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AbschiedsrundeVon Roberto Becker, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Zum Kultstatus hatte dieser Fliegende Holländer nicht das Format. Am Ende, in seinem letzten Jahr auf dem Grünen Hügel, läuft die Sache aber ziemlich rund. Dreht sich sogar mal ein Ventilator. In der Premierenwoche, weit oberhalb der 30°C-Marke, stellt sich da schon mal der fromme Wunsch ein, dass Jan Philipp Gloger ein Erbarmen mit dem Publikum haben und allen gerade gefertigten Ventilatoren in Dalands Fabrik einen Probelauf Richtung Saal gönnen würde. Aber seine Inszenierung ist der einzige kurze Abend dieses Premierenzyklus', der es noch deutlich vor dem Küchenschluss der Bayreuther Gastronomie ins Ziel schafft. Obendrein einer ohne hitzebedingte Ausfälle im Saal wie an den Tagen davor.
Vergessen ist die Aufregung um den vor der ersten Premiere 2012 wegen seiner rechtsradikalen Tattoos ausgewechselten Holländer-Sänger. Beruhigt hat sich auch das vernehmliche Maulen der Anfangsjahre über eine vermeintlich biedere, eher fürs Stadttheater taugliche Inszenierung. Am Ende zeigt sich, dass die Ausgangsbehauptungen der Deutung konsequent und in sich stimmig durchgearbeitet und in den Folgejahren auch immer wieder nachjustiert worden sind.
Nicht nur der fabelhaft einstudierte Chor, auch die Darsteller nehmen das Angebot, Spielwitz aufblitzen zu lassen, ernst. Da ist der Holländer deutlich dichter an Koskys entfesselter Meistersinger-Komödie als an den neo-blauen Lohengrin-Tableaus. Und das ist gut so. Nicht nur wegen der Extremtemperaturen - wie heiss muss es da im Graben sein, wenn schon im Saal die weißen Männerhemden auf der verschwitzten Haut kleben - und da muss man nur durchhalten und zuhören. Wenn man auch aufmerksam zusieht, dann kann man sich schon am Anfang einen kühlen Lufthauch imaginieren, wenn die Monsterschaltkreise, die hier Wolken und felsige Küste metaphorisch ersetzten, hübsch auf die musikalischen Wellen aus dem Graben ausgerichtet, wogen. Und dann natürlich in der Ventilatorenfabrik. Hier geht der Steuermann als engagierter Vorarbeiter seinem Chef Daland zur Hand. Er ist es, der am Ende, wenn sich Senta und der Holländer effektvoll via Doppelselbstmord aus der Geschichte verabschiedet haben, genau dieses Paar als Idee für einen Produktwechsel aus der Tasche zaubert.
Gloger hat dem Ganzen jedenfalls eine deutliche Dosis von Spielwitz verpasst, ohne dass es aufgesetzt wirken würde. Peter Rose als schlitzohriger Daland und Rainer Trost als sein in diesem Jahr neu angeheuerter Vorarbeiter (bzw. Steuermann) machen daraus ein Dauer-Ping-Pong, umtanzen sich geradezu mit komödiantischem Instinkt. Vom Ruderboot bis zur letzten "Produktionsbesprechung". Rose provoziert sogar Lacher, wenn er Tochter und Holländer endlich allein lässt, um dann, ganz unvermutet, an anderer Stelle wieder aufzutauchen, die Planen beiseite schiebt, um nachzuschauen, ob es bei den beiden nach Plan verläuft. Das macht es. Aber halt anders, als er denkt. Es ist die Künstlerin Senta, die ihr Gesamtkunstwerk einer gänzlich aus dem Rahmen fallenden Obsession zielstrebig vollendet. Von der Skulptur und den Flügeln bis zum groß in Szene gesetzten Doppelselbstmord. Und der Papa versinkt nicht in Entsetzen und Trauer, sondern vermarktet das seltsame Paar mit der Cleverness, die er von Anfang an zur Schau getragen hat. Was hätte der für ein Galerist für seine Tochter sein können…
Musikalisch und vokal ist der Abend kein Ausnahme-Höhenflug, läutet aber die Abschiedsrunde dieser Produktion solide ein. Im Graben bewährt sich Axel Kober, der den Holländer nach dem Premierenjahr unter Christian Thielemann übernommen und sich spürbar anverwandelt hat. Das klingt flexibel und frisch, ohne die große Wagnerkeule zu schwingen. Neben Rose und Trost bewähren sich erneut Christa Meyer als Frau Mary und Tomislav Muzek als Hausmeister Erik. Während Greer Grimsley bei seinem Hügeldebüt seinem Wotan in der Sonderrunde der Walküre noch einen diabolisch eingefärbten Holländer hinzufügt. Ricarda Merbeth hatte man sich in der Rolle der Senta als noch überzeugender vermerkt. Aber vielleicht bringt der August noch eine Vorstellung mit menschenfreudlicheren Temperaturen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Choreinstudierung
Dramaturgie Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Holländer
Daland
Senta
Erik
Mary
Steuermann
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- Fine -