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Händel-Festspiele 2018 in Halle (Saale)25.05.2018 - 10.06.2018
Festkonzert mit Joyce DiDonato
Il Pomo d'oro Aufführungsdauer: ca. 2 h 25' (eine Pause) Aufführung in der Georg-Friedrich-Händel Halle am 26. Mai 2018 |
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Durch Musik zur Harmonie Von Thomas Molke / Foto: © Brooke Shaden Die Verleihung des Händel-Preises der Stadt Halle, vergeben durch die Stiftung Händel-Haus für besondere Verdienste um das Werk Georg Friedrich Händels, ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Festspiele. In diesem Jahr geht der Preis an die Ausnahmekünstlerin Joyce DiDonato, die zwar bis zu diesem Festkonzert noch nie in Händels Geburtsstadt aufgetreten ist, aber dennoch in zahlreichen Händel-Partien und mit mehreren Konzertprogrammen eine enge Beziehung zu dem Hallenser Komponisten aufgebaut und mit zur steigenden Popularität seiner Werke in den letzten beiden Jahrzehnten beigetragen hat. Zur Verleihung hat sie nun ein Programm nach Halle mitgebracht, mit dem sie mittlerweile auf drei internationalen Tourneen große Erfolge gefeiert hat: In Krieg und Frieden - Harmonie durch Musik (siehe auch unsere Rezension aus Essen aus dem letzten Jahr). Hierbei verfolgt DiDonato einmal mehr ihr Anliegen, von den größtenteils düsteren Nachrichten der Welt abzulenken und mit ihrer Musik an die Menschlichkeit zu appellieren. Dabei will sie dem Publikum allerdings nicht nur einen Weg aufzeigen, wie man über die Musik im vorherrschenden Chaos dieser Welt zu einer inneren Balance und Harmonie finden kann, sondern fordert die Zuschauer auch auf, selbst Stellung zu beziehen. So erhält jeder Zuschauer beim Betreten des Saals einen Brief, "A message for you, from Joyce", mit der Aufforderung, auf der beigefügten Karte zu notieren, wie er/sie selbst den inneren Frieden in diesen unruhigen Zeiten findet. Die ausgefüllte Karte kann im Anschluss im Foyer in an mehreren Stellen aufgestellten Kästen eingeworfen werden. Im Programmheft werden mehrere Menschen zitiert, die ebenfalls versucht haben, diese Frage für sich zu beantworten. Joyce DiDonato Der Abend ist mit einem ganzen Regie-Team im wahrsten Sinne des Wortes "in Szene" gesetzt. Schon beim Einlass des Publikums steht DiDonato in einer silbernen aufwändig gestalteten Robe auf der Bühne und blickt leicht traumatisiert ins Leere. Ein unruhiges Grollen im Hintergrund scheint für das Chaos zu stehen, in dem wir uns zu Beginn des Abends befinden. Manuel Palazzo, der DiDonato als Choreograph und Tänzer an diesem Abend unterstützt, liegt mit nacktem Oberkörper und einem weiten ausladenden grauen Rock auf der Bühne und erhebt sich schließlich, um das Ensemble Il Pomo d'Oro und den musikalischen Leiter Maxim Emelyanychev auf ihre Plätze zu geleiten. Henning Blum fängt mit einem gelungenen Lichtdesign die jeweilige Atmosphäre bewegend ein. Die Videoprojektionen von Yousef Iskandar funktionieren in der Georg-Friedrich-Händel Halle allerdings nicht so gut, da es keine vernünftige Projektionsfläche gibt. So lässt sich nicht immer erkennen, was dargestellt werden soll. Deutlich wird allerdings, dass die Projektionen im ersten Teil des Abends wesentlich unruhiger wirken als im zweiten Teil. Auch musikalisch heben sich die beiden Teile deutlich voneinander ab. Für den ersten Teil hat DiDonato Barockarien zusammengestellt, die die Figuren im inneren Aufruhr oder völliger Verzweiflung zeigen. Nach der Pause geht es dann wesentlich harmonischer zu. Das Chaos scheint überwunden, und die Figuren haben ihr inneres Gleichgewicht und ihren Frieden gefunden. DiDonatos Robe hat sich für den zweiten Teil zwar im Farbton kaum verändert, wirkt aber etwas ruhiger, und auch die Körperbemalung ist nicht mehr ganz so düster wie im ersten Teil. Dass DiDonato die Arien auswendig vorträgt und teilweise ineinander übergehen lässt, versteht sich dabei von selbst. DiDonato beginnt den Abend mit einem kurzen Rezitativ, das in die affektgeladene Arie "Scenes of Horror, Scenes of Woe" aus Händels letztem Oratorium Jephtha übergeht. Hier hat Jephthas Frau Storgè böse Vorahnungen über den bevorstehenden Krieg der Israeliten mit den Ammonitern, und diese geäußerten Ängste beschreiben sehr gut, was zahlreiche Zuschauer auch in der heutigen Zeit empfinden mögen. DiDonato lässt mit beweglicher Stimme diese Furcht spürbar werden und begeistert mit großem Volumen in den Tiefen, die eine düstere Zukunft heraufbeschwören. Diese Vision geht direkt über in Andromacas Arie "Prendi quel ferro, o barbaro!" aus Leonardo Leos gleichnamiger Oper, in der die Witwe Andromaca Pyrrhus, dem Sohn des Mörders ihres Gatten, eine Abfuhr erteilt, als er ihr einen Heiratsantrag macht. Hier changiert DiDonato gekonnt zwischen scharfen Tönen, die an Pyrrhus gerichtet sind, und zärtlicher Mutterliebe. Auch hierbei fangen gekonnte Lichteffekte Andromacas innere Zerrissenheit bewegend ein. Pure Verzweiflung folgt dann nach zwei kurzen Instrumentalstücken in "Dido's Lament" aus Purcells Oper Dido and Aeneas. DiDonato bedeckt ihr Gesicht dabei mit einem Schleier, wenn sie als verlassene Dido Abschied von der Welt nimmt. Auch als Agrippina präsentiert sie sich in der folgenden Arie "Pensieri, voi mi tormentate" aus Händels gleichnamige Oper als zutiefst verunsicherte Frau, die fürchtet, dass die von ihr geplanten Intrigen, um ihren Sohn Nero auf den Kaiserthron zu setzen, auffliegen könnten. DiDonato punktet hier mit großer Dramatik und sauberen Höhen. Ein weiterer musikalischer Glanzpunkt ist dann Almirenas Klage "Lascia ch'io pianga mia cruda sorte" aus Händels Rinaldo, in der die von der Zauberin entführte Tochter des Anführers der Kreuzritter verzweifelt ist und nur noch weinen möchte. DiDonato gelingt eine derart eindringliche Interpretation mit großartiger Variation im wiederholten A-Teil, dass man selbst vor Rührung die eine oder andere Träne verdrückt und fast überhören kann, dass ein Smartphone mit nervigem Klingelton die Stimmung gnadenlos unterbricht. Nach der Pause geht es dann etwas optimistischer zu. Während zu Beginn die zum Tode verurteilte Inka-Prinzessin Orazia in Purcells The Indian Queen in ihrem Liebeslied an ihren Leidensgenossen Montezuma, "They tell us that you mighty powers", ihr Schicksal akzeptiert und sich mit ihrer Situation abfindet, gipfelt der zweite Teil dann in Ariodantes optimistischer Arie "Dopo notte", in der Ariodante seiner Freude darüber freien Lauf lässt, dass er nach den ganzen Intrigen und seiner ganzen Verzweiflung doch noch im sicheren Hafen der glücklichen Liebe angekommen ist. DiDonato lässt die Koloraturen hier nur so sprudeln, auch wenn man dabei teilweise das Gefühl hat, dass Ariodantes Optimismus so groß ist, dass DiDonato dem Ensemble Il Pomo d'Oro bei den schnellen Läufen davonzugaloppieren droht. Maxim Emelyanychev hat am Pult schon einiges zu leisten, Orchester und Sängerin hierbei immer wieder auf eine Spur zu bringen. Die Höhen klingen bei dieser Arie auch an einigen Stellen etwas scharf. Ein Glanzpunkt ist Almirenas Arie "Augelletti, che cantate" aus Händels Rinaldo, in der die junge Frau in einen Dialog mit einem zwitschernden Vögelchen tritt, das von einer Flötistin des Ensembles Il Pomo d'Oro mit großer Leidenschaft und leichtfüßigem Spiel bildhaft umgesetzt wird. Überhaupt präsentiert sich das 2012 gegründete Ensemble unter der Leitung von Maxim Emelyanychev als kongenialer Begleiter für DiDonato und stellt mit dem Instrumentalstück "Da pacem domine" von Arvo Pärt unter Beweis, dass es neben Barockmusik auch zeitgenössische Musik differenziert umsetzen kann. Nach den stehenden Ovationen sind bei einem solchen Abend natürlich auch die Zugaben genau auf das Programm zugeschnitten. In der ersten Zugabe schildert DiDonato wohl, was sie nach dem frenetischen Jubel des Publikums fühlt: "Par che di giubilo". Wie Attilia in Jommellis Oper Attilio Regolo, die sich auf ein Wiedersehen mit ihrem Vater freut und ihr Glück in höchsten Tönen feiert, freut sich auch DiDonato über den begeisterten Zuspruch zu ihrem Programm und glänzt mit halsbrecherischen Läufen und sauber angesetzten Koloraturen. Nach der Laudatio und der Überreichung des Preises wird sie noch einmal ganz persönlich und verabschiedet sich mit einem relativ ruhigen Lied, das zwar stilistisch in großem Kontrast zu den vorherigen Barockarien steht, aber wie die im zweiten Teil des Abends ausgewählten Arien die Kraft gibt, den Optimismus in diesen unruhigen Zeiten nicht zu verlieren: "Und morgen wird die Sonne wieder scheinen" von Richard Strauss aus seinem Liederzyklus Morgen von 1894. Es bleibt zu hoffen, dass diese Botschaft auch außerhalb des Konzertsaals Früchte trägt. FAZIT Joyce DiDonato ist es wieder einmal gelungen, mit ihrer Musik ein Zeichen zu setzen in einer Welt, in der das Denken der Menschen vielerorts von Angst und Schrecken beherrscht wird. Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2018 in Halle
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AusführendeJoyce DiDonato, Mezzosopran und Il Pomo d'Oro Maxim Emelyanychev, Dirigent Manuel Palazzo, Choreographie und Tanz Ralf Pleger, Regie Henning Blum, Lichtdesign Yousef Iskandar, Videodesign Vivienne Westwood, Kostüme Joyce DiDonato Lasha Rostobaia, Kostüm Manuel Palazzo
Werke
Georg Friedrich Händel
Leonardo Leo
Emilio de' Cavalieri
Henry Purcell
"Thy hand, Belinda" -
Georg Friedrich Händel
Carlo Gesualdo da Venosa
Georg Friedrich Händel
Henry Purcell
Georg Friedrich Händel
Arvo Pärt
Georg Friedrich Händel
"Dopo notte"
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