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Klavier-Festival Ruhr 2023

Philharmonie Essen
25. November 2023


In memoriam Franz Xaver Ohnesorg

Galakonzert mit Lang Lang, Joseph Moog, Anne-Sophie Mutter (Violine), Michael Nagy (Bariton), Christoph Prégardien (Tenor), Lorenzo Soulès, Duo Yaara Tal & Andreas Groethuysen, Sergio Tiempo u.a.
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Klavier-Festival Ruhr

Ein Weltverschönerer

Von Stefan Schmöe

Es hätte eine große Verabschiedung werden sollen. Nach fast 28 Jahren als künstlerischer Leiter und (seit 2005) auch Intendant des Klavier-Festivals Ruhr wollte Franz Xaver Ohnesorg bei diesem letzten von drei groß besetzten Benefiz-Konzerten seine Tätigkeit abschließen und das Amt an seine Nachfolgerin Katrin Zagrosek übergeben. Dazu ist es nicht mehr gekommen: Am 14. November ist Franz-Xaver Ohnesorg völlig unerwartet verstorben. So ist dieses Konzert von einer Verabschiedung zu einem schmerzlichen Abschied geworden.

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Franz Xaver Ohnesorg (9.3.1948 - 14.11.2023), Foto: Mark Wohlrab

Das Klavier-Festival Ruhr war in besonderem Maße "sein" Festival. Zum Ritual eines Konzerts gehörte die Begrüßung des Publikums wie des Solisten oder der Solistin durch den Intendanten persönlich. Kaum einer der vielen Abende, bei dem er nicht zu Beginn auf die Bühne trat, den Sponsoren des Abends dankte und mit seinem unverkennbaren, sanften Tonfall "die wunderbare …" oder "den wunderbaren …" ankündigte. Wenn er tatsächlich einmal nicht anwesend war, dann fehlte etwas. Auch das trug zum besonderen Reiz des Klavier-Festival Ruhr bei: Das Moment des Persönlichen, das sich dem Publikum mitteilte und aus einem normalen Konzert ein Ereignis machte, wie es nur hier und jetzt stattfinden konnte.

Ohnesorg begann seine eindrucksvolle Karriere als Orchesterdirektor der Münchner Philharmoniker (in die Amtszeit fiel die Verpflichtung von Sergiu Celibidache zum Chefdirigenten), war dann von 1983 - 1999 der Gründungsintendant der neu erbauten Kölner Philharmonie. Mit der MusikTriennale Köln gründete er ein Festival, das sich ganz der Musik des ausklingenden 20. Jahrhunderts zuwendete. Nach kurzer Tätigkeit an der Carnegie Hall in New York wurde er zum Intendanten der Berliner Philharmoniker (2001 - 2002) berufen. Parallel dazu nahm er 1996 seine Tätigkeit beim Klavier-Festival Ruhr auf, das er zum kulturellen Leuchtturmprojekt der Region ausbaute - nicht immer ohne Gegenwind, ging manchen einflussreichen Sponsoren doch das selbstbewusste Auftreten Ohnesorgs wie die hohe Zahl der Konzerte (und damit die erforderlichen Zuschüsse) zu weit. Mit der Umwandlung in eine Stiftung (das war ihm zuvor auch bei den Berliner Philharmonikern gelungen) stellte der studierte Betriebswirt Ohnesorg das Festival auf eine wirtschaftliche Basis, die den Bestand auf Dauer sichern soll.

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Die designierte Nachfolgerin Ohnesorgs: Katrin Zagrosek (Foto: Peter Wieler)

Rang und Namen der Musikerinnen und Musiker, die er engagierte - in diesem Jahr u.a. Pierre-Laurent Aimard, Evgeny Kissin, Elisabeth Leonskaja, Igor Levit, Jan Lisiecki, András Schiff oder Grigory Sokolov - machen das Festival zu einem weltweit singulären Ereignis. Dabei bespielte Ohnesorg nicht nur die großen Konzertsäle in Essen, Dortmund, Wuppertal, Duisburg, Düsseldorf oder Bochum, sondern auch kleinere Orte wie die ehemalige Klavierfabrik Ibach in Schwelm, Museen oder auch Schulen. Immer wieder bot er aufstrebenden Talenten ein Forum. Und das viel gerühmte Education-Programm, mit dem er klassische Klaviermusik an Orte brachte, an denen Kinder sie sonst eher nicht hören (können), war ihm eine Herzensangelegenheit. Und nach dem kulturellen Stillstand in der Corona-Pandemie war das Klavier-Festival einer der ersten Veranstalter, der wieder spielte. Die Welt durch Musik ein Stück besser und schöner machen - das war das große Programm des Franz-Xaver Ohnesorg.

Über sein außerordentliches Netzwerk, das er mit Charme und Verbindlichkeit knüpfte, haben wir anlässlich der ersten Benefiz-Gala in Wuppertal geschrieben. Dort erklärte András Schiff, einer der großen Humanisten unter den Pianisten, ihn zum Wahlverwandten. Bei diesem letzten Benefizkonzert wurde nicht viel geredet. Neu-Intendantin Katrin Zagrosek rang um Worte (wer wollte es ihr verdenken) und erklärte, die Musik solle im Vordergrund stehen. Joseph Moog (der auch schon einmal eine ähnliche Gala moderiert hat) begann mit Franz Liszts Sonetto 123 del Petrarca, ein wenig salonhaft-lässig vorgetragen. Christoph Prégardien sang, begleitet von Lorenzo Soulèz, in Baritonlage und mit großer Würde und klarer Diktion den Lindenbaum aus Schuberts Winterreise sowie Nacht und Träume. Die Stimme des inzwischen 67-jährigen Ausnahmesängers hat nicht mehr die Substanz früherer Jahre, die präzise Gestaltung ist unverändert grandios. In Robert Schumanns a-Moll-Violinsonate begleitete Martha Argerich zurückhaltend und sensibel und behielt dennoch klar die Initiative, als wolle ihr Partner Renaud Capuçon an der Violine bei einem Klavier-Festival brav dem Tasteninstrument den Vortritt überlassen.

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Musikerinnen und Musiker beim Applaus: (v.l.) Joseph Moog, Michael Nagy, Susanna Klovsky, Michael Barenboim, Itai Navon, Hisham Khoury, Sindy Mohamed, Astrig Siranossian, Lorenzo Soulès, Sakura Toba, Muriel Razavi, Christoph Prégardien, Andreas Groethuysen, Yaara Tal, Sergio Tiempo, Lang Lang, Anne-Sophie Mutter, Renaud Capuçon und Martha Argerich (Foto: Peter Wieler)

Ohnesorg war Gründungsmitglied der Daniel-Barenboim-Stiftung, die vor allem mit dem West-Eastern Divan Orchestra durch das gemeinsame Musizieren von Musikern und Musikerinnen aus Israel und den arabischen Nachbarstaaten zur Verständigung aufruft, sowie Vorstandsmitglied der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung, die hochbegabte junge Musikerinnen und Musiker fördert. Beide Institutionen waren auch an diesem Abend präsent. die Stargeigerin spielte als virtuose Prinzipalin mit Michael Barenboim, Muriel Razavi und Sakura Toba Mozarts frühes Streichquartett D-Dur KV 155, wobei den drei letztgenannten die Rolle der diskret agierenden Begleiter zufiel. Michael Barenboim, Sohn des Dirigenten und Konzertmeister im West Eastern Divan Orchestra, brachte gemeinsam mit Hisham Khoury (Violine), Sindy Mohamed (Viola), Astrig Siranossian (Violoncello) und Itai Navon (Klavier) Robert Schumanns Klavierquintett Es-Dur klangschön und ausgewogen zur Aufführung. Das Scherzo, als dritter Satz eigentlich in eher untergeordeter Funktion, erhielt dabei Gewicht und Bedeutung eines Finalrondos, dass man sich verwundert die Augen rieb und bei der großen Schlussgeste voreilig applaudierte - das eigentliche Finale Allegro ma non troppo geriet dadurch ein wenig aus dem Gleichgewicht.

Michael Nagy bewies mit Schuberts Fischermädchen und, was wäre passender gewesen, An die Musik, dass er nicht nur auf der Opernbühne einer der herausragenden Baritone unserer Zeit, sondern auch ein großartiger Liedsänger ist. Begleitet von Susanna Klovsky (im historisierenden Biedermeiderkleid und mit zum Knoten geschürztem Haar) präsentierte er einen Auftritt von distinguierter Eleganz - so ähnlich wie die beiden darf man sich wohl das Ehepaar Clara und Robert Schumann vorstellen. Dem Schubert-Liebhaber Ohnesorg zu Ehren spielten Yaara Tal und Andreas Groethuysen dessen große f-Moll-Fantasie D 940 für Klavier zu vier Händen; vorgetragen mit einigem Pathos, das manche Verzögerung und rhythmische Freiheit beinhaltete und in großer Schmerzensgeste endete. Ganz anders das folgende Duo mit Martha Argerich und Sergio Tiempo, die in flirrend-schillernden Farben und mit bestechender Leichtigkeit Ravels Ma Mère l'Oye zu Gehör brachten wie einen Traum von besseren Welten.

Der Abschluss gehörte Lang Lang mit Auszügen aus Bachs Goldberg-Variationen. Mit großer theatralischer Geste beginnt er nicht mit der Aria, sondern mit der Variation im pompösen Stil einer französischen Ouvertüre, was ja bei einer starken Kürzung des Werkes ein durchaus plausibler Einstieg ist. Die in den folgenden Variationen traumverlorene, darin durchaus romantisierende, auf der anderen Seite sehr klare Interpretation führt durch nebelverhangene Abgründe zum raffiniert verspielten Quodlibet und der abschließenden Aria in sehr getragenem Tempo. Nichts für Bach-Puristen, aber von erlesener Schönheit. Lang Lang gelingt hier eine musikalische Reise vom Schrecken des Todes zum verklärten Paradies, eine kleine Divina Comedia nach Bachs Gnaden auf dem großen Konzertflügel. Auch in seinem Pathos ein würdiger Abschluss der Ära Ohnesorg.




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Klavier-Festival Ruhr 2023

Philharmonie Essen
25. November 2023


Ausführende und Programm

Joseph Moog, Klavier

Franz Liszt:
Sonetto 123 del Petrarca S 161/6



Christoph Prégardien, Tenor
Lorenzo Soulès, Klavier


Franz Schubert:
Der Lindenbaum, aus: Winterreise op. 89 D 911
Nacht und Träume D 827



Renaud Capuçon, Violine
Martha Argerich, Klavier


Robert Schumann:
Sonate für Violine und Klavier Nr.1 a-Moll op. 105



Anne-Sophie Mutter, Violine
Michael Barenboim, Violine
Muriel Razavi, Viola
Sakura Toba, Violoncello


Wolfgang Amadeus Mozart:
Streichquartett D-Dur KV 155



Michael Barenboim, Violine
Hisham Khoury, Violine
Sindy Mohamed, Viola
Astrig Siranossian, Violoncello
Itai Navon, Klavier


Robert Schumann:
Klavierquintett Es-Dur op. 44



Michael Nagy, Bariton
Susanna Klovsky, Klavier


Franz Schubert:
Das Fischermädchen aus: Schwanengesang D 957
An die Musik op. 88/4 D 547



Yaara Tal & Andreas Groethuysen, Klavier

Franz Schubert:
Fantasie für Klavier zu vier Händen f-Moll op. 103 D 940



Martha Argerich & Sergio Tiempo, Klavier

Maurice Ravel:
Ma Mère l'Oye



Lang Lang, Klavier

Aria mit 30 Veränderungen G-Dur BWV 988
"Goldberg-Variationen" (Auszüge)





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