Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Stark
als Frau, als Künstlerin, als Liebende Von Christoph Wurzel / Fotos: © Jochen Klenk 2019 ist auch das Clara-Schumann-Jahr. Am 13. September vor zweihundert Jahren wurde Clara Wieck in Leipzig geboren. Unter dem Einfluss ihres Vaters beginnt sie als Wunderkind bereits im Alter von neun Jahren ihre lebenslange Karriere als Klaviervirtuosin und Komponistin. Einen Tag vor ihrem 21. Geburtstag heiratet sie Robert Schumann und bringt in dieser Ehe acht Kinder zur Welt, von denen sie einige früh wieder verliert. Im Alter von 37 Jahren wird sie Witwe und sichert durch ausgedehnte Konzerttätigkeit den Unterhalt der Familie. Dabei widmet sie sich intensiv vor allem der Verbreitung von Robert Schumanns Musik. Als Klavierlehrerin ist sie in Baden-Baden, Berlin und Frankfurt tätig, wo sie im 77. Lebensjahr stirbt: dürre Daten eines bewegten Lebens, das von Anbeginn der Musik verschrieben, aber gleichzeitig auch von so enormen Schwierigkeiten belastet war, dass es verwundert, wie künstlerisch fruchtbar und erfüllt es letzten Endes doch gewesen ist. Die amerikanische Komponistin Victoria Bond hat in ihrer Oper dieser beeindruckend starken Frau ein lebendiges Denkmal gesetzt - als Komponistin, als Pianistin und als Liebender. Gegen viele Widerstände muss sich Clara durchsetzen: Sie behauptet gegen den Starrsinn des Vaters ihre musikalische Individualität, wählt gegen sein vehementes Nein Robert Schumann zum Mann. Gegen dessen Widerstand erkämpft sie sich den Freiraum für ihre Konzerttätigkeit. Und als sich erste Zeichen seiner psychischen Erkrankung zeigen, stellt sie sich couragiert gegen seine Gegner. Nach seinem Tod sinkt sie nicht etwa in Verzweiflung, sondern findet wie befreit und fast triumphal endgültig zu ihrer Lebensaufgabe, die allein darin besteht, für ihre Kunst zu leben. Robert (Johannes Fritsche) und Clara (Theresia Immerz): eine Beziehung nicht ohne Probleme Bis zu diesem Zeitpunkt, dem Todesjahr Schumanns 1856, reicht die Handlung der Oper, die Barbara Zinn Krieger nicht etwa dokumentarisch trocken zu einem biografischen Bilderbogen aufgefächert, sondern dramaturgisch geschickt zu markanten Szenen mit entscheidenden Stationen dieser Jahre im Leben Claras verdichtet hat. Karger Ereignisbericht wechselt mit sehr poetischer Sprache. Prägnant werden so die Situationen und einfühlsam die Gedanken und Gefühle der Bühnenfiguren geschildert. Libretto und Musik gehen dabei kongenial Hand in Hand. Victoria Bonds Musik ist nicht hermetisch, ihre Musik erschließt sich leicht, ist dabei von großer erzählerischer Kraft und Dichte. Ebenso wird die Atmosphäre der Szene in der Musik sinnlich erfahrbar, wie sie an entscheidenden anderen Stellen zum Spiegel der Seele wird. Bond benötigt nur wenige Takte, bisweilen nur Töne, um die musikalische Charakteristik prägnant zu gestalten. In den Finalszenen der beiden Akte sucht Clara jeweils inmitten einer Katastrophe nach festem Halt. Im ersten Akt ist es das anscheinend endgültige väterliche Verbot ihrer Beziehung zu Robert und im zweiten Akt Roberts Tod. In diesen Szenen, inneren Monologen im klassischen Sinn, versucht sie ihre Gedanken zu ordnen und ihren Standpunkt zu finden, während die Instrumente assoziativ ihren Gedankenstrom nachzeichnen. Ganz anders in weiteren Szenen, etwa wenn im ersten Akt die Gäste an Claras 9. Geburtstag nach ihrem ersten öffentlichen Konzert im Gewandhaus das Wunderkind am Klavier rühmen, wird die Musik mit ihren Repetitionen leerer Floskeln zur Karikatur aufgesetzter Lobhudelei. Victoria Bond charakterisiert ihre Figuren auch durch geschickte Wahl der Instrumente. So wird der herrische Vater vom behäbigen Fagott begleitet. Seine ewige Leier, Clara solle doch mehr üben, unterlegt die Komponistin mit stupiden Achteln, die in einer Art Kreiselbewegung vom Cello perpetuiert werden und die beständig eingeforderten Skalen und Arpeggien, zu denen er seinen Schüler Robert Schumann verdonnert, vertont Victoria Bond wie Nackenschläge, die auf das Klavier gehämmert werden. Melodisch ausladend wird die Musik, wenn Clara und Robert sich verlieben, lyrisch und innerlich anteilnehmend hat Bond die Begegnung Claras mit ihrer Mutter gestaltet, die sie nach der Scheidung der Eltern schmerzlich vermisst und nach vielen Jahren der Trennung zum ersten Mal wiedersehen darf: "Könnten wir doch gegenseitig uns unsere Herzen öffnen!" - ein Duett von großer musikalischer Empathie. Und auch die Musik der historischen Personen, selbst ja Komponisten und ausübende Musiker, bezieht Victoria Bond effektsicher ein. Da spielt die sechzehnjährige Clara am Klavier die Papillons ihres Idols Robert Schumann, in zauberhafter Instrumentation von den Instrumenten des Kammerensembles begleitet. Und zum Beweis ihrer sprühenden Kreativität setzt Clara der unerbittlichen Forderung des Vaters mehr zu üben, einen beschwingten Walzer, ihre erste eigene Komposition, entgegen. Zum Klavier treten nur zwölf weitere Instrumente, sechs Bläser, fünf Streicher und ein umfassendes Schlagwerk vom Glockenspiel bis zur Pauke. Auch durch der Wahl der Stimmfächer gibt die Komponistin den Protagonisten deutlich Profil. Clara ist ein lyrischer Sopran, Robert ein lyrisch-dramatischer Bariton. Der alte Wieck wird von einem Charakterbariton gesungen und wenn Johannes Brahms seinen ersten Besuch bei den Schumanns macht, betritt ein wunderbar lyrischer Tenor die Szene. Das versammelte Ensemble: Theresa Immerz (Clara), Johannes Fritsche (Robert), Arthur Cangucu (Mendelssohn), Patrick Hornak (Brahms / Bargiel, zweiter Ehemann Mariannes), Yingyan Guo (Marianne, Claras leibliche Mutter), Elisabetta Picello (Clementine, Claras Stiefmutter) und Pascal Zureck ( Claras Vater Friedrich Wieck) (von links) Jungen Künstlerinnen und Künstlern ist die Produktion anvertraut, die allesamt mit unverbrauchten Stimmen aufwarten. Allen voran Theresa Immerz als eindrucksvoll starke Clara, die sie in all ihren Facetten zwischen jugendlicher Begeisterung für die Musik, schwärmerischer Verliebtheit in den genialischen Robert, durchsetzungskräftige Partnerin in der nicht unproblematischen Ehe und schließlich entschiedenen Willensstärke in Moment größten Verlustes glaubwürdig darstellt. Stimmlich verfügt sie mühelos über die nötige Strahlkraft und eine brillante Höhe, aber auch eine dramatische Ausdruckstiefe, mit der sie diese Opernfigur zum Leben erweckt. Der Bariton Johannes Fritsche gibt mit seinem vokalen Potential und lebendiger Darstellung Robert Schumann deutlich Kontur, zeigt dessen fast verzweifelten Zorn gegenüber Claras autoritärem Vater, den wachsenden Verfall seines Selbstbewusstseins nach sinkender Anerkennung als Musikdirektor in Düsseldorf bis hin zur lebensmüden Verzweiflung, die ihn an den Rand des Suizids treibt. Als Vater Wieck bleibt Pascal Zureck angesichts des Rollenprofils darstellerisch erstaunlich milde, lässt aber stimmlich keinen Zweifel über diesen dominanten Mann aufkommen, der seine Tochter partout zur Konzertmaschine abrichten will. Im 2. Akt erst tritt Patrick Hornack als Johannes Brahms ins Geschehen ein. Mit einer lyrisch-romantischen Hornmelodie charakterisiert Victoria Bond diesen jungen Musiker, den der historische Schumann als einen beschrieb, "an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten". Patrick Hornack singt diese Rolle mit jugendlicher Begeisterung berückend schön. Brahms wird von Robert zuerst enthusiastisch begrüßt, bis sich zarte Bande der Sympathie auch zu Clara entwickeln. In eine gemeinsame Szene mischen sich neben freundschaftliche Töne auch solche des Zweifels und der Unsicherheit hinein: "Ist es mehr als Freundschaft?". Brahms ist es auch, der Clara die Nachricht vom Tode Roberts übermittelt. Bis zu Claras Lebensende werden beide in tiefer Zuneigung und Freundschaft verbunden bleiben. Und als Apotheose dieser Künstlerfreundschaft lässt Victoria Bond mit dem ins Emphatische gesteigerten Brahms-Motiv auch die Oper enden. Die Regie von Carmen C. Kruse und das Bühnenbild von Eleni Konstantatu fügen sich dem lyrisch poetischen Werk auf ideale Weise. Die Szene ist nicht naturalistischer Handlungsraum, sondern lässt symbolisch eher der inneren Handlung der Protagonisten Raum zur Entfaltung. So spielt die Oper nicht etwa in den plüschigen und engen Bürgerstuben des 19. Jahrhunderts, sondern ist herausgeholt in den romantischen Raum der Natur. Auch spielt hier niemand am Flügel, dies wird allein durch die Musik vermittelt. Und Robert kämpft nicht mit dem Notenpapier, wenn er seine Schreibhemmung bei der Komposition des Streichquartetts beklagt, die Regie lässt ihm die Zeit als Sand durch die Finger rieseln und sein verzweifelter Sturz in den Rhein wird durch herabfallenden Regen symbolisiert. Durch die modernen Kostüme wird der Anspruch auf auch gegenwärtige Gültigkeit der Konflikte verdeutlicht. Immer wieder spiegeln sich die Personen in einem gläsernen Rundbogen, der wie ein durchsichtiger Käfig deren enge Welt umgreift. Stumme, allegorische Szenen sollen die innere Befindlichkeit vor allem Claras verdeutlichen, kommen aber nicht so zur Wirkung, da sie im Bühnenhintergrund spielen und nicht von allen Plätzen gut zu sehen sind. Über die musikalische Umsetzung ihrer Partitur hat sich die Komponistin selbst außerordentlich lobend geäußert (siehe hierzu unser Interview), und dass ihre Intentionen durch die Musikerinnen und Musiker der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Michael Hasel glänzend verwirklicht wurden, war in jeder Minute der Aufführung zu spüren. Auch der begeisterte Applaus für alle Beteiligten nach der Aufführung, auch für die adäquaten Leistungen der Sängerinnen und Sänger der kleineren Rollen, spricht für sich. FAZIT Eine Uraufführung, die in allen Teilen voll überzeugen konnte: das überaus anregende Werk selbst, die behutsame Regie, die glänzenden solistischen Leistungen und die souveräne Gestaltung der Partitur durch Dirigent und Instrumentalisten
Zurück zur
Übersicht Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Clara
|
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -