Im samtenen Wams ficht' es sich schlecht
Von Stefan Schmöe
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Fotos © Foto Ennevi/Fondazione Arena di Verona
Die drei Türme: Bühne
So viele Ritter wie hier sieht man sonst nur im Film. Wobei, zugegeben, der erste Film, der uns in den Sinn kommt, Monty Pythons Travestie Die Ritter der Kokosnuss war. Der von Franco Zeffirelli ausgestattete Trovatore ist ein tolles Kostümspektakel, aber immer hart an der Grenze zur (unfreiwilligen) Parodie (und manchmal jenseits davon). Edle Ritter tanzen mit Langschwertern ein höfisches Ballett. Und die Hauptdarsteller? Sehen total mittelaltermäßig aus, heben bedeutungsvoll ihre Waffen in die Höhe, würden ihr edles Gewand aber nie durch schöden Kampf beschmutzen. Für das martialische Element muss das waffenstarrende Bühnenbild herhalten. Drei metallene Türme stehen auf der Bühne, dazu mehrere verschiebbaren Reliefs mit allerlei Mordwerkzeugen. Rechts und links fassen riesige Ritterskulpturen, kämpfend, die Bühne ein und geben dem Auge Halt. Alles silbergrau - der Troubador wird hier als romantisches Nachtstück im Mondschein erzählt. Und was würden Mittelalterfans dazu sagen? Völlig falsche Musik, vermutlich, klingt gar nicht nach echten Troubadoren. Irgendwie ist das alles ein großes Missverständnis.
Die Schwerter in die Höhe - aber mehr Kampf Mann gegen Mann gibt es zwischen Manrico (links) und Luna nicht, was weniger an Leonoras halbherzigem Einschreiten liegt als am Bewusstsein, dass Schwertkämpfe der modischen Kleidung wenig zuträglich sind.
Wobei es sich schnell als Problem erweist, dass sich die Handlung an häufig wechselnden Orten abspielt. Die Kirche, in der Graf Luna seiner angebeteten, aber in den Falschen (nämlich den Troubador Manrico) verliebten Leonora nachstellt, wird ja noch angedeutet, indem ein Turm sich öffnet. Ansonsten bleiben die Schauplätze denkbar vage. Personenregie? Gibt's nicht, die theatralische Gestik (Arme gen Himmel heben) aus lange vergangenen Opernzeiten hätte vermutlich schon Verdi als unerträglich pathetisch abgetan. Zeffirelli hat als diesjährige Neuproduktion des Festivals eine ansehnliche Traviata geschaffen (unsere Rezension), dieser Troubador bedient dagegen viele Vorurteile über Open-Air-Inszenierungen. Pferde schnauben lustig in Generalpausen hinein. Die Zigeuner sind ein pittoreskes Völkchen in bunten Kleidern (und die alberne Balletteinlage spielt mit erotischen Sehnsüchten nach freizügigen Zigeunermädchen - ein nun wahrlich überkommener Topos). (Mit dem Ballett beginnt auch der große Auftritt der Platzanweiserinnen, denn sofort schnellen Hunderte von Smartphones in die Höhe, die das Geschehen verbotenerweise, aber eben alles andere als unauffällig filmen, und da wird höflich, aber bestimmt eingegriffen.) Die Arena hat natürlich ein ganz eigenes Opernpublikum, dass in großen Teilen offensichtlich genau so eine Show sehen möchte.
Azucena wird gefangengenommen.
Von dramatischer Handlung dagegen keine Spur, die Oper tritt drei Stunden auf der Stelle, wird zur Ansammlung schöner Arien und Ensembles. Dirigent Pier Giorgio Morandi leitet den prachtvoll singenden Chor und das zuverlässig aufspielende Orchester der Arena di Verona umsichtig und mit Delikatesse, im Stil ziemlich altmodisch mit viel Freiraum für Rubati und Verzierungen und was Sänger sonst so mögen - das ausgelebte Primat der Stimme hat sicher einiges für sich. Nun ist der Trovatore aber kein Belcanto-Werk, sondern ein Musikdrama con fuoco, ein Werk voller dramatischen Zuspitzungen, und die bleiben der Dirigent wie auch die Sänger fast vollständig schuldig. >Sie feiern vielmehr edles Fest einigermaßen schöner Stimmen in historischen Kostümen, vom Publikum immer wieder bejubelt, besonders wenn die Spitzentöne überlang ausgehalten werden (schön klingen müssen sie dafür nicht).
Leonora und Luna.
Im einzelnen: Murat Karahan schlägt sich mit eher lyrischem Tenor in der Partie des Manrico tapfer, auch wenn ihm das Draufgängerische, Strahlende fehlt und er damit auch musikalisch den zwar verliebt singenden, aber im Zweifelsfall wenig kampfbereiten Liebhaber gibt. Widersacher Graf Luna Wird von Alberto Gazale mit gewollter Noblesse gesungen, den widerwärtigen Bösewicht, der hinter der Figur steht, möchte er nicht geben - und hat in den ersten beiden Akten, in denen die Stimme oft kehlig klingt, offenbar manchmal zu kippen droht, heikle Momente, singt sich nach der Pause aber einigermaßen frei. Anna Pirozzi ist eine matronenhafte Leonora, die Stimme klingt nicht mehr ganz jung, hat aber ein schönes und wirkungsvoll eingesetztes Piano, etwas viel Vibrato - auch hier eine "altmodische" Gestaltung. Auch Violeta Urmana als Zigeunerin Azucena fehlt es an der dramatischen Intensität, die Verdi vorgeschwebt haben mag, aber mit sattem Alt bewältigt sie die Partie souverän. Zu erwähnen ist noch Riccardo Fassi als präsenter Ferrando.
FAZIT
Szenisch kann man diesen albernen Kostümschinken nicht weiter ernst nehmen, musikalisch werden ziemlich undramatisch schöne Melodien auf ganz akzeptablem Niveau präsentiert. Mit dem, was in Verdis Trovatore an dramatischem Potential steckt, hat weder das eine noch das andere viel zu tun.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Pier Giorgio Morandi
Inszenierung und Bühne
Franco Zeffirell
Kostüme
Raimonda Gaetani
Choreographie
El Camborio Lucia Real
Fechtmeister
Renzo Musumeci Greco
Chor
Vito Lombardi
Chor, Ballet und Orchester
der Arena di Verona
Solisten
* Besetzung der rezensierten Aufführung
Graf Luna
Luca Salsi / * Alberto Gazale
Leonora
Anna Netrebko / * Anna Pirozzi
Azucena
Dolora Zajick / * Violeta Urmana
Manrico
Yusif Eyvazov / * Murat Karahan
Ferrando
Riccardo Fassi
Ines
Elisabetta Zizzo / * Elena Borin
Ruiz
Carlo Bosi
Ein alter Zigeuner
Dario Giorgelè
Ein Bote
Antonello Ceron
weiterer Bericht vom Opernfestival Arena di Verona 2019
La Traviata
Aida
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