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Nicht mal einen ordentlichen Selbstmord bekommen diese hoffnungslos Liebenden hinVon Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Urgroßopa Richard hat einfach zu viele Worte gebraucht. Und Töne. Jedenfalls kommt Urenkelein Katharina Wagner als Regisseurin von Tristan und Isolde deutlich schneller zum erotischen Kern als ihr Vorfahre. Kaum dürfen sich Tristan und Isolde liberettogemäß sehen, da wollen sie sich in die Arme fallen, und Brangäne und Kurwenal müssen schon alle Kräfte aufwenden, die beiden auseinanderzuhalten, dabei dauert's bis zum Liebestrank noch ungefähr eine Operndreiviertelstunde. Klare Verhältnisse: Die beiden wollen sich kriegen, um jeden Preis. Jede halbwegs gescheite Hollywood-Filmkomödie würde mindestens an einer Stelle ein Moment der Irritation einbauen. Hier ist alles offensichtlich: Sopran liebt Tenor (und umgekehrt), die Welt ist böse und der Bräutigam alt (na ja, in dieser Besetzung nicht, aber im Textbuch steht's so), und weil Tenöre gemeinhin nicht besonders raffiniert sind, gewinnen die böse Welt und der alte Bräutigam. Bei Rossini, sogar bei Mozart, wäre das anders ausgegangen. Als Komödie.
Erster Aufzug: Tristan und Isolde zerfetzen Isoldes Brautschleier
Über Sinn und Unsinn dieser Inszenierung aus dem Jahr 2015 gehen die Meinungen auseinander, auch innerhalb dieses Magazins (siehe dazu unsere Rezensionen von 2015, 2016 und 2017). Beim Wiedersehen bleibt der Eindruck, dass gegenüber dem Premierenjahr, wenn die Erinnerung nicht täuscht, manches Detail überarbeitet wurde (wer, wenn nicht die Hausherrin, könnte die "Werkstatt Bayreuth" mit kontinuierlicher Entwicklung der Inszenierungen pflegen?). Die Regie zeigt eine Liebesbeziehung, die im Rahmen der realen Machtkonstellation keine Chance hat. Text und Musik erzählen allerdings eine andere, weitaus komplexere Geschichte, und dadurch kommt es zu gravierenden Widersprüchen, die weit über Details hinausgehen. Wenn Marke ein gemeiner Zyniker ist, der wissentlich das ziemlich naive Liebespaar in die Falle gehen lässt, dann macht sein großer Monolog über Treue und Freundschaft keinen Sinn - und dass Wagner derartig lang eine Heuchellitanei ausbreitete, wäre nicht gerade große Theaterkunst. Da laufen ganze Passagen der Oper ins Leere. Und wenn Tristan und Isolde sich beim gemeinsamen Suizidversuch hoffnungslos albern anstellen, gerät das Spiel unwillens in den Bereich der Schmierenkomödie.
Der vermeintliche Todestrank wird diverse Male zwischen den Verliebten hin und her gereicht, bis sie ihn schließlich gemeinsam wegschütten. Kurwenal und Brangäne entdecken eine gewisse Sympathie zueinander (was belanglos bleibt). Und diverse Isolden-Erscheinungen im dritten Aufzug scheinen Stephen Gould, den Sänger des gar nicht so siechen Tristan, derart zu nerven, dass er sie ohne erkennbare Geste der Emotion zur Kenntnis nimmt - da fehlt es an einer glaubwürdigen Personenregie, die über das Abarbeiten von Bildsymbolen hinaus geht. So hat die weder schlüssige noch besonders berührende Inszenierung ihre stärksten Momente, wenn sie scheinbar still steht, wenn viele Passagen im dritten Akt scheinbar im Nichts spielen, und wenn am Ende eine grausilbrig-dreieckige Spielfläche an die nüchtern abstrahierenden Räume der Wieland-Wagner-Ära denken lässt. (Leider aber gibt das eher mittelprächtige Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert auch ästhetisch nicht allzu viel her.)
Immer noch zweiter Aufzug: Tristan und Isolde denken zwischen merkwürdigen Metallkäfigen über den gemeinsamen Selbstmord nach. Erfolglos.
Viel leerer Aktionismus: Da wird im ersten Akt immer wieder Isoldes Brautschleier zerrissen. So bleibt es beim von der Regie mehr gestörten als gestützten Hördrama, das aber von allererster Güte. Petra Lang singt eine klangschöne und ungeheuer differenziert gestaltende, um Textnuancen ringende Isolde, die alle (von der Inszenierung unterlaufene) Verbitterung gegenüber dem hassgeliebten Tristan in Artikulation und Gesangslinie und, es ist ja viel zynische Ironie in ihren Ausbrüchen im ersten Akt, in die Einfärbung der Stimme legt. Für die großen Ausbrüche im zweiten Akt und im Liebestod fehlt mitunter der ganz große Atem, da reicht sie an die größten Rollenvorbilder auch vom Stimmvolumen nicht heran, aber gestalterisch ist das großartig, und bis in die letzten, sehr leisen Töne sehr genau und kontrolliert gesungen. Und Stephen Gould ist ein Tristan von schier unglaublicher Strahlkraft, dabei angenehm dunkel timbriert und zu betörendem Piano fähig, präsent vom ersten bis zum letzten Ton. Da hat Bayreuth ein nachtblaues Festspieltraumpaar.
Exzellent auch das in grün gekleidete zweite (Beinahe-)Paar: Ian Peterson ist ein Kurwenal von stimmlich beeindruckender Wucht, dabei keineswegs grobschlächtig, und Christa Mayer ist eine volltönende Brangäne (das bei ihrer Stimme mitunter sehr unscharfe Vibrato fällt hier nicht störend ins Gewicht). Georg Zeppenfeld ist ein smarter, stimmlich schlanker, durch und durch souverän gestaltender Marke in gelb (nur schade, dass gemäß der Regie alles gelogen ist, was er singt). Und Christian Thielemann am Pult des ausgezeichneten Festspielorchesters dirigiert einen nicht zu schweren, oft eleganten, auch feurigen Tristan, perfekt im Ausloten der klanglichen Möglichkeiten, die das Festspielhaus bietet.
Musikalisch gehört die Produktion sicher zu den Höhepunkten der Festspielgeschichte. Die Regie bleibt wohl Geschmackssache.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Choreinstudierung Solisten
Tristan
Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Hirt
Ein Steuermann
Ein junger Seemann
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- Fine -