan Schmöe / Fotos © Caroline Seidel / Ruhrtriennale 2017
Mehr Licht! war angeblich Goethes letzter Wunsch. Ob er damit das Licht der Aufklärung gemeint haben mag, bleibt ungewiss. Die Erschaffung des Lichts in Haydns Schöpfung unterstreicht klanggewaltig die Bedeutung der Licht-Symbolik nicht nur im Christentum. Und der bisher gigantomanischste Opernzyklus der Musikgeschichte trägt den Namen - Licht, worin Karlheinz Stockhausen an allen sieben Wochentagen selbiges gegen die Finsternis kämpfen lässt. Wenn Philippe Manoury seine Kreation für das Musiktheater (die Bezeichnung "Oper" trifft es nicht) lakonisch mit Kein Licht. bezeichnet, dann ist das auch eine ironische Absage an das Pathos, das dem Wort bedeutungsschwer anhängt.
Dabei kann Manoury durchaus schöne Lamenti komponieren, auch hysterische Ausbrüche, wobei er "modern" in der Klangsprache ist, ohne der Musikgeschichte substantiell Neues hinzuzufügen. Interessant (mehr nicht) ist der Einsatz eines auf Kommando jaulenden Hundes ("Cheeky" äußert sich unter dem Dirigat seiner Trainerin Karine Laproye überraschend differenziert), worauf eine gestopfte Trompete irgendwo auf halbem Weg zwischen Jazz und Klassik antwortet. Wenn Manoury persönlich im Verlauf des Stückes erläutert, dass die elektronisch eingesteuerten Patterns einem mathematisch generierten Zufallsmuster folgen und damit Ausdruck für die Bestimmtheit des Menschen durch die Technik sind, nimmt man das als Subtext interessiert hin; grundsätzlich verläuft der musikalische Satz in den konventionellen Bahnen: Ein Kammerorchester (das in Luxemburg beheimatete Ensemble "United Instruments of Lucilin" spielt in der Besetzung Streichquintett, einfach besetztes Holz und Blech und Schlagwerk , überzeugend), ein solistisch besetzter Chor (das Vokalquartett des Nationaltheater Zagreb) und vier Solisten (Sopran: Sarah Sun, Mezzosopran: Olivia Vermeulen, Alt: Christina Daletska, Bariton: Lionel Peintre) musizieren solide, Dirigent Julien Leroy leitet umsichtig. Wie sich das im Entstehungs- und Probenprozess modulartig zusammengesetzt hat (was man dem Programmheft entnehmen kann), erschließt sich beim Betrachten nicht.
Textgrundlage sind drei wortgewaltige Dialoge von Elfriede Jelinek. Der erste, Kein Licht. entstand 2011 als Reaktion auf die Reaktorhavarie in Fukushima, der zweite ein Jahr später mit dem Titel Epilog? als zeitlich versetzte Reaktion darauf. Darin verhandeln zwei Sprecher die Frage um Schuld und Konsequenz, wofür die Literaturnobelpreisträgerin viel Zorn und noch mehr Sprachwitz aufbringt. "Kein Licht" zielt da auch ganz lapidar auf die(Nach-) Frage nach Elektrizität ab. Die Angelegenheit wird vielschichtig verhandelt, mit etlichen ironischen Brechungen, und es läuft immer wieder darauf hinaus, dass eine Gesellschaft, deren Bedarf an Elektrizität ungebrochen ist und die sich den Atomatomausstieg moralisch fragwürdig mit Zukäufen an Atomstrom und erhöhter CO2-Produktion erkauft, in der Verantwortung steht. 2017 entstand ein dritter Text Der einzige und sein Eigentum (Hello darkness, my old friend, eine Weltuntergangsvision mit Tiraden gegen den amerikanischen Präsidenten Trump - ungeachtet der sprachlichen Qualitäten ist der Verweis auf Trump ja immer eine probate Gelegenheit, die Schuldfrage an diesen abzugeben und sich im eigenen moralisch reinen Gewissen zu sonnen, daher ist die Lösung, diesen Text als tatsächlichen Epilog zu verwenden, zweischneidig. Und es ist eben insgesamt sehr, sehr viel Text, den Caroline Peters und Niels Bormann rezitieren müssen, oft mit Textbuch (und dennoch, vor allem bei Caroline Peters, nur ungefähr so, wie es in der Übertitelung mitgelesen werden kann, was bei einem exakt durchkonstruierten Jelinek-Text ziemlich irritiert - da wäre ein Verzicht auf die deutsche Übertitel der gesprochenen Passagen besser gewesen). Nun macht es auch bei gestandenen Schauspielern einen Unterschied, ob sie einen Text lesen oder frei sprechen, und selbst wenn man eine gewollte Künstlichkeit unterstellt, wünschte man sich mehr Freiheit.
Regisseur Nicolas Stemann montiert aus allem eine bunte Revue, in der die Akteure zunächst in entsprechend glitzernden Kleidern (auch die Männer) auftreten (Kostüme: Marysol del Castillo), dann in Umhängen wie buddhistische Mönche, albernen Kostümen als Elementarteilchen usw. Derweil läuft aus zwei Tanks eine giftgrüne Flüssigkeit aus und mehr und bedeckt mehr die Bühne (Bühnenbild: Karin Nottrodt). Claudia Lehmen ergänzt das um Videoprojektionen, im dritten Teil gibt es eine Echtzeit-Computergrafik dazu. Das hat seinen eigenen Charme, keine Frage, sorgt in seiner gewollten Absurdität aber auch für eine Distanz - man kann sich bequem zurücklehnen, allen Thesen zustimmen, herzlich applaudieren und fühlt sich selbst bestenfalls am Rande gemeint. Statt politischen Agitationstheaters bestaunen wir, sicher zeitgemäß und mit großem technischen Aufwand, unseren Untergang als Revue, ohne besonders betroffen zu sein.
Tja, was soll man dazu sagen? Ein schräges, hippes Stück mit genügend Sicherheitsabstand zur eigenen Komfortzone und mit nicht uninteressanter Musik, die es aber schwer hat, sich gegen die Textflut zu behaupten.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüm
Video
Licht
Computer Music Design IRCAM
Elektronische Musik
Hundetrainerin
Dramaturgie
Tänzer
Sprecher / Darsteller
Sopran
Mezzosopran
Alt
Bariton
Hund
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- Fine -