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Drama Queens

Christina Pluhar, Theorbe und Dirigentin
L'Arpeggiata
Céline Scheen, Sopran
Luciana Mancini, Mezzosopran
Benedetta Mazzucato, Mezzosopran
Vincenzo Capezzuto, Altus

Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (keine Pause)

Sonntag, 12. Mai 2024, 17.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 


Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)

Wonder Women in der Philharmonie

Von Thomas Molke

Vom 9. bis 12. Mai 2024 findet in Essen in diesem Jahr erstmals das neue Komponistinnenfestival "her:voice" statt, das die Intendantin des Aalto Musiktheaters und der Essener Philharmoniker, Dr. Merle Fahrholz, ins Leben gerufen hat. Nachdem im Aalto Theater seit Januar die Oper Fausto, der französischen Komponistin Louise Bertin auf dem Programm steht (siehe auch unsere Rezension), widmet man sich nun auch in der Philharmonie im Rahmen der beliebten Reihe "Alte Musik bei Kerzenschein" den Werken vernachlässigter Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts. Immerhin war die erste namentlich bekannte Person des Abendlandes, die sich der Komposition gewidmet hat, die byzantinische Äbtissin Kassia im 9. Jahrhundert. Und um die Frauen in diesem Bereich mehr in den Mittelpunkt zu rücken, hat man eine Dirigentin in die Philharmonie eingeladen, die schon seit vielen Jahren als eine der innovativsten Musikerinnen der Alten-Musik-Szene gilt und schon für zahlreiche außergewöhnliche Programme mit Preisen ausgezeichnet worden ist: Christina Pluhar. Mit dem von ihr im Jahr 2000 gegründeten Ensemble L'Arpeggiata, drei Sängerinnen und einem Sänger präsentiert sie unter dem Titel Drama Queens & Wonder Women Musik von und über Frauen.

Den Anfang beim Komponistinnen-Reigen macht die Venezianerin Barbara Strozzi, die acht Bände vokaler Kammermusik mit weltlichen Madrigalen, Arien und Kantaten veröffentlichte. Dabei war ihr Weg kein leichter. Als uneheliche Tochter durfte sie nicht heiraten und zog so als alleinerziehende Mutter vier Kinder groß, die sie mit einem verheirateten Adligen hatte. Die erste Arie, die von ihr erklingt, "Che si può fare", liest sich schon beinahe wie eine Beschreibung ihrer eigenen Lebenssituation. Céline Scheen legt die Arie mit vollem Sopran und großer Dramatik an. Die weiteren beiden Arien handeln vom Leiden an der Liebe. Zunächst präsentiert Benedetta Mazzucato mit rundem Mezzosopran die Arie "L'amante consolato", in der der Liebende auf Tröstung hofft. Mazzucato findet dabei sehr warme, weiche Töne. In der letzten Arie berichtet Scheen dann von der heimlichen Liebe, "L'amante segreto".

Die beiden folgenden Komponistinnen widmeten sich ausschließlich geistlicher Musik. Mazzucato stimmt zunächst ein Wiegenlied für das Jesuskind an, in dem die heilige Mutter Maria versucht, das Baby vor dem kalten Winter und dem Schnee zu schützen. Aus "Nive puer" werden Auszüge präsentiert, die Christina Pluhar für diesen Abend arrangiert hat. Mazzucato begeistert dabei mit warmen Tiefen, die das Kind einzuwickeln versuchen. Weiter geht es mit einer Motette von Caterina Assandra, einer weiteren Nonne, von der noch nicht einmal die Lebensdaten sicher überliefert sind. "Duo Seraphim" ist für drei Stimmen konzipiert, Sopran, Mezzosopran und Altus. Neben Scheen und Mazzucato begeistert hier auch der Altus Vincenzo Capezzuto mit einer interessanten Stimmfärbung. Zusammen setzen die drei die Engel, die erscheinen, sehr lautmalerisch um. Das Stück erinnert ein wenig an Monteverdis gleichnamige Vertonung in der ein Jahr später entstandenen Marienvesper.

Neben den Komponistinnen geistlicher Musik werden auch Arien von zwei Damen präsentiert, die eine Oper komponiert haben. Den Anfang macht Antonia Bembo, die zunächst als Sängerin an den französischen Königshof ging, wo ihr Ludwig XIV. eine lebenslange Pension in einem Pariser Frauenkonvent widmete. Dort entstand ihre Oper L'Ercole amante, die im vergangenen Jahr bei den Tagen Alter Musik in Herne konzertant zu erleben war (siehe auch unsere Rezension). Insgesamt sechs handschriftliche Bände mit Vokalmusik sind von Bembo überliefert. Daraus singt Scheen die Arie "Habbi pietà di me", in der sie eindringlich um Mitgefühl bittet. Scheen legt auch dieses Stück mit vollem Sopran und wunderbaren Bögen an. Die zweite Opernkomponistin ist Francesca Caccini, die mit La liberazione di Ruggiero dall' isola d'Alcina einen in der Barockzeit sehr beliebten Stoff komponiert hat. Aus dieser Oper stellt Luciana Mancini die Arie der Melissa vor, "Così perfida Alcina". Bei Melissa handelt es sich ebenfalls um eine Zauberin, die im Auftrag Bradamantes in Alcinas Reich kommt, um Ruggiero aus den Fängen Alcinas zu befreien. Mancini begeistert mit einem sehr dunklen Mezzosopran, der die Macht der Zauberin wunderbar unterstreicht.

Vorher gibt es noch eine Arie der sechsten Komponistin des Abends, der Römerin Francesca Campana. Hierbei handelt es sich um eine Liebesklage, die ebenfalls von Mancini eindrucksvoll umgesetzt wird. Als verbindendes Glied zwischen den Gesangsnummern gibt es Instrumentalstücke von Maurizio Cazzati, der neben diversen Bühnenwerken vor allem Instrumentalmusik kreiert hat. Wie vielseitig er dabei gewesen ist und welche individuellen Farben er einzelnen Instrumenten gegeben hat, wird vom Ensemble L'Arpeggiata eindrucksvoll herausgearbeitet. In jedem Stück steht ein anderes Instrument im Mittelpunkt, das dabei glänzen kann. Diese Passagen gehen meist bruchlos in die folgenden Arien über. Manchmal ist das Publikum vom Spiel des Ensembles aber so begeistert, dass es mit Zwischenapplaus den Fluss des Konzertes unterbricht.

Einen bleibenden Eindruck hinterlassen an diesem Abend außerdem zahlreiche Traditionals, die größtenteils von Pluhar arrangiert worden sind, und mit denen das Ensemble und die Solistinnen und Solisten das Publikum vor Begeisterung regelrecht von den Sitzen reißen. Dabei werden in spanischer und italienischer Sprache teilweise sehr amüsante Geschichten erzählt, die von den Solistinnen und dem Solisten mit großartiger Komik umgesetzt werden. Mancini begeistert beispielsweise bei "La Lloroncita" aus Mexiko mit profunden Tiefen und einer enormen Leidenschaft, während Vincenzo Capezzuto mit herrlichem Spiel im neapolitanischen "Lo Guarracino" einen Krieg zwischen den Fischen beschreibt, der von einem Schwalbenschwänzchen ausgelöst worden ist. Dabei punktet er mit wunderbar fließenden Parlando-Stellen. Während er hier sehr komische Akzente setzt, wird es in "La canzone di Cecilia" sehr traurig, wenn Cecilia sich einem Hauptmann hingibt, um ihren Geliebten zu retten und dann sehen muss, wie er zur Hinrichtung geführt wird. Im Ohr bleibt auch das spanische Lied "La bruja", in dem Mancini von dem nächtlichen Rendezvouz mit einer heißblütigen Frau schwärmt, die sich schließlich als Nixe mit einem Fischschwanz entpuppt. Diesen Song gibt es dann auch noch als zweite Zugabe.

In der ersten Zugabe zeigt Doron Sherwin, dass er mehr kann, als hervorragend den Zink zu spielen. Zur Wiederaufnahme des traditionellen "Pizzica di San Vito" aus Apulien, setzt er sich eine Mütze und eine Sonnenbrille auf und stellt unter Beweis, dass man Barockmusik auch sehr gut rappen kann. Das Publikum ist völlig aus dem Häuschen. So dauert der pausenlose Abend, der eigentlich mit 90 Minuten angesetzt ist, schließlich 40 Minuten länger.

FAZIT

Christina Pluhar hat hier großartige Barockperlen zusammengestellt, die beste Unterhaltung bieten. Neben der Entdeckung der Barockkomponistinnen bereiten vor allem die Traditionals sehr große Freude.



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Ausführende

Céline Scheen, Sopran

Luciana Mancini, Mezzosopran

Benedetta Mazzucato, Mezzosopran

Vincenzo Capezzuto, Altus

L'Arpeggiata

Christina Pluhar, Theorbe und Dirigentin


Werke

Maurizio Cazzati
La Strozza

Barbara Strozzi
"Che si può fare"
(Céline Scheen)

Pietro Antonio Giramo
"La Pazza" (Lamento della Pazza)
(Luciana Mancini)

Traditional (Apulien)
"Pizzica di San Vito"
(Vincenzo Capezzuto)

Isabella Leonarda
"Nive puer" (Auszüge arr. Christina Pluhar)
(Benedetta Mazzucato)

Caterina Assandra
"Duo Seraphim"
Mottetti a due, tre voci
(Céline Scheen, Benedetta Mazzucato,
Vincenzo Capezzuto)

Maurizio Cazzati
Ciaccona

Traditional (Mexiko)
"La Lloroncita" (arr. Christina Pluhar)
(Luciana Mancini)

Traditional (Neapel, 18. Jahrhundert)
"Lo Guarracino"
(Vincenzo Capezzuto)

Barbara Strozzi
"L'amante consolato"
Cantate, ariette e duetti, op. 2
(Benedetta Mazzucato)

Antonia Bembo
"Habbi pietà di me"
(Céline Scheen)

Traditional (Italien)
"La canzone di Cecilia"
(arr. Christina Pluhar)
(Vincenzo Capezzuto)

Francesca Campana
"È già rotto lo strale"
(Luciana Mancini)

Maurizio Cazzati
Capriccio sopra sette note

Francesca Caccini
"Lasciatemi qui solo"
Il primo libro delle musiche a una e due voci
(Benedetta Mazzucato)

"Così perfida Alcina"
(Luciana Mancini)

Maurizio Cazzati
Passacaglio

Barbara Strozzi
"L'amante segreto"
(Céline Scheen)

Traditional
"La Llorona" (arr. Christina Pluhar)
(Vincenzo Capezzuto)

"La Bruja" (arr. Christina Pluhar)
(Luciana Mancini)

Anonymus
Jácara: No hay que decirle el primor
(Céline Scheen, Luciana Mancini,
Benedetta Mazzucato, Vincenzo Capezzuto)


Weitere Informationen
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Theater und Philharmonie Essen
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