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Ein sanfter Gottvon Stefan Schmöe / Fotos © Christian Palm / Ruhrtriennale 2021
Klassische Konzertformate sind selten bei der Ruhrtriennale, und da fällt Mendelssohns Elias zwischen experimentierfreudigen Produktionen wie A Divine Comedy oder D.I.E. doch ein wenig aus dem Rahmen. Wobei das Projekt ja auch gar nicht zur Planung von Intendantin Barbara Frey gehört, sondern noch unter der Ägide von Stefanie Carp für die Spielzeit 2020 angesetzt wurde - die aber wegen der Pandemie bekanntlich abgesagt werden musste. Nun gehört das Chorwerk Ruhr als denkbar vielseitig einsetzbares Vokalensemble seit je zur Ruhrtriennale und als Vorzeigechor der Region sowieso zum Ruhrgebiet. Grund genug, das Konzert jetzt in der Bochumer Jahrhunderthalle nachzuholen. Und festspielreif ist die Aufführung, das sei vorweggenommen, unbedingt.
Bei der Uraufführung des Elias sollen 271 Sängerinnen und Sänger auf dem Podium gestanden haben - hier sind es gerade einmal 37. Der Chorklang ist dementsprechend schlank, hat wenig Vibrato und ist sehr homogen, trotz der kleinen Besetzung kraftvoll und intensiv auch im Pianissimo. Das korrespondiert ganz ausgezeichnet mit dem Orchesterklang: Concerto Köln spielt auf historischen Instrumenten, dadurch schärfer und klarer als ein großes Symphonieorchester. Kein Detail geht verloren, alles ist durchhörbar. Chor und Orchester reagieren ungeheuer flexibel, und eine derart nuancierte Aufführung hört man selten: Crescendi und Decrescendi auf kleinstem Raum, eine fantastisch genaue Textausgestaltung, die sich unaufdringlich an der Wortbedeutung orientiert, feinste Abstufungen, hohe Wandlungsfähigkeit im Ausdruck.
Auch die ausgezeichneten Solisten sind genau passend ausgewählt. Den Elias singt Michael Nagy, kein donnernder, sondern ein nachdenklicher, man könnte sagen: intellektueller Prophet, knallhart in der Bestrafung der Baalspriester, aber immer elegant und doch zupackend präsent. Entrückt leuchtend der Sopran von Carolina Ullrich, eine Spur erdverbundener der helle Alt von Anke Vondung, sehr ordentlich der Tenor von Werner Güra. Und alle fügen sich hervorragend in die Ensembles ein, singen sehr genau aufeinander abgestimmt.
Florian Helgath, künstlerischer Leiter des Chorwerk Ruhr, dirigiert mit viel Sinn für die Dramatik des Werkes, verfällt aber nie in einen opernhaften Ton. Er bleibt immer nah am Text, gibt in den rezitativischen Passagen den Solisten entsprechende Gestaltungsfreiheit, und verschmilzt oft die Übergänge zwischen den einzelnen Nummern, sodass einzelne Szenen als große Einheiten erscheinen. Die Chorsätze sind tendenziell in etwas schnelleren Tempi genommen als gewohnt, wodurch das Werk an Schwere verliert und an Dramatik und Beweglichkeit gewinnt. Ganz großartig gelingen die (mit Chormitgliedern besetzten) kleiner oder solistisch besetzten Nummern wie das berühmte "Denn er hat seinen Engeln befohlen …", traumhaft schön im Klang und in der Phrasierung und auch im Kontrast zum Chorklang.
Bei dieser bewegenden, insgesamt hellen und lichten Interpretation scheint das Neue Testament näher als die alttestamentarische Gewalt: Helgath und seine Musikerinnen und Musiker zeichnen das Bild eines sanften, vergebenden Gottes. Das Ambiente der Bochumer Jahrhunderthalle gibt einen reizvollen Kontrast ab. Um das abgegriffene Klischee von der "Kathedrale des Industriezeitalters" zu bemühen: Das Spannungsfeld zwischen sakraler Musik und bürgerlicher Musikkultur, das Mendelssohns Oratorium eben auch ausleuchtet, wird durch den Aufführungsort ja auch noch einmal neu interpretiert. Noch ein Grund mehr für dieses Konzert.
Auch das experimentierunwillige klassische Konzertformat kann ganz schön aufregend sein: Florian Helgath, Chorwerk Ruhr und Concerto Köln setzen Maßstäbe.
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Ausführende
Sopran
Alt
Tenor
Bass
Knabensopran
Chorwerk Ruhr Concerto Köln
Dirigent
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- Fine -