Max Emanuel Cenčić und Jake Arditti
Bei seinem spektakulären Versuch, Barockoper jenseits der längst ins Repertoire zurückgekehrten Händel-Opern mit seinem neuen Festival zu popularisieren, lag es auf der Hand, neben seiner hinreißenden Inszenierung der Porpora Oper Carlo il Calvo zum Auftakt des Bayreuth Baroque Festivals die Polenoper Vincis aus dem Jahre 1727, von der Cenčićs Parnassus Arts Productions schon eine CD-Einspielung gemacht hat, mit nahezu der gleiche Besetzung auch im Markgräflichen Theater zumindest konzertant vorzustellen.
Die Handlung ist ein barocktypischer Mix aus Liebeshändel und Haupt- und Staatsaktion - mit den polnisch-litauischen Beziehungen als realpolitischem Hintergrund für eine Mischung aus dem Schaukampf um die moralische Überlegenheit, Liebe über die Parteigrenzen hinweg, Intrige, Verrat und jähen Wendungen in der Handlung. Mit einem großen gegenseitigen Verzeihen am Ende. Also einem lieto fine, das mit der dramaturgischen Brechstange herbeigeführt wird. Vorbild für diesen Plot war eine Oper, die Antonio Lotti 1709 aus Anlass des Besuchs von Dänenkönig König Fredericks IV. in Venedig verfasst hatte. Vincis Version kam dann 1727 in Rom heraus.
Yuriy Mynenko mit dem Orchester vor der barocken Kulisse
Im Stück ist der König von Polen, der Titelheld Gismondo, der strahlende positive Held der Geschichte (das waren noch Zeiten!). Die aufgeklärte Vernunft und Güte in Person sozusagen. Diese Rolle singt Max Emanuel Cenčić mit gereifter, ausgeglichener Stimmkultur und virtuosen Koloraturen. Tochter Giuditta (als souveräne Einspringerin: Hanna Bennani) ist dessen politischem Gegenspieler, dem Litauer Herzog Primislao, zugetan. Aleksandra Kubras-Kuk wirft sich mit Vehemenz in die Partie dieses etwas neurotischen Fürsten.
Aleksandra Kubas-Kruk und Sophie Junker
Primislaos Tochter Cunegonda wiederum (Sophie Junker überzeugt mit kultiviertem Sopran) verbietet sich aus Staatsräson lange Zeit die Liebe zu Gismondos Sohn Otone. Counter Yuriy Mynenko überzeugt in dieser Rolle mit kraftvoller Sinnlichkeit ebenso wie mit seinen geschmeidigen Lyrismen. Der dritte Counter in dieser konzertanten Aufführung ist der Brite Jake Arditti mit der Partie des livländischen Herzogs Ernesto. Er war schon in Peter Konwitschnys Inszenierung von Giulio Cesare bei den Händelfestspielen 2019 in Halle mit von der Partie und überzeugt in Bayreuth mit einem gut fundierten Timbre und virtuoser Koloraturgelenkigkeit.
Die Liebebeziehung mit Hindernissen ist sozusagen der Kern der Handlung. Nach der Überwindung aller Missverständnisse und bewussten Intrigen mündet alles in einer günstigen Konstellation, die den Frieden zwischen den Fürsten (bzw. Staaten) durch familiäre Bindungen untermauert. Auch der zwischenzeitlich mal totgeglaubte Litauer erfreut sich noch des Lebens, und geht geläutert auf das Friedensangebot des polnischen Königs ein. Das dann von allen Protagonisten gemeinsam über die Rampe geschmetterte lieto fine wiederholt das Ensemble als Zugabe und aus Dankbarkeit für herzlichen Beifall noch einmal. Dirigentin Martyna Pastuszka und ihr Orchester mit dem putzigen Namen {oh!} Orkiestra Historyczna! gelingt es, das Schmettern der Bläser ebenso effektvoll zu platzieren, wie sich mit dem Orchesterklang den Stimmen gleichsam anzuschmiegen.
FAZIT
Mit diesem Festspiel-Live-Auftritt (zur CD) dürften sich diese Dirigentin und ihr Orchester etabliert haben und als feste Größe im Visier der diversen Barockfestivals sein.
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